# taz.de -- Film „Un été comme ça“ auf der Berlinale: Viel Sex um nichts
       
       > Denis Côté verlässt sich in seinem Filmdrama „Un été comme ça“ um drei
       > hypersexuelle Frauen auf den Tabubruch ihrer Erzählungen.
       
 (IMG) Bild: Austern als Aphrodisiakum?
       
       „Dies ist eine Reise, keine Therapie“, erklärt Mathilde (Marie-Claude
       Guérin) den drei Frauen, die in diesem Sommer zu ihren Schützlingen werden
       sollen. Wobei sie genauer gesagt unter der Obhut ihrer deutschen Kollegin
       Octavia ([1][Anne Ratte-Polle]) stehen werden, mit der sie ein eigenartiges
       Konkurrenzverhältnis verbindet, das – wie die meisten Beziehungsdynamiken
       in „Un été comme ça“ („That Kind of Summer“) – nur angedeutet, aber nicht
       näher ergründet werden soll.
       
       Mathilde selbst ist nämlich schwanger, wie die Kamera nach ihrem
       einführenden Monolog mit einem Schwenk auf ihren Bauch enthüllt. Ansonsten
       bleibt diese meist nah an den Gesichtern der wenigen Figuren, die sich in
       einem ruhigen Haus am See in der Nähe von Montréal eingefunden haben. Mit
       insistierendem Blick haftet sie an Personal wie Patientinnen, sofern man
       sie denn als solche bezeichnen mag, gleichermaßen.
       
       Denn „krank“ ist hier niemand, wie immer wieder betont wird. Léonie
       (Larissa Corriveau), Eugénie (Laure Giappiconi) und Geisha (Aude Mathieu)
       leiden an Hypersexualität, über die sie während ihres 26-tägigen
       Aufenthalts reflektieren sollen.
       
       Der kanadische [2][Filmemacher Denis Côté] („Ghost Town Anthology“), der
       bereits zum vierten Mal im Wettbewerb der Berlinale vertreten ist, rückt in
       seinem kammerspielartigen Drama vor allem die Zeugnisse, die die Frauen von
       ihrer sexuellen Historie ablegen, ihre Zwangsgedanken und
       Minderwertigkeitsgefühle, in den Fokus.
       
       ## Streifzüge auf der Suche nach Sex
       
       Mit dokumentarischem Stilwillen zeigt er seine Protagonistinnen in
       therapeutischen Zwiegesprächen, auf Streifzügen durch die Umgebung auf der
       Suche nach Sex oder beim gemeinsamen Abendessen.
       
       So rückt auch immer wieder die Belegschaft, zu der außerdem Sozialarbeiter
       Sami (Samir Guesmi) und Haushälterin Diane (Josée Deschênes) gehören, ins
       Blickfeld. Durch sie werden die üblichen Reaktionen auf die extremen
       Begierden in den Film eingeflochten. Sie changieren zwischen Verständnis
       und Mitleid, Ekel und Faszination.
       
       Darauf, derlei Reaktionen auch bei den Zuschauenden hervorzurufen, verlässt
       sich „That Kind of Summer“ spürbar. Côté lässt fortlaufend von Tabubrüchen
       berichten, zeigt sie selten auch. Allerdings ohne sie zu einer
       aussagekräftigen Charakterstudie zu verbinden oder sie anderweitig
       fruchtbar zu machen, weswegen sie den Film nicht über seine gut
       zweistündige Spielzeit tragen.
       
       So zieht besagte Reise nicht nur an den Frauen vorbei, die während ihr
       keinerlei Transformation durchmachen. Auch als Publikum nimmt man von ihr
       nicht viel mehr mit als das ein oder andere schöne Bild und ein paar
       drastische Geschichten.
       
       15 Feb 2022
       
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