# taz.de -- Klimaschutz mit Hilfe der Natur: Wasser marsch für die Moore
       
       > In Europa und Südasien wurden Moorböden großflächig trockengelegt – und
       > so von Treibhausgas-Speichern zu -Schleudern.
       
 (IMG) Bild: Ein Bauunternehmer pflanzt im Rahmen eines Naturschutzprojekts in der Nähe von Glossop Torfmoos
       
       Berlin/Glasgow taz | Sogar Michelle Obama war schon da. „Die neue große
       Weltkarte mit den Moorgebieten der Erde hat auch die ehemalige US-First
       Lady interessiert“, sagt Franziska Tanneberger, Leiterin des Greifswald
       Moor Centrums. Vielleicht liegt es daran, dass sich die Ausstellungsflächen
       zu Feuchtgebieten – der Peatland Pavillon – auf dem Gelände der
       Klimakonferenz gleich neben dem US-Pavillon befinden. Vielleicht liegt es
       aber auch daran, dass Michelles Ehemann Barack Obama sich mehrfach auf der
       Konferenz für echten Klimaschutz starkgemacht hat. Und der funktioniert nur
       mit dem Schutz der Moore.
       
       Moorböden bedecken rund vier Millionen Quadratkilometer der Erde, vor allem
       auf der Nordhalbkugel, in Kanada, Skandinavien, Schottland und
       Mitteleuropa; tropische Moore kommen im Kongo, in Uganda und Indonesien
       vor. Auch ganz im Süden, in Südafrika, Tasmanien und Feuerland gibt es
       Moore. „Viele Länder wissen gar nicht, dass sie Moorböden besitzen“, sagt
       Tanneberger, „wenn sie schon lange genutzt werden, dann erscheinen sie halt
       als Wiese oder Kartoffelacker“.
       
       Rund drei der vier Millionen Quadratkilometer Moorfläche sind noch intakt;
       sie speichern Wasser, bieten Tieren und Pflanzen Lebensräume – und
       speichern enorme Mengen an Kohlenstoff. Rund 550 Gigatonnen binden sie
       global, 42 Prozent der an Land gebundenen Menge, und damit mehr als etwa
       die Wälder. In Deutschland liegen in den Moorböden 1.300 bis 2.400
       Millionen Tonnen Kohlenstoff. Trocknen die Böden aus, setzen sie
       Treibhausgase frei.
       
       Weltweit gibt es zwei Regionen, in denen Moore großflächig trockengelegt
       und so vom Speicher zum Emittenten von Treibhausgasen wurden: Europa und
       Südostasien. Etwa in Indonesien sei dies als Problem erkannt, es werde
       gegengesteuert, so Moorexpertin Tanneberger. „[1][In Europa reagieren wir
       ungenügend auf dieses Problem.“] Dabei müsse in allen Plänen zur
       Klimaneutralität die Wiedervernässung der Moore einberechnet werden –
       „sonst müssen wir Wälder aufforsten, um den CO2-Ausstoß der Moore zu
       kompensieren“.
       
       ## Auf kleiner Fläche lässt sich viel erreichen
       
       In Deutschland sind fast alle Moore entwässert – nur 2 Prozent sind intakt,
       4 Prozent schon wiedervernässt. Obwohl Moorböden nur wenige Prozent der
       landwirtschaftlichen Fläche ausmachen, tragen sie zu 40 Prozent zu den
       Treibhausgas-Emissionen der Landwirtschaft bei. [2][Hier könne man auf
       kleiner Fläche also viel erreichen, sagt Tanneberger].
       
       Werden die ehemals feuchten Böden wieder nass, „sinken die CO2-Emissionen
       schnell“, sagt Bärbel Tiemeyer, Moorexpertin am Thünen-Institut für
       Agrarklimaschutz in Braunschweig. Eine naturnahe Vegetation und einen neuen
       Torfkörper aufzubauen dauere aber lange, „mindestens Jahrzehnte“.
       Vermutlich gelinge es nicht überall, dass sich neuer Torf bilde und neuer
       Kohlenstoff gebunden werde. „Es ist aber schon ein großer Gewinn für den
       Klimaschutz, wenn Emissionen aus Mooren möglichst stark verringert werden“,
       so Tiemeyer.
       
       Die Restaurierung eines Moores kann beschleunigt werden, indem in einem
       wieder vernässten Gebiet Torfmoorfragmente aus naturnahen Mooren
       ausgestreut werden, sagt die Expertin, notwendig sei das aber nicht.
       
       Unbedingt notwendig ist dagegen Wasser. Sogenannte Niedermoore speisen sich
       auch aus Grundwasser, Hochmoore aber brauchen Regen. „Ausbleibende
       Sommerniederschläge sind für Hochmoorstandorte ein Problem“, sagt Tiemeyer.
       Sei aber ausreichend Wasser vorhanden, wirkten sich höhere Temperaturen
       mitunter positiv aus. „Pflanzen wachsen besser, Mikroorganismen sind
       aktiver.“
       
       Die Moorexpertin ist optimistisch, dass sich Moore auch unter den
       Bedingungen des Klimawandels wieder herstellen lassen. Im Laufe ihrer
       bisweilen acht- bis zehntausend Jahre alten Geschichte hätten sie einiges
       an verschiedenen Klimabedingungen durchlebt. Der Knackpunkt sei sicher die
       Geschwindigkeit des derzeitigen Wandels; man dürfe ihn aber auf „keinen
       Fall als Ausrede nutzen, beim Moorschutz nichts zu tun“.
       
       Die Wiedervernässung von Mooren ist ein Instrument des Klimaschutzes, das
       auf die Selbstheilungskräfte der Natur setzt und als „nature-based
       solution“ diskutiert wird. Allerdings stehen hier bislang vor allem die
       Wälder im Fokus. Die Bemühungen um naturbasierte Lösungen konzentrierten
       sich heute unverhältnismäßig „insbesondere auf das Pflanzen von Bäumen“,
       sagt Zita Sebesvari, stellvertretende Direktorin am Umwelt-Institut der
       Universität der Vereinten Nationen. So sei die Erklärung der Staats- und
       Regierungschefs zum Erhalt der Wälder zwar zu begrüßen, doch müssten wir
       „beispielsweise auch Grasland, Torfgebiete, Sümpfe und Meeresökosysteme in
       Betracht ziehen, die alle auf der reichen Vielfalt der Ökosysteme für
       Anpassung, Katastrophenrisikominderung und biologische Vielfalt aufbauen“,
       so Sebesvari.
       
       ## Im Wald ist auch Totholz wichtig für Klimaschutz
       
       Ökologen diskutieren außerdem, auf welche Weise Wälder am meisten zum
       Klimaschutz beitragen können. Während die einen – wie Hans-Joachim
       Schellnhuber, Ex-Chef des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung –
       dafür plädieren, sie vor allem als Ressource für erneuerbare Rohstoffe zu
       sehen und das Bauen mit Holz zu forcieren, betonen andere die Leistungen
       natürlicher Wälder.
       
       „Die Ökosystemleistungen werden oft unterschätzt“, sagt Pierre Ibisch,
       Professor für Naturschutz an der Hochschule Eberswalde. In einem Wald
       sorgten eben nicht nur lebende Bäume für Klimaschutz. „Wenn Wälder reifen,
       lagern sie fortwährend Kohlenstoff ein“, so Ibisch. Auch Totholz sei hier
       interessant, weil „es sich zwar zersetzt, aber eben nicht zu 100 Prozent zu
       CO2“. Es entstünden organische Moleküle, die ausgewaschen in tiefere
       Bodenschichten gelangen und dem Kohlenstoffkreislauf entzogen würden.
       
       Wichtig sei nun eine staatliche Regulierung, die der Natur Raum und Zeit
       zur Selbstheilung gebe, sagt der Biologe. Die Trockenlegung und
       Nutzbarmachung der Moore, so Moorexpertin Tanneberger, wurden durch große
       Kampagnen des Staates ausgelöst und begleitet. Solch eine Kampagne brauche
       es jetzt wieder – um der Natur nasse Moore zurückzugeben.
       
       11 Nov 2021
       
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