# taz.de -- Elon Musk und das Klima: Progressive Kompromisse
       
       > Dem Ingeniör ist nichts zu schwör. Wenn Großes auf dem Plan steht, heißt
       > es handeln, auch wenn die bevorzugten Partner gerade nicht bereitstehen.
       
 (IMG) Bild: Elon Musk beim ersten Richtfest auf der Baustelle der Tesla Gigafactory in Grünheide am 03.09.2020
       
       „Glaubst Du, dass ich verrückt bin?“ Mit dieser Frage beginnt Ashley Vances
       Biografie von Elon Musk. Das Buch lag schon lange auf der Fensterbank, nun
       habe ich sie endlich gelesen – angeregt durch einen Artikel im
       [1][Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen] über den realitätsenthobenen
       „reichen Twitterer Elon Musk“, der demnächst im Berliner Vorort Grünheide
       eine halbe Million Elektroautos pro Jahr produzieren will, mit kaum
       verhaltener Sympathie für die angestammten Grünheider, die sich vor den
       Veränderungen fürchten.
       
       Es wurde ein beunruhigendes Wochenende daraus, mit einem gut gequirlten
       Cocktail von Emotionen: zwischen Faszination, Perry-Rhodan-mäßigem
       Weltraumschwindel, und, komisch, Lust auf Zukunft. Kurzes Resumée meines
       Musk-Schnellkurses anhand von ein paar Stunden Lektüre und zwei langen
       Interviews, die Musk um Weihnachten herum dem [2][AI-Wissenschaftler Lex
       Fridman] und dem christlich-konservativen Comedy-Kanal [3][Babylon Bee]
       gegeben hat (beide auf Youtube und extrem ansehenswert).
       
       Das sitzt ein entspannter, belesener Mann in den besten Jahren mit einem
       realistischen Blick auf Menschen und Geschichte, ohne Allüren und Pathos.
       Kein Bewohner von Steuerparadiesen, nicht ganz einfache Kindheit. Religion?
       „Der Gott Spinozas“, aber „Jesus würde ich nicht im Weg stehen“. Eher
       zögernd und reflektierend entwickelt er im Gespräch sein kohärentes und
       synergetisches Programm.
       
       Angefangen von Tesla und Solarziegeln über Roboter, die nicht nur Arbeit
       abschaffen, sondern die auch die vielen einsamen Menschen begleiten
       könnten, hin zu Gehirnchips, die Lähmungen kompensieren und irgendwann
       unser Bewusstsein erweitern, und schließlich das weltumspannende
       Satelliteninternet und die Starship-Rakete für den Flug zu Mond und Mars
       und dessen Besiedelung.
       
       [4][Ein Wackelbild]. Je nachdem wie man hinschaut, redete da ein
       Unternehmer mit einem genialen Blick für Synergien, Abkürzungen und
       Marketing, oder ein Technomissionar, der die Voraussetzungen für eine
       transterrestrische Zivilisation schaffen will – für den Fall, dass es auf
       der Erde irgendwann einmal alles schiefgeht, aber auch um vielleicht dem
       Geheimnis des Weltalls ein wenig näherzukommen.
       
       Was ihm Kraft gibt weiterzumachen, angesichts all der technischen
       Schwierigkeiten, die den Ausgang ungewiss sein lassen, fragt ihn der
       Physiker vom MIT. „Kraftquelle?“, überlegt Musk. „Diese Dinge müssen getan
       werden, basta.“ Das alles wirkt ein wenig wie Kino oder Erzählungen über
       die heroischen Aufbruchsingenieure der Sowjetunion. Aber es ist nicht
       Kino. Die Gigafactories stehen, in Buffalo, in Schanghai, in Texas und in
       Grünheide. Tesla hat den Automobilmarkt elektrifiziert.
       
       Die sozialen Bewegungen hätten geholfen, sagt Musk, „aber bewegt haben die
       anderen sich erst, als ich ihnen Marktanteile weggenommen habe“. Die
       Solarziegel werden fabriziert, die ersten 4.000 Kommunikationssatelliten
       für ein leitungsloses Internet fliegen, [5][SpaceX] hat die Nasa ersetzt.
       Sektencharakter, Mondflugromantik, soziale Bewegung, etwas von allem. Doch
       bei aller Faszination: Natürlich hat Musk dunkle Seiten.
       
       Nicht weil er elitär oder gierig oder machthungrig ist; es sind die
       Alleinherrscherallüren aller produktiven Zerstörer, aller Gründer von
       Imperien, industriell, technisch oder politisch. Man kann davor
       erschrecken, aber „Regierungen sind nicht schnell genug“. Und schnell
       müssen wir wohl sein. Musk, so scheint es, hat wohl auch nichts
       grundsätzlich gegen Gewerkschaften, nur, wenn sie die Produktivität oder
       das Tempo bremsen, erhöht er lieber die Löhne, als sich an die
       Arbeitszeitverordnung zu halten.
       
       ## Kein Freund von Gewerkschaften
       
       Das kann noch lustig werden mit der IG Metall in Grünheide – oder
       produktiv. Seine tiefsten Leseerfahrungen seien Nietzsche und Schopenhauer
       gewesen. Das sei etwas viel für Vierzehnjährige, das würde er nicht
       empfehlen, es habe ihn für eine Weile depressiv gemacht, bis er mit Douglas
       Adams’ „Anhalter durch die Galaxis“ einen Ausweg fand. Kurze Erinnerung:
       „In irgendeinem abgelegenen Winkel des in zahllosen Sonnensystemen
       flimmernd ausgegossenen Weltalls gab es einmal ein Gestirn, auf dem kluge
       Tiere das Erkennen erfanden.
       
       Es war die hochmütigste und verlogenste Minute der Weltgeschichte; aber
       doch nur eine Minute. Nach wenigen Atemzügen der Natur erstarrte das
       Gestirn und die klugen Tiere mussten sterben.“ Greta und Musk – vielleicht
       kann man sie zusammendenken, nur dass einer mit Paypal zu viel Geld
       gekommen ist und als Kind Raketen gebaut hat.
       
       „Wenn du etwas wichtig findest, dann tu es, auch wenn die Widerstände gegen
       den Erfolg sprechen“, das ist am Ende des Interviews sein Rat für junge
       Menschen, die fragen, wie sie in dieser zynischen Zeit ihr Leben leben
       sollen. An der Stelle fiel mir [6][Robert Habeck] ein. Es gehe um eine
       „krasse Mentalitätsveränderung“, sagte er in den Nachrichten: „Mehr
       erneuerbare Energien, mehr Solarpanels, mehr Windkraft, aber eben auch mehr
       Spaß an der Sache.
       
       […] Wenn man sich Großes vornimmt, kann man scheitern, aber die Alternative
       wäre ja, sich nichts mehr vorzunehmen aus Angst, dass man scheitern könnte.
       Wer will in so einem Land leben und wer will so eine Bundesregierung haben?
       Ich hätte keinen Bock, in solch einer Regierung Minister zu sein. Deshalb
       voll ins Risiko und vielleicht gelingt es ja auch.“ Und in meinem Kopfkino
       trafen sich die beiden zu einem Waldspaziergang, nördlich von Grünheide.
       
       Das Resultat war eine Vereinbarung über eine crashmäßige Ausweitung der
       Produktion von muskschen Solarziegeln und stattliche Subventionen für
       Menschen, die Solarpanels nicht mögen. Die alten Gewohnheiten sind eben
       klebrig: spitze Dächer und Autos und Flugreisen und so. Aber man kann da
       progressive Kompromisse machen. Man muss es wohl, wenn’s gut und groß
       werden soll.
       
       19 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/tesla-fabrik-in-brandenburg-und-die-science-fiction-welt-des-elon-musk-17731497.html
 (DIR) [2] https://www.bing.com/videos/search?q=youtube+lex+firdman+musk&docid=608037154493647372&mid=3407E683002652916B373407E683002652916B37&view=detail&FORM=VIRE
 (DIR) [3] https://www.bing.com/videos/search?q=babylon+bee+elon+musk&&view=detail&mid=B588F69019654A1DF59AB588F69019654A1DF59A&&FORM=VRDGAR&ru=%2Fvideos%2Fsearch%3Fq%3Dbabylon%2520bee%2520elon%2520musk%26qs%3Dn%26form%3DQBVR%26sp%3D-1%26pq%3Dbabylon%2520bee%2520elon%2520musk%26sc%3D4-21%26sk%3D%26cvid%3DB11498B5A25E4202A8B072D20D3B7B15
 (DIR) [4] /Time-ehrt-Elon-Musk/!5819188
 (DIR) [5] /SpaceX-Rakete-hebt-ab/!5802041
 (DIR) [6] https://amp.zdf.de/nachrichten/politik/habeck-klima-klimaschutz-minister-100.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Mathias Greffrath
       
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