# taz.de -- Gewissensentscheidung Impfpflicht: Die neue Gretchenfrage im Bundestag
       
       > Wie hältst du’s mit der Impfpflicht? Befürworter einer allgemeinen
       > Impfpflicht ab 18 Jahren wollen quer durch die Fraktionen um
       > Unterstützung werben.
       
 (IMG) Bild: Im Bundestag zeichnen sich drei Gruppen in der Debatte um die Impfpflicht ab
       
       Berlin taz | Weil der Bundestag ohne Fraktionszwang über eine Impfpflicht
       entscheiden soll, [1][polarisiert das Thema quer durch die Fraktionen].
       Unter den Parlamentarier:innen zeichnen sich derzeit drei Lager ab:
       Die einen, bislang vor allem FPD-Abgeordnete, sind gegen eine Pflicht. Eine
       zweite Gruppe um den FDP-Abgeordneten Andrew [2][Ullmann wirbt für eine
       Impfpflicht für Menschen ab 50 Jahren]. Und eine dritte Gruppe hält an
       einer allgemeinen Impfpflicht für alle Bürger:innen über 18 Jahren fest.
       
       Einen ausformulierten Antrag hat bisher nur die erste Gruppe um Wolfgang
       Kubicki (FDP) vorgelegt, doch auch die anderen Gruppen bereiten nun Anträge
       vor. Zur Gruppe der Befürworter einer allgemeinen Impfpflicht gehören etwa
       der grüne Gesundheitsexperte Janosch Dahmen und Dagmar Schmidt aus dem
       SPD-Fraktionsvorstand. „Ziel muss es sein, endlich vor die nächste Welle zu
       kommen und von einer pandemischen in eine endemische Lage“, sagte Schmidt
       der taz. Sie halte eine allgemeine Impfpflicht für einen wesentlichen
       Bestandteil dieser Strategie.
       
       Dass diese Pflicht erst ab Herbst gelten könnte und für die Bekämpfung der
       [3][aktuellen Omikronwelle] keine Rolle mehr spielt, ist den Befürwortern
       durchaus bewusst. Doch Dahmen, selbst Arzt, hält eine Impfpflicht dennoch
       für sinnvoll: „Wir kommen nur mit einer hinreichend hohen Immunisierung aus
       der Pandemie“, sagt er. Eine Impfpflicht könne analog zur aktuellen
       Impfempfehlung der Stiko gelten, skizziert Dahmen eine mögliche
       Ausgestaltung.
       
       Doch wer weiß schon, welche Empfehlung die Stiko im Herbst geben wird? Die
       Gegner einer Impfpflicht halten solche Unwägbarkeiten für problematisch.
       „Der Bundestag kann eine allgemeine Impfpflicht nicht beschließen, solange
       er nicht einmal die Häufigkeit der mit der Pflicht verbundenen
       Schutzimpfungen kennt“, heißt es in ihrem Antrag. Sie hegen auch rechtliche
       Bedenken: „Insbesondere steigt der Begründungsaufwand für eine solche
       Pflicht, je öfter die verpflichtende Impfung wiederholt werden muss.“
       
       ## Lauterbrach: Drei Spritzen reichen
       
       Doch hier ist Dagmar Schmidt optimistisch. Sie halte eine Impfpflicht für
       rechtlich gut begründbar: „Verfassungsrechtler haben noch einmal darauf
       hingewiesen, dass wir als Gesetzgeber einen breiten Gestaltungsspielraum
       haben.“ Man müsse also sorgfältig vorgehen, konkrete Ziele benennen und
       klarmachen, dass eine allgemeine Impfpflicht diesen Zielen diene und
       mildere Mittel nicht in Sicht seien.
       
       Dass diese derzeit nicht in Sicht sind, darin sind sich Schmidt und Dahmen
       einig. Der Grüne kann sich aber durchaus vorstellen, die ab Mitte März
       geltende Impfpflicht für Krankenhäuser und Pflegeheime auszuweiten, nämlich
       auf Bereiche, „wo Menschen für andere Menschen Verantwortung tragen, aber
       Masken und Abstand nicht immer sichergestellt werden können – also
       beispielsweise Polizei, Feuerwehr und Justizvollzug“, so Dahmen.
       
       Das sei aber keine Alternative zur allgemeinen Impfpflicht, sondern könne
       als Abstufung auch parallel gelten. Danach gäbe es also zwei Pflichten, die
       unterschiedlich kontrolliert und geahndet würden. Einer Krankenschwester,
       die dem Arbeitgeber nicht den geforderten Impfnachweis vorlegt, droht ein
       Beschäftigungsverbot. Bei Verstoß gegen die allgemeine Impfpflicht wäre
       dagegen ein Bußgeld fällig.
       
       Unklar bleibt, wie die allgemeine Impfpflicht kontrolliert werden soll.
       Denn ein allgemeines Impfregister, in dem der Impfstatus aller
       Bürger:innen erfasst wird, gibt es in Deutschland nicht. Dass es nun im
       Zuge mit der Impfpflicht eingeführt wird, ist unwahrscheinlich. Viel zu
       bürokratisch und zeitaufwändig wäre das, sind sich auch die
       Befürworter:innen einer Impfpflicht einig. Dahmen plädiert dafür, zu
       prüfen, inwieweit es auch ohne ginge.
       
       Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), großer Fan der
       allgemeinen Impfpflicht, will auf ein Impfregister verzichten. Am Sonntag
       zerstreute er zudem Bedenken, dass endlos Auffrischungen nötig wären:
       Seiner Ansicht nach [4][müsste eine Impfpflicht drei Impfdosen umfassen] –
       nach dem Booster sei man voraussichtlich ausreichend gegen weitere
       Varianten geschützt, so Lauterbach.
       
       Im Parlament will die Gruppe „Impfpflicht für alle“ quer durch alle
       demokratischen Fraktion um Mehrheiten werben. Einen Antrag wollen sie aber
       erst nach der Ende Januar geplanten Orientierungsdebatte vorlegen: „Da muss
       dann Farbe bekannt werden“, so Schmidt. Abgestimmt über eine Impfpflicht
       wird wohl frühestens Ende März.
       
       17 Jan 2022
       
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