# taz.de -- Sterbehilfe und Gesetze: „Ermöglichen, nicht fördern“
       
       > Eine Gruppe Abgeordneter legt einen Gesetzentwurf zur Suizidassistenz
       > vor. Sterbehilfevereine könnten unter Druck geraten.
       
 (IMG) Bild: Am Donnerstag wurde in Berlin ein weiterer Gesetzentwurf zur Sterbehilfe vorgestellt
       
       Berlin taz | Eine weitere fraktionsübergreifende Gruppe von Abgeordneten im
       Bundestag hat einen Gesetzentwurf zur Sterbehilfe vorgelegt. Darin wird die
       ärztliche Hilfe zur Selbsttötung nur noch in bestimmten Fällen erlaubt.
       „Wir wollen den assistierten Suizid ermöglichen, aber wir wollen ihn nicht
       fördern“, sagte der SPD-Politiker Lars Castellucci am Donnerstag bei der
       Vorstellung des Papiers.
       
       Laut dem Gesetzentwurf der Gruppe um die Abgeordneten Ansgar Heveling
       (CDU), Lars Castellucci und Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) soll die
       „geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“ in einem Strafrechtsparagrafen
       217 „mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe“ geahndet
       werden. Dies soll nicht gelten, wenn die suizidwillige Person ein
       Beratungskonzept durchläuft, das die „autonome Entscheidungsfindung“
       sicherstellt. Dabei müssen in der Regel zwei Untersuchungen durch
       Psychiater:innen im Abstand von drei Monaten erfolgen – sowie eine
       Beratung etwa bei einer psychosozialen Stelle.
       
       Die psychiatrische Untersuchung muss ergeben, dass etwa keine „die autonome
       Entscheidungsfindung beeinträchtigende psychische Erkrankung“ vorliegt,
       heißt es im Entwurf. In der vorgeschriebenen psychosozialen Beratung sollen
       die Betroffenen nicht nur über „Möglichkeiten der medizinischen Behandlung
       und Alternativen zur Selbsttötung“ aufgeklärt werden, sondern auch über
       „mögliche psychologische und physische Auswirkungen eines fehlgeschlagenen
       Selbsttötungsversuches“, so der Entwurf.
       
       Das „Schutzkonzept“ vor einem assistierten Suizid müsse sicherstellen, dass
       der Suizidwunsch „frei von inneren und äußeren Drucksituationen“ entstanden
       sei, sagte Kappert-Gonther.
       
       ## Ein Akt der Selbstbestimmung
       
       [1][Das Bundesverfassungsgericht] hatte das Verbot der „geschäftsmäßigen“
       Suizidassistenz, worunter man auch die wiederholte ärztliche Hilfe zur
       Selbsttötung versteht, vor zwei Jahren gekippt. Dabei hatte das
       Verfassungsgericht betont, das Recht des Einzelnen, seinem Leben ein Ende
       zu setzen, sei als „Akt autonomer Selbstbestimmung“ zu respektieren.
       
       In Deutschland gibt es mehrere Organisationen wie etwa die Deutsche
       Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) und Dignitas, die Ärzt:innen
       vermitteln, die Suizidbeihilfe leisten. Dabei sind auch Beratungsgespräche
       angesetzt, aber die Verfahren sind nicht einheitlich geregelt. Eine
       Mitgliedschaft in den Organisationen wird vorausgesetzt.
       
       Würde der Gesetzentwurf umgesetzt, müssten diese Sterbehilfeorganisationen
       den Vorgaben des Gesetzentwurfs folgen. „Wenn sie das nicht tun, müssten
       sie mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen“, sagte der ebenfalls an dem
       Entwurf beteiligte FDP-Politiker Benjamin Strasser.
       
       Vor einem Jahr, noch in der vorigen Wahlperiode, waren bereits
       Gesetzesinitiativen zur Suizidassistenz vorgestellt worden. [2][Eine Gruppe
       aus Abgeordneten] von FDP, SPD und Linken, darunter Karl Lauterbach, hatte
       einen Gesetzentwurf präsentiert, der ebenfalls Beratungen vorschrieb.
       Dieser Gesetzentwurf stellte die ärztliche Suizidassistenz aber nicht
       grundsätzlich unter Strafe, hätte also die Koexistenz mit den bestehenden
       Sterbehilfeorganisationen erlaubt.
       
       27 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/02/rs20200226_2bvr234715.html
 (DIR) [2] https://dserver.bundestag.de/btd/19/286/1928691.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Dribbusch
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Sterbehilfe
 (DIR) Bundesverfassungsgericht
 (DIR) Beihilfe zum Suizid
 (DIR) Suizidhilfe
 (DIR) Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
 (DIR) Bundestag
 (DIR) Sterbehilfe
 (DIR) Sterbehilfe Deutschland
 (DIR) Sterbehilfe
 (DIR) Sterbehilfe Deutschland
 (DIR) Sterbehilfe
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Bundestag debattiert über Sterbehilfe: Selbstbestimmt mit Würde
       
       Der Bundestag debattierte über Beihilfe zum Suizid. Die vorgestellten
       Gesetzentwürfe haben unterschiedliche Beratungskonzepte.
       
 (DIR) Prozess um Behilfe zur Selbsttötung: Urteil gegen Suizid-Arzt bestätigt
       
       Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte lehnt die Beschwerde eines
       dänischen Mediziners ab. Es gäbe kein Recht auf assistierten Suizid.
       
 (DIR) Neuregelung der Sterbehilfe: Abkürzung für Schwerkranke
       
       Der alte Bundestag hatte nicht entschieden, jetzt gewinnt die
       Sterbehilfe-Debatte wieder Tempo. Zwei Gesetzesentwürfe liegen schon auf
       dem Tisch.
       
 (DIR) Sterbehilfe-Vereine zu Suizidassistenz: Hilfe auch beim Doppelsuizid
       
       Sterbehilfe-Organisationen halfen 2021 in Deutschland in 346 Fällen bei
       Selbsttötungen. Gesetzentwürfe mit einer Beratungspflicht lehnen sie ab.
       
 (DIR) Gesetzentwurf zur Sterbehilfe: Zu viel Macht für Psychiater
       
       Abgeordnete mehrerer Parteien wollen die Sterbehilfe neu regeln. Dabei
       werden diejenigen, die assistierten Suizid in Betracht ziehen, entmündigt.
       
 (DIR) Liberalisierte Suizidhilfe: ÄrztInnen im Zwiespalt
       
       Es ist gut, dass künftig wohl mehr HausärztInnen Beihilfe zum Suizid
       leisten werden. Die Sterbehilfevereine werden dadurch nicht überflüssig.
       
 (DIR) Gesetzentwürfe zur Sterbehilfe: Erstmal zum Psychiater
       
       Es gibt diverse Gesetzesvorschläge für die Suizidassistenz, die aber von
       Sterbehilfevereinen abgelehnt werden. Am Mittwoch debattiert der Bundestag.
       
 (DIR) Nach Sterbehilfe-Urteil: Suizidassistenz kommt
       
       Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts: Dignitas und die Gesellschaft für
       Humanes Sterben stellen ein Beratungstelefon für Sterbewillige vor.