# taz.de -- Tories und Labour in Großbritannien: Die heimliche Große Koalition
       
       > Die Parteitage in Großbritannien haben gezeigt: Tories und Labour
       > arbeiten de facto zusammen. Was unterscheidet beide Seiten eigentlich
       > noch?
       
 (IMG) Bild: Mitglieder des Schattenkabinetts klatschen auf dem Jahreskongress der Labour-Partei
       
       Es gibt zwei Zerrbilder der aktuellen Lage Großbritanniens. Die eine malt
       das Land in einer endlosen Krise: erst die negativen Folgen des Brexit,
       dann die Verwüstungen durch Corona, jetzt eine Versorgungskrise, in der
       Isolation und Inkompetenz sich gegenseitig verschärfen. Die andere entwirft
       ein Land in leuchtenden Farben, das Brexit und Corona erfolgreich
       gemeistert hat, das jetzt globale Herausforderungen angeht, und wo auf
       Grundlage zeitloser Werte eine neue Ära von Wohlstand und Fortschritt vor
       der Tür steht.
       
       Das erste Zerrbild ist das vieler Regierungsgegner in Großbritannien und
       wird auch in deutschen Medien gern gepflegt. Das zweite Zerrbild ist das
       der Regierung von Boris Johnson.
       
       Auf die Frage, welches dieser Bilder stimmt, lautet die kurze Antwort:
       Keines davon. Die [1][aktuelle Versorgungskrise] könnte Vorbote einer
       Wirtschaftskrise sein, und es kommen viele aktuelle Unsicherheiten
       zusammen. Ob die Regierung darauf die richtigen Antworten findet, lässt
       sich noch nicht abschließend sagen.
       
       Die interessantere Frage ist aber ohnehin, was aus dem Vorhandensein zweier
       so diametral entgegengesetzter Sichtweisen folgt. Und darauf ist die
       Antwort ein Paradox. Denn der große Showdown zwischen Brexit-Fans und
       Brexit-Gegnern, zwischen Johnsons Regierung und der Opposition will sich
       einfach nicht einstellen. Das haben die beiden [2][Jahresparteitage von
       Konservativen] und [3][Labour] in den letzten beiden Wochen, die ersten
       seit Corona und die ersten seit Johnsons Wahlsieg, gezeigt.
       
       Die beiden Parteiführer Keir Starmer und Boris Johnson könnten im Naturell
       unterschiedlicher kaum sein: Hier der Entertainer, dort der Grabredner.
       Aber was trennt sie denn inhaltlich? Beide wollen einen aktiven, starken
       Staat, beide betonen den Wert von Arbeit und Patriotismus, beide berufen
       sich auf das Erbe Tony Blairs.
       
       Wenn Starmer auf Johnsons Wahlkampfparole „Get Brexit Done“ von 2019 jetzt
       mit der Forderung „Make Brexit Work“ entgegnet, zieht er einen
       Schlussstrich unter das wichtigste Streitthema der Vergangenheit. Wenn
       Labour den Tories eine zu lasche Verbrechensbekämpfung vorwirft und Boris
       Johnson Unternehmen zu höheren Löhnen auffordert, verwischen sich
       politische Unterschiede bis zur Unkenntlichkeit.
       
       Großbritannien entdeckt die faktische Große Koalition just in dem Moment,
       in dem Deutschland sich davon verabschiedet. Und der neue London-Konsens
       spielt in dem Rahmen, den Boris Johnson definiert hat. Man kann das
       schrecklich finden oder gut. Aber so oder so ist es die Realität.
       
       8 Oct 2021
       
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