# taz.de -- Flüchtende an der EU-Außengrenze: Ein bitterer Abschied
       
       > Für Merkel ist es sehr bequem, mit dem Finger auf Belarus zu zeigen und
       > den EU-Partner Polen bei der Kritik zu schonen. Gleichzeitig erfrieren
       > Menschen.
       
 (IMG) Bild: Schont Polens Regierungschef: Kanzlerin Merkel mit Mateusz Morawiecki am Freitag in Berlin
       
       Wer wissen will, wie es aussieht an der [1][Grenze zwischen Belarus und
       Polen], der wurde zuletzt bei Tiktok am besten informiert. Auf der
       Tanzvideo-Plattform postete einer der schätzungsweise 2.000 dort
       festsitzenden Menschen ein Video, auf dem eine Gruppe von eingeschneiten
       Schlafsäcken im Wald zu sehen ist. Man glaubt kaum, dass sich am Ende der
       kurzen Sequenz einer der Schlafsäcke bewegt. Die Szene lässt vermuten, dass
       zu erfrieren droht, wer so übernachten muss.
       
       An ihren letzten Tagen im Amt hatte Angela Merkel es noch einmal in der
       Hand, das zu verhindern. Sie tat es nicht – [2][zu bequem war es, allein
       mit dem Finger auf Belarus zu zeigen und den EU-Partner Polen von seiner
       Verantwortung freizusprechen].
       
       Am Donnerstag war Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki bei Merkel.
       Sie sprachen über die Menschen in den Schlafsäcken oder vielmehr, wie
       Merkel sagte, die „hybride Attacke“ auf Polen, dem sie ihre „volle
       Solidarität“ ausdrückte. Sie habe mit Morawiecki „auch“ über die humanitäre
       Situation auf der polnischen Seite gesprochen, so Merkel. Was dabei
       herauskam, erfuhr man nicht. „Zuallerst“, so Merkel, gehe es darum, die
       Menschen in Belarus menschenwürdig zu versorgen, etwa durch den UNHCR.
       
       [3][In Belarus? Lukaschenko ist ein Wahlfälscher, Diktator, Verbrecher.] Er
       hat die Flüchtlinge angelockt, um auf deren Rücken die EU zu erpressen.
       Erschütternde Bilder wie das Schlafsack-Video halten den Druck aus seiner
       Sicht aufrecht. Es ist absurd, auf ihn zu setzen, um den Flüchtlingen Hilfe
       zukommen zu lassen.
       
       Dass Polen Hilfsorganisationen seit Monaten nicht zu den Flüchtlingen
       lässt, ist eine Form staatlicher Gewalt, die in diesem Ausmaß in der EU
       ihresgleichen sucht. Merkel hätte Morawiecki, als absolutes Minimum,
       drängen können, wenigstens humanitäre Hilfe auf polnischer Seite
       zuzulassen: beheizte Schlafzelte, Essen, Wasser, Ärzte, direkt am
       Grenzstreifen. Doch davon war keine Rede. Es ist ein bitterer Abschied
       Merkels aus der Außenpolitik.
       
       28 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Konflikt-um-Migranten/!5815165
 (DIR) [2] /Migrationsexpertin-zum-Belarus-Konflikt/!5815104
 (DIR) [3] /Migrationskrise-in-Belarus/!5758666
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Jakob
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Polen
 (DIR) Geflüchtete
 (DIR) Schwerpunkt Angela Merkel
 (DIR) Mateusz Morawiecki
 (DIR) Belarus
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Lettland
 (DIR) EU Außenpolitik
 (DIR) Polen
 (DIR) Schwerpunkt Krisenherd Belarus
 (DIR) Schwerpunkt Krisenherd Belarus
 (DIR) Schwerpunkt Krisenherd Belarus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Geflüchtete an lettischer Grenze: Folter und Abschiebung
       
       Amnesty International erhebt Vorwürfe gegen die Regierung in Riga wegen des
       Umgangs mit Geflüchteten. Die EU-Kommission habe das Vorgehen unterstützt.
       
 (DIR) Annalena Baerbock auf Antrittstour: Praxistest in Polen
       
       Annalena Baerbock beendet in Warschau ihre erste Reise als Außenministerin.
       Sie trifft Mitglieder von NGOs genauso wie den Amtskollegen Zbigniew Rau.
       
 (DIR) Polens Grenzregion zu Belarus: Zugang weiter eingeschränkt
       
       Polen hat den Ausnahmezustand de facto verlängert. Die Restriktionen für
       Journalist*innen und Helfer*innen dauern an. Zehntausende Menschen
       harren aus.
       
 (DIR) Journalismus in Grenzregionen: Grüne Grenze des Schweigens
       
       An den EU-Außengrenzen wird die Pressefreiheit stark eingeschränkt. Gerade
       dort aber ist unabhängige Berichterstattung enorm wichtig.
       
 (DIR) Deutschland gegen Lukaschenko-Forderung: Keine Aufnahme von Migranten
       
       Belarus' Machthaber Alexander Lukaschenko fordert Deutschland auf, 2.000
       Geflüchtete aufzunehmen. Dort lehnt man ab: Der Vorschlag sei nicht
       akzeptabel.
       
 (DIR) Sterben zwischen Belarus und Polen: Ignoranz und Resignation
       
       Die Lage an der polnisch-belarussischen Grenze resultiert aus der Idee,
       „uns“ an die Brutalität gegen „die“ zu gewöhnen. Es braucht andere
       Strategien.