# taz.de -- Höhere Preise für Lebensmittel: Versnobte Oberschichtpartei
       
       > Der neue Agarminister Cem Özdemir fordert höhere Preise für Lebensmittel.
       > Den wohlhabenden Grünen-Wählern können die Preise ohnehin egal sein.
       
 (IMG) Bild: Gut und gesund essen ist oft eine Frage des Geldbeutels
       
       Während sich die wohlhabenderen und mittelschichtigen Teile Deutschlands
       nach den üppigen Festmahlen der Weihnachtsfeiertage gemütlich über den gut
       gefüllten Bauch streichen, war das Weihnachtsfest für Hartz-IV-Empfänger
       auch in diesem Jahr entbehrungsreich – mehr als Schmalkost war bei ihnen
       nicht drin angesichts von 5,19 Euro, die der aktualisierte Regelbedarf
       täglich für die Ernährung von Arbeitslosengeld-II-Betroffenen vorsieht.
       Davon kann man auch außerhalb der Feiertage nicht leben.
       
       Dennoch fühlte sich der neue grüne Ernährungsminister Cem Özdemir genötigt,
       [1][per Interview mit der Bild am Sonntag] höhere Lebensmittelpreise zu
       fordern: „Es darf keine Ramschpreise für Lebensmittel mehr geben, sie
       treiben Bauernhöfe in den Ruin, verhindern mehr Tierwohl, befördern das
       Artensterben und belasten das Klima.“
       
       Damit hat der Minister zwar tendenziell recht, aber wie so oft haben die
       Grünen offenbar wieder die Armen vergessen, die sich die steigenden
       Lebensmittelpreise [2][schon jetzt kaum leisten können] – und die
       Vereinbarungen der Bundesregierung lassen nicht darauf schließen, dass sich
       an dieser Situation bald etwas ändern wird. Vor allem Hartz-IV-Betroffene
       kommen schon jetzt kaum über die Runden.
       
       Wie hoch das neue „Bürgergeld“ ausfallen soll, steht ebenso in den Sternen
       wie [3][die Höhe der Kindergrundsicherung], von der vor allem arme Familien
       profitieren sollen. Trotzdem sollen Konsumenten die Zeche zahlen. Die
       Grünen laufen Gefahr, bei ihren Ökoprojekten das Soziale zu vergessen.
       Ihren wohlhabenden Wählern können die Lebensmittelpreise auch jetzt egal
       sein – im Biosupermarkt ist man ohnehin unter sich.
       
       Aber ohne absehbaren sozialen Ausgleich werden unter steigenden Preisen vor
       allem Arme leiden – die zu Recht den Eindruck haben, dass die notwendige
       ökologische Wende vor allem auf ihrem Rücken vorangebracht werden soll.
       
       ## Motoröl statt Salatöl?
       
       Dass Özdemir darüber hinaus der Bevölkerung auch noch vorwirft, ihr sei
       „ein gutes Motoröl“ wichtiger „als ein gutes Salatöl“, illustriert gut,
       warum den Grünen nicht nur in konservativen Kreisen das Image einer
       versnobten Oberschichtpartei anhaftet, die auf die Konsumgewohnheiten der
       Menschen im Land herabschaut.
       
       Die Grünen täten gut daran, künftig jedes ökologische Vorhaben an eine
       klare Umverteilungsmaßnahme zu knüpfen. Die schrittweise Abkehr von
       Forderungen nach erheblichen Hartz-IV-Erhöhungen in den vergangenen Monaten
       spricht allerdings dagegen, dass die mitregierende Ökopartei das erkannt
       hat.
       
       27 Dec 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.bild.de/bild-plus/politik/inland/politik-inland/cem-oezdemir-keine-ramschpreise-mehr-fuer-lebensmittel-78642440,view=conversionToLogin.bild.html
 (DIR) [2] /Kritik-an-Vorschlag-von-Minister-Oezdemir/!5824179
 (DIR) [3] /Neue-Regierung-von-SPD-Gruenen-und-FDP/!5816977
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jörg Wimalasena
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Hartz IV
 (DIR) Lebensmittel
 (DIR) GNS
 (DIR) Initiative Tierwohl
 (DIR) Jahreswechsel
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Cem Özdemir
 (DIR) SPD
 (DIR) Schwerpunkt Armut
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Tierschutzsteuern auf Fleisch: Der Markt schafft es nicht
       
       Die Kritik der FDP an Plänen für eine Tierwohl-Abgabe auf Fleisch ist
       realitätsfern. Der Markt wird einfach nicht genug Geld bereitstellen.
       
 (DIR) Das bringt 2022: Höheres Porto, höherer Mindestlohn
       
       Zum Jahreswechsel treten neue Gesetze in Kraft. Kunden können sich über
       mehr Verbraucherschutz freuen, Hartz-IV-Bezieher gehen leer aus.
       
 (DIR) Greenpeace zu Lebensmittelpreisen: Höhere Steuern auf Fleisch?
       
       In der Debatte um ehrliche und klimagerechte Preise für Lebensmittel
       fordert Greenpeace 19 Prozent Mehrwertsteuer auf Fleisch.
       
 (DIR) Kritik an Vorschlag von Minister Özdemir: Essen als Luxusgut?
       
       Landwirtschaftsminister Cem Özdemir fordert faire Preise für Lebensmittel.
       Sozialverbände und Hartz-IV-Bezieher befürchten noch mehr Druck auf Arme.
       
 (DIR) Vor der Scholz-Wahl zum Kanzler: Ohne Visionen und Gefühle
       
       Olaf Scholz wird der vierte SPD-Kanzler sein – nach Brandt, Schmidt und
       Schröder. Doch den sozialdemokratischen Zauber von einst sucht man
       vergebens.
       
 (DIR) Gesundes Essen für wenig Geld: Ohne Kochen geht es nicht
       
       Wer wenig Geld hat, kann sich nicht gesund und wohlschmeckend ernähren,
       heißt es oft. Der Rentner Kurt Möbus zeigt, dass es doch möglich ist.