# taz.de -- Zweite Amtszeit für Steinmeier: Ob er die Größe hat?
       
       > Steinmeier bleibt Bundespräsident. Kann er weitermachen wie bisher?
       > Mitnichten. Er muss die soziale Spaltung der Gesellschaft in den Blick
       > nehmen.
       
 (IMG) Bild: Das Auffälligste ist seine Unauffälligkeit: Bundespräsident Steinmeier am Sonntag nach seiner Wahl
       
       Frank-Walter Steinmeier verkörpert fast idealtypisch die Bundesrepublik. Er
       ist moderat und stets an Konsens und Kompromiss orientiert. Er hat etwas
       Mäßigendes und Gemäßigtes, ja Durchschnittliches. Das Auffälligste an ihm
       ist seine Unauffälligkeit. Er ist der erste sozialdemokratische
       Bundespräsident mit einer zweiten Amtszeit. Noch fünf Jahre.
       
       Brauchen wir das? Muss er etwas ändern? Oder reicht es, typisch
       bundesrepublikanisch, auf Kontinuität zu setzen, und Änderungen, wenn
       überhaupt, so vorsichtig ins Werk zu setzen, dass es niemand merkt?
       Steinmeier hat seine erste Amtszeit unter die Überschrift Demokratie
       gestellt. Das war angesichts des nach vorne drängenden Rechtspopulismus
       klug. Manche mögen das Mittige und Pathosarme, die Aura des Angestellten
       und das scheinbar Harmlose bei Steinmeier verachten. Aber gerade das ist
       hilfreich, um als Bundespräsident für Demokratie zu werben.
       
       Jedenfalls ist ihm manchmal das Kunststück gelungen, kristallklar die
       Grenzen zum Rechtsautoritären zu ziehen, ohne die Debatte zusätzlich
       affektiv aufzuladen. Gauck hat funkelnde, aber pauschal abwertende
       Metaphern wie [1][Dunkeldeutschland] benutzt, Steinmeier nicht. „Wer die
       Demokratie angreift, hat mich als Gegner“, so Steinmeier in seiner Rede.
       Also weiter so. Das ist nötig. Wenn ein Viertel der Bundesbürger die
       Demokratie in Gefahr sieht, ist das ein Alarmsignal.
       
       Die Corona-Gereiztheiten mögen wieder verfliegen. Der klimaneutrale Umbau
       der Ökonomie, der erst beginnt, wird Verlierer und Gewinner produzieren und
       Verlustängste provozieren. Auch das hat Steinmeier angesprochen. Die
       Transformation werde nur gelingen, „wenn auch die Schwächeren etwas zu
       gewinnen haben.“ Aber das klingt etwas vage. Steinmeier hat die fatale
       Agenda 2010 erfunden – ein kritisches Wort von ihm dazu fehlt bislang. Auch
       zu der skandalösen Ungleichheit, die durch Corona noch mal gewachsen ist,
       hört man vom Bundespräsidenten, der hunderte Reden gehalten hat, wenig.
       
       Die soziale Spaltung der Gesellschaft gefährdet die Demokratie – umso
       enttäuschender ist, dass Steinmeier die soziale Spaltung in Arm und Reich
       bislang stiefmütterlich behandelt. Am Sonntag hat er [2][Gerhard Trabert],
       Sozialmediziner und Kandidat der Linkspartei, angeboten, bei der Bekämpfung
       von Obdachlosigkeit zusammenzuarbeiten. Das war eine schöne, demokratische
       Geste. Aber sie reicht nicht. Steinmeier muss die Ungleichheit, die
       Demokratie zerfrisst wie Rost Eisen, zu seinem Thema machen. Die Chance hat
       er. Man wird sehen, ob er auch die Größe hat.
       
       13 Feb 2022
       
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 (DIR) [1] https://www.sueddeutsche.de/politik/bundespraesident-joachim-gauck-die-ossis-und-dunkeldeutschland-1.2622780
 (DIR) [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Gerhard_Trabert
       
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 (DIR) Stefan Reinecke
       
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