# taz.de -- Kinotipp der Woche: Heillos verstrickt
       
       > Drifter, Loner, Außenseiter, Antihelden, Mörder bevölkern Takahisa Zezes
       > Filme. Das Zeughauskino zeigt das opulente Oeuvre des japanischen
       > Regisseurs.
       
 (IMG) Bild: Zezes Figuren ist kein ländlicher Eskapismus gegönnt (Szene aus „Heaven's Story“)
       
       Drei Morde, Schuld und Sühne. Darum kreist der Film “Heaven’s Story“ von
       Takahisa Zeze aus dem Jahr 2010, der sich ganze viereinhalb Stunden Zeit
       nimmt, Täter und Angehörige der Ermordeten langsam miteinander in Beziehung
       zu bringen. Man braucht Geduld für diesen Film, der die losen
       Handlungsfäden nur nach und nach miteinander verknüpft. Aber auch wenn man
       nicht immer alles zumindest gleich versteht, saugt man die Bilder in diesem
       verkannten Epos auf.
       
       Diese von der Kamera eingefangenen Landschaftsaufnahmen, die einen weit weg
       führen vom ewig fortschrittsoptimistischen Japan mit seiner
       Glitzermetropole Tokyo. Zeze führt einen raus an die Ränder des Landes, wo
       nicht alles strahlt und funkelt, raus in ein heute verlassenes und
       verfallenes Dorf etwa, in der seine Protagonisten ein passendes Ambiente
       finden für ihre Schuldgefühle, mit denen sie hadern, oder ihre Trauer.
       Außerhalb der großen Städte wartet auf sie keine ländliche Idylle, sondern
       auch nur Gewalt und Vereinsamung, der man in Zezes Filmen einfach nirgendwo
       entkommen kann.
       
       “Heaven’s Story“ gehört mit zur großen Werkschau, die das [1][Zeughauskino]
       dem großen Solitär des japanischen Films, Takahisa Zeze, widmet. Sie hat
       den Titel “Terror und Transgression im Niemandsland“, der bereits darauf
       hindeutet, dass man von dem Regisseur alles andere als ein Wohlfühlkino
       erwarten sollte.
       
       ## Ein Oeuvre von Porno bis Sci-Fi
       
       Für welche Art Film Zeze genau steht, lässt sich aber freilich auch nicht
       sagen. Zu opulent ist sein Ouvre, das um die 60 Filme umfasst. Darunter
       kleine schmutzige Filme in der Tradition der Pinku Eigas mit ihrem Zeigen
       von unmotiviertem bis gewalttätigem Sex, aber genauso opulente
       Historiendramen, die in Richtung Blockbuster-Kino schielen. Geister- und
       Horrorfilme hat Zeze auch gedreht, zudem Science-Fiction- und
       Action-Dramen. Der Regisseur macht wirklich vor nichts halt. Wobei er es
       liebt, bestimmte Genre-Versatzstücke auch mal in einen einzigen Film zu
       packen. Vor allem zu seinen eigenen Ursprüngen in den Pinku Eigas kehrt er
       immer wieder zurück. Für ihn sind das keine Trashfilme, von denen er sich
       inzwischen emanzipiert hat, sondern eine eigene Kunstform, mit der sich
       innovativ umgehen lässt und die mit zu seiner DNA gehört. Porno und Erotik
       durchdringen seine Filme bis heute.
       
       Drifter, Loner, Außenseiter, Antihelden, Mörder bevölkern Zezes Filme.
       Meist auf der Suche nach Liebe und Erlösung finden sie am Ende doch nur
       miesen Sex und menschliche Gefühlskälte. In “Kuroi Shitagi No Onna: Raigyo“
       aus dem Jahr 1997 etwa stapft eine erkrankte Frau ihrem ehebrecherischen
       Mann hinterher, versucht verzweifelt, diesen wenigstens telefonisch zu
       erreichen, um dann jedoch auf einen vierschrötigen Typen zu treffen, dessen
       schwangere Frau im Krankenhaus liegt, während er nichts Besseres zu tun
       hat, als sich irgendwo schnellen Sex zu besorgen. Das Aufeinandertreffen
       der beiden, die für ein bürgerliches und zufriedenes Leben verloren zu sein
       scheinen, kann gar nicht gut ausgehen.
       
       Oder in “Hada No Sukima“ (2004): Hier trifft ein junger Muttermörder mit
       seiner autistischen Tante auf eine Horde gewaltbereiter Männer. Bei solch
       einer Story ist von Anfang an nicht an ein Happy End zu denken. Und in
       „Hisuterikku“ (2000) schließen sich ein Ganove und eine vom Leben angeödete
       Fabrikarbeiterin zusammen, um gemeinsam auf einen destruktiven Trip
       aufzubrechen, der natürlich mit einem Mord enden muss. Überall toxische
       Beziehungen in Zezes Filmen, überall Verbrechen, heillose
       zwischenmenschliche Verstrickungen und scheinbar nirgendwo gibt es einen
       Ausweg.
       
       In Japan erreicht Zeze längst ein großes Publikum, sogar ein paar
       Blockbuster gehen auf sein Konto. Bei uns dagegen ist er so gut wie
       unbekannt. Selbst auf DVD lassen sich seine Filme nur schwer beziehen und
       von vielen liegen nicht einmal untertitelte Versionen vor. Es gehört mit zu
       den Verdiensten dieser Werkschau im Zeughauskino, mehrere seiner Filme nun
       als Deutschland- oder gar Europapremieren erstmalig im Kino zu zeigen. 18
       Filme aus den Jahren 1989 bis 2021 sind zu sehen. Dazu gibt es Einführungen
       von Zeze-Kennern, um dessen für ein westliches Publikum vielleicht etwas
       unzugängliches Werk besser verstehen zu können.
       
       4 Sep 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.dhm.de/zeughauskino/filmreihe/terror-und-transgression-im-niemandsland/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Hartmann
       
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