# taz.de -- Strom wird immer teurer: Fast Fantasiepreise an der Börse
       
       > An den Börsen ist Elektroenergie derzeit viermal so teuer wie normal.
       > Gründe gibt es viele, einige davon sind durchaus politisch gewollt.
       
 (IMG) Bild: Alte Windanlagen sind plötzlich wieder profitabel: Baustelle im Waldgebiet Riesenhagen
       
       Freiburg taz | Man kann es nur Panik nennen: Im Großhandel des deutschen
       Strommarkts erreichten die Preise in der vergangenen Woche neue historische
       Höchstwerte. Strom zur Lieferung im kommenden Jahr wurde an der Strombörse
       in einem sehr unsicheren Markt zeitweilig für mehr als 190 Euro je
       Megawattstunde (19 Cent je Kilowattstunde) gehandelt. Das ist das Vierfache
       dessen, was lange Zeit als normal galt.
       
       Die Ursachen der Preisexplosion sind vielfältig. Zum einen gingen die
       CO2-Preise im europäischen Emissionshandel deutlich in die Höhe, was
       logisch ist, [1][da die Europäische Union die zulässigen CO2-Budgets
       verknappt]. Im Januar kostete eine Tonne des Treibhausgases
       durchschnittlich 31 Euro, im November wurden bereits 65 Euro fällig, und in
       den vergangenen Tagen stieg der Preis dann auf bis zu 90 Euro – ein
       Höchstwert seit dem Start des Emissionshandels 2005. Ein solches Niveau
       verteuert den Strom aus Braunkohlekraftwerken um bis zu 100 Euro je
       Megawattstunde, den aus hochmodernen Gaskraftwerken um 30 Euro.
       
       Weiterer Treiber der Strompreise sind die gestiegenen Kosten für Erdgas und
       Kohle. Die Erdgaspreise an den Spotmärkten lagen zuletzt auch wegen
       geringer Lieferungen aus Russland über 100 Euro pro Megawattstunde und
       damit fünfmal so hoch wie vor einem Jahr. Der gestiegene Preis resultiert
       aus der Verknappung: Die Erdgasspeicher in Deutschland sind derzeit mit
       rund 60 Prozent nur mäßig befüllt, die Vorräte belaufen sich aktuell auf
       nur 145 Terawattstunden – gegenüber 190 Terawattstunden vor einem Jahr.
       
       Da die Atomkraftwerke und zunehmend auch die Kohlekraftwerke in Deutschland
       abgeschaltet werden, prägt der Strom aus Erdgas immer stärker das
       Preisniveau im langfristigen Großhandel. Zusätzlich trägt der politisch
       gewollte Anstieg des Stromverbrauchs durch Elektrifizierung im Verkehr und
       Gebäudesektor zur Knappheit bei und lässt die Preise weiter steigen.
       
       Erstmals seit 2002 könnte Deutschland im kommenden Jahr wieder zum
       Importland werden, weil mit dem Abschalten der drei Reaktoren Brokdorf,
       Grohnde und Gundremmingen C zum Jahreswechsel gut 30 Terawattstunden
       Atomstrom jährlich wegfallen. Denn das ist mehr als der Nettoexport
       Deutschlands, der in diesem Jahr bei rund 20 Terawattstunden liegt.
       
       ## Verbraucherpreise ziehen erst noch nach
       
       Bei den Verbrauchern werden die steigenden Strompreise erst in den
       kommenden zwei bis drei Jahren mit voller Wucht ankommen, weil viele
       Stromversorger die Strommengen, die sie benötigen, über mehrere Jahre im
       Voraus einkaufen und sich damit noch für einige Zeit die früheren
       günstigeren Preise gesichert haben. 2022 wird der [2][Preisanstieg für
       Endkunden] zudem noch durch die deutlich gesunkene EEG-Umlage begrenzt.
       
       Für jene Versorger, die ihre Energie kurzfristig beschaffen, könnte es in
       den kommenden Monaten aber kritisch werden. Zugleich dürfte mancher
       Anbieter weniger offen für Neukunden sein, denn für diese müsste er noch
       zusätzliche Strom- beziehungsweise Gasmengen einkaufen. Im Gasmarkt gab es
       in den letzten Wochen bereits einzelne Unternehmen, die ihr
       Neukundengeschäft zeitweise aussetzten – Eon zum Beispiel.
       
       Profiteure der hohen Strompreise sind Stromerzeuger, die von den Preisen
       der fossilen Rohstoffe und der CO2-Zertifikate nicht betroffen sind und
       ihren Strom nicht auf Basis des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes zu einem
       Fixpreis einspeisen. Dazu gehören Betreiber von alten Wind- oder
       Photovoltaikanlagen. Sie hatten lange damit gerechnet, ihre Kleinkraftwerke
       nach Ablauf der 20-jährigen EEG-Förderung stilllegen zu müssen. Nun
       verschafft das hohe Strompreisniveau manchem schon tot geglaubten Projekt
       weiterhin eine wirtschaftliche Basis am Markt – und trägt so zur
       Energiewende bei.
       
       12 Dec 2021
       
       ## LINKS
       
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