# taz.de -- FDP-Politiker über die Impfpflicht ab 50: „Endlich mal vor die Welle kommen“
       
       > Der FPD-Politiker Andrew Ullmann bereitet einen Gruppenantrag für eine
       > Impfpflicht ab 50 Jahren vor. Wie könnte die Umsetzung aussehen?
       
 (IMG) Bild: Kleiner Pieks, große Kontroverse: Kein Fraktionszwang bei der Abstimmung über Impfpflicht
       
       taz: Herr Ullmann, Sie bereiten gerade einen Gesetzentwurf vor, der eine
       altersbezogene Impfpflicht ab 50 Jahren beinhaltet. Können Sie etwas mehr
       verraten? 
       
       Andrew Ullmann: Der Antrag ist noch nicht fertig, aber einige Eckpunkte
       kann ich nennen. Wir planen ein Stufenmodell. Zuallererst soll eine
       professionelle Aufklärung durch ein verpflichtendes Arztgespräch
       stattfinden. Leider werden in dieser Pandemie viele Fake News verbreitet –
       wir müssen aktiv dagegen vorgehen. Wenn durch diese Aufklärungskampagne die
       Impfquote nicht besser geworden oder wenn die gesundheitliche Versorgung
       gefährdet ist, sollte eine Impfpflicht für Risikogruppen, zum Beispiel ab
       50 Jahren, greifen.
       
       Wie lange soll denn die Aufklärungsphase dauern? 
       
       Es gibt noch keine konkreten Berechnungen, aber es könnte durchaus bis zum
       Hochsommer dauern. Idealerweise würden Ärzte in den Impfzentren die
       Aufklärungsgespräche führen und gegebenenfalls gleich die Impfung
       durchführen.
       
       Falls eine [1][Impfpflicht] erforderlich wäre, wäre diese überhaupt noch
       vor dem Herbst umsetzbar? 
       
       Die Impfkampagne müsste bis zum Herbst abgeschlossen sein. Es ist das Ziel,
       endlich mal vor die Welle zu kommen und nicht mehr hinterherzuhecheln. Ich
       habe selbst erleben müssen, wie im Freundeskreis Eltern verstorben sind und
       es nicht möglich war, sich richtig zu verabschieden. Diese traurigen
       Geschichten dürfen sich nicht wiederholen – das ist die Verantwortung der
       Politik.
       
       Warum sind Sie gegen eine allgemeine Impfpflicht? 
       
       Ich habe im Wahlkampf explizit gesagt, dass ich kein Freund der Impfpflicht
       bin, ich bin es auch nach wie vor nicht. Aber wenn die Freiheitsbilanz
       unausgeglichen ist zwischen denen, die sich verantwortlich zeigen und sich
       impfen lassen, und denen, die ihre Freiheit hochhalten, aber die Freiheit
       der anderen gefährden, indem sie die Krankenhausversorgung bedrohen, dann
       ist ein Eingriff in die körperliche Integrität durchaus gerechtfertigt –
       zumal die Nebenwirkungen der Impfung übersichtlich sind.
       
       Wäre das nicht ein Argument für die allgemeine Impfpflicht? 
       
       Wir müssen bei allem die Verhältnismäßigkeit bewahren. Die Impfpflicht ist
       ein scharfes Schwert. Ich habe selbst als Arzt viele Behandlungen in der
       Krebsmedizin durchgeführt. Wenn es um eine Chemotherapie ging, dann habe
       ich über mögliche Nebenwirkungen und Erfolgsaussichten aufgeklärt. Aber ich
       habe die Entscheidung meiner Patienten immer respektiert, das ist für mich
       ein hohes Gut. Und das Gleiche gilt für mich auch in der
       Impfpflichtdebatte. Wir müssen vor allem aufklären und überzeugen.
       
       Warum halten Sie dann eine Impfpflicht ab 50 Jahren für gerechtfertigt? 
       
       Die nicht vorerkrankten Unter-50-Jährigen belasten die
       Krankenhausinfrastruktur nur minimal. Das ist der Stand der Wissenschaft
       heute, das geht aus Intensivregister-Daten hervor. Bei jeder neuen Variante
       kann sich natürlich die Lage verändern, deswegen arbeiten wir im Antrag
       auch an einer Möglichkeit der Nachjustierung, damit wir abhängig vom
       Verlauf der Pandemie reagieren können.
       
       Es gibt gesunde 50-Jährige und vorerkrankte 40-Jährige. Ist diese
       Altersfestlegung nicht eine Form der Altersdiskriminierung? 
       
       Wenn man eine Impfpflicht ab 18 vorschlägt, wäre das dann auch eine
       Altersdiskriminierung? Denn medizinisch betrachtet macht es keinen großen
       Unterschied beim Impfen, ob jemand 17, 19 oder 20 Jahre alt ist. Das sehe
       ich viel skeptischer. Ich argumentiere deshalb evidenzbasiert. Die Daten
       zeigen, dass auf der Intensivstation die Inzidenz von Ungeimpften ab 50
       ansteigt.
       
       Könnte man sagen: Die allgemeine Pflicht soll die Impfquote so erhöhen,
       dass man in eine endemische Lage kommt. Das Ziel bei einer altersbezogenen
       Impfpflicht ist, eine Überlastung der Krankenhäuser zu verhindern? 
       
       Um eine verfassungskonforme Impfpflicht durchzusetzen, muss ein klares Ziel
       definiert und gut begründet werden. In dem Moment, in dem wir sagen, das
       Krankenhaussystem wird überlastet durch eine Altersgruppe, die nicht
       geimpft ist, dann ist das verhältnismäßig. Auch wenn ich den Wunsch nach
       einer höheren Impfquote teile, dieses Ziel lässt sich nicht so gut
       begründen und ist unverhältnismäßig.
       
       Bei Masern geht es doch auch. 
       
       Bei Covid-19 ist es leider komplizierter – bei Masern haben wir nach zwei
       Impfungen meist eine sehr lang bestehende Immunität. Wir können Covid-19
       aber nicht ausrotten, weil der Impfschutz nicht solange währt. Wir können
       mit den Impfungen nur das Krankheitsrisiko minimieren.
       
       Angenommen es käme zu einer Impfpflicht -wie oft müssten Menschen sich
       impfen lassen? Einmal, zweimal, dreimal? 
       
       Nach meinem medizinischen Verständnis ist im Augenblick ein vollständiger
       Impfschutz erst nach drei Impfungen gegeben. Die Frage ist für mich
       aufgrund der Dynamik der derzeitigen Entwicklung allerdings noch offen.
       
       Aber die Frage müsste doch geregelt werden. 
       
       Das stimmt. Das hat auch die Vorsitzende des Ethikrats, die von mir sehr
       geschätzte Alena Buyx noch einmal betont. Wir können eine partielle
       stufenweise Impfpflicht nur mit klaren und verständlichen Vorgaben
       einführen.
       
       Was soll passieren, wenn man sich nicht impfen lassen will? 
       
       Die Polizei wird nicht mit der Spritze in der Hand die Menschen impfen, das
       ist klar, aber es ist mindestens eine Ordnungswidrigkeit. Bei der
       Masernimpfpflicht gibt es auch Bußgelder, aber diesen Punkt müssen wir noch
       genauer diskutieren. Ich möchte auch Strafrechtler nach einer Einschätzung
       fragen.
       
       Es gibt einen weiteren Antrag um Ihren Parteikollegen Wolfgang [2][Kubicki,
       der eine Impfpflicht generell ablehnt]. Haben Sie diese Option auch in
       Betracht gezogen? 
       
       Nein. Dieser Antrag wurde öffentlich gemacht zu dem Zeitpunkt, wo wir in
       Bayern, Sachsen und Thüringen die Verlegung von Patienten erleben mussten.
       Wir müssen als Politiker Lösungen anbieten. Einfach nur zu sagen, wir
       erhalten den Status quo und die Verweigerer können weiter verweigern, das
       ist keine Lösung. Wir müssen dafür sorgen, dass die Krankenhäuser auch
       Schlaganfälle, Herzinfarkte oder Verkehrsunfälle behandeln können.
       
       Wie viele Abgeordnete unterstützen Ihren Antrag bislang? 
       
       Es ist nicht mein Antrag. Mehrere FDP-Abgeordnete arbeiten daran, ich wurde
       in der Presse nur als Erster dazu befragt. Danach haben sich aber nicht nur
       Kolleginnen und Kollegen aus meiner eigenen Fraktion gemeldet, sondern auch
       von SPD und Grünen, die Interesse hatten, den Antrag weiterzuentwickeln.
       Auch von der Union wurde ich angesprochen. Wir planen jetzt ein erstes
       Gruppenmeeting.
       
       Und wie viele sind nun dabei? 
       
       Ich möchte nicht die Diskussion aufkommen lassen, wer mehr und wer weniger
       Unterstützer hat. Der Antrag von Wolfgang Kubicki ist relativ schnell
       geschrieben worden, weil es darum geht, den Status quo zu erhalten. Unser
       Antrag ist komplexer und wird viele Sichtweisen einbinden. Er soll
       schließlich eine breite gesellschaftliche Unterstützung finden. Unser
       Antrag hat viele Sympathisanten, aber noch keine erklärten Unterzeichner,
       weil wir im Prozess noch nicht so weit sind.
       
       Glauben Sie denn, dass der Antrag mehrheitsfähig ist? 
       
       Ja. Ich bin ein unverbesserlicher Optimist.
       
       16 Jan 2022
       
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