# taz.de -- Ergebnisse der U-18-Wahl: Klimawahl? Nicht für alle!
       
       > Bundesweit würden Jugendliche am häufigsten Grüne wählen – in Sachsen und
       > Thüringen sieht das aber gänzlich anders aus.
       
 (IMG) Bild: Bundesweit blieb die AfD bei den U-18-Wahlen unter 6 Prozent
       
       Berlin taz | Selbst im Kino kann man der nahenden Bundestagswahl nicht
       entkommen. Zumindest nicht in Berlin. Dort läuft aktuell im Vorprogramm ein
       [1][Spot der Fridays for Future], die zum globalen Klimastreik am Freitag
       aufrufen.
       
       Zu sehen ist eine junge Frau, die sich nach der Schule (einem Gymnasium,
       das wird in diesem Text noch eine Rolle spielen!) einer Klimademo
       anschließt. „Kohleausstieg in 17 Jahren? Es ist keine Scheißmetapher, dass
       ihr meine Zukunft verbrennt“, sagt eine wütende Stimme aus dem Off, während
       man die Schülerin über die Straße rennen und sich in den Demozug einreihen
       sieht. Dann kommen die entscheidenden Sätze: „Ich bin zu jung, um von
       diesem Land gehört zu werden, ich darf noch nicht wählen – deshalb streike
       ich fürs Klima.“
       
       Im Kino war ich kurz davor zu klatschen. Aus Sympathie. Und weil mich der
       Spot in seiner demokratietheoretischen Stringenz berührt hat. Weil das
       deutsche Wahlrecht [2][Minderjährigen verwehrt], über die Zukunft des
       Landes mitzuentscheiden, bleibt ihnen nichts anderes als lautstarker
       Protest. Der Subtext: Dürften Jugendliche nur mitmachen bei der
       Bundestagswahl, sie würde anders – grüner – ausfallen; mit ihren Stimmen
       würde die Klimapolitik endlich zur Priorität und die [3][Erderwärmung]
       vielleicht doch noch begrenzt. Eine Annahme, die jetzt kurz vor der
       Bundestagswahl nochmal bekräftigt worden ist.
       
       Den Ausschlag dazu gibt die [4][U18-Wahl], bei der dieses Jahr so viele
       Minderjährige teilgenommen haben wie nie zuvor: rund 260.000. Von ihnen
       haben 21 Prozent die Grünen gewählt und damit zur Wahlsiegerin vor der SPD
       (19,2 Prozent) und Union (16,9), FDP (12), Linken (7,5), AfD (5,9) und der
       Tierschutzpartei (5,7) gemacht. Oder anders formuliert: Der Spielraum für
       ein progressives Klimabündnis – also ohne die Union – ist bei den
       U18-Wähler:innen größer als bei den Erwachsenen. Zumindest, wenn man zu den
       rechnerisch möglichen Mehrheiten von Grün-Rot-Rot und Ampel noch Bündnisse
       mit der Tierschutzpartei gelten lassen möchte.
       
       ## Die Grünen sind vorn, aber nicht überall
       
       Ob ein Herabsenken des Wahlalters – wie viele Klimaaktivist:innen
       fordern – aber tatsächlich Einfluss auf die Regierungsbildung und letztlich
       die Klimapolitik hätte, ist mehr als fraglich. Allein, weil die
       Tierschutzpartei sicher an der Fünfprozenthürde scheitern würde und diese
       Stimmen also verschenkt wären. Mit mehr jungen Wähler:innen änderten
       sich also die Machtverhältnisse, aber nicht die Bündnisoptionen.
       
       Bedenklich ist jedoch ein anderes Ergebnis der U18-Wahlen. Denn es
       spiegelt, wie sehr die mediale Präsenz der Fridays for Future zu einem
       Irrglauben verleitet: nämlich, dass Jugendliche angesichts der sich
       zuspitzenden Klimakrise dem Klimaschutz automatisch die höchste Priorität
       beimessen. Von wegen! In gerade mal sechs Bundesländern haben die Grünen
       die meisten Stimmen geholt. Vor allem in den ostdeutschen Bundesländern
       fällt auf: Hier ist die AfD auch bei Kindern und Jugendlichen äußert
       beliebt. In Sachsen und Thüringen landet die Partei mit je rund 17 Prozent
       sogar auf dem ersten Platz.
       
       Dass eine rechtspopulistische Partei so gut bei jungen Menschen ankommt,
       erklären Soziolog:innen mit den [5][Versäumnissen bei der politischen
       Bildung]. „Die Sachsen sind immun gegen Rechtsextremismus“, tönte Sachsens
       CDU-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf während seiner Amtszeit (1990–2002) –
       eine historische Fehleinschätzung, wie seine Nachfolgeregierungen einsehen
       mussten. Spätestens seit dem ersten „Sachsen-Monitor“ 2016 war klar: Auch
       Menschen, die in der Demokratie groß werden, sind nicht gegen
       antisemitische, antimuslimische oder autoritären Einstellungen gefeit.
       
       Was das mit der U18-Wahl zu tun hat? Leider einiges. Eine aktuelle Studie
       der Hochschule Magdeburg-Stendal zeigt: Die Wahlbereitschaft von
       Gymnasiast:innen (wo die Fridays for Future am meisten
       Unterstützer:innen rekrutieren) liegt deutlich höher als bei
       Jugendlichen, die Haupt-, Real- oder Berufsschulen besuchen. Führt man
       diese jedoch an politische Prozesse heran – etwa indem man Spielwahlen
       durchführt –, steigt die Wahlbereitschaft unter
       Nichtgymnasiast:innen stark an.
       
       ## 2017 profitiert AfD von Nichtwähler:innen
       
       Wenn man nun berücksichtigt, dass die AfD bei der Bundestagswahl 2017
       anteilig am stärksten von vormaligen Nichtwähler:innen profitiert hat,
       könnte man schließen, Instrumente der politischen Bildung helfen letztlich
       womöglich der AfD, zumindest vorerst.
       
       Leider lässt sich diese (zugegeben gewagte) These nicht anhand der
       U18-Wahlen untersuchen, eine Aufschlüsselung der Wahlergebnisse nach den
       jeweiligen Schulformen liegt nicht vor. Was jedoch in keinster Weise den
       Forderungen von Jugendlichen entgegensteht, schon mit 16 wählen zu dürfen.
       Und erst recht nicht gegen die spricht, die den Planeten retten möchten.
       Schließlich geht es um ihre Zukunft.
       
       21 Sep 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.youtube.com/watch?v=Ykcqelf_FLE
 (DIR) [2] /Wahlrecht-ab-16-Jahren/!5574724
 (DIR) [3] /UN-Klimaziele-vor-dem-Scheitern/!5797656
 (DIR) [4] https://wahlen.u18.org/wahlergebnisse/bundestagswahl-2021
 (DIR) [5] /Debatte-Demokratieunterricht-an-Schulen/!5504100
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Pauli
       
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