# taz.de -- Rolle der Bundesregierung in Afghanistan: Versagen für die Geschichtsbücher
       
       > Noch könnte die Regierung ihre Fehler wiedergutmachen: jeden ausfliegen,
       > der vor den Toren des Flughafens steht.
       
 (IMG) Bild: Könnte mal was machen: Angela Merkel, hier bei einer Rede am 16. August 2021 im Kanzleramt
       
       Der letzte Eindruck bleibt oft am längsten hängen. Für Angela Merkel ist
       das ein unerfreulicher Fakt: Am Mittwoch hält sie im Bundestag nach 16
       Jahren Kanzlerschaft ihre wohl letzte Regierungserklärung, außerplanmäßig
       anberaumt, weil das Parlament das Mandat für die Bundeswehr-Evakuierungen
       in Kabul genehmigen muss.
       
       Der Anlass dieses Auftritts, die vielleicht allerletzte Krise in Merkels
       Amtszeit, wirft ein verheerendes Licht auf die Kanzlerin und ihre
       Regierung. Was hängen bleiben könnte: Das [1][unglaubliche moralische
       Versagen im Umgang mit den ehemaligen Mitarbeiter*innen deutscher
       Stellen in Afghanistan], das sich bis heute fortsetzt.
       
       Es wäre schon schlimm genug, ginge es nur um die Fehler der Vergangenheit.
       Monatelang wurde die Bundesregierung von verschiedensten Seiten gedrängt,
       den sogenannten Ortskräften die Einreise nach Deutschland zu ermöglichen.
       Ein Unterstützungsnetzwerk, das von Pro Asyl-Aktivisten bis zu
       Bundeswehr-Generälen reicht, schrieb flehende Briefe.
       
       Diverse Medien griffen die Forderungen auf. Die Opposition formulierte
       Lösungswege. Die Bundesregierung? Reagierte mit Ignoranz und brachte damit
       nicht nur die betroffenen Afghan*innen weiter in Gefahr, sondern
       nebenbei auch die deutschen Soldat*innen, die jetzt in Kabul in einem
       belastenden Einsatz stehen.
       
       War keine Absicht, könnte man sehr großzügig sagen, die Bundesregierung hat
       sich eben verschätzt. Mag sein. Nur: Warum unternimmt sie dann nicht alles,
       um den Fehler so weit wie noch möglich wiedergutzumachen? Noch immer
       verwehrt sie hunderten Menschen, die durch ihre Arbeit für die Deutschen in
       Gefahr sind, die Rettung. Falsches Arbeitsverhältnis, falsches Formular,
       falsches Timing: [2][Zig bürokratische Hürden hat sie rund um ihre
       Ortskräfte aufgebaut]. Sechs Tage bleiben noch, bis das Ultimatum der
       Taliban abläuft und die Bundeswehr das Land wohl endgültig verlassen muss.
       
       Die Regierung könnte diese Zeit nutzen. Sie könnte die Hürden einreißen.
       Sie könnte jeden ausfliegen lassen, der vor den Toren des Kabuler
       Flughafens steht und seine Tätigkeit für deutsche Stellen glaubhaft machen
       kann. Die politischen Kosten wären gering: Es geht nicht um – moralisch
       eigentlich ebenfalls gebotene – große Kontingente. Es geht um wenige
       tausend Menschen, deren Aufnahme in Deutschland einen breiten
       gesellschaftlichen Rückhalt hätte.
       
       Die Kanzlerin würde nichts verlieren, wenn sie zum Ende ihrer Amtszeit ihre
       Autorität in der Regierung noch einmal nutzen würde. Sie könnte sich am
       Mittwoch in den Bundestag stellen und sagen: Wir machen das jetzt. Aber,
       wie bitter: Durchringen kann sie sich dazu wohl nicht.
       
       24 Aug 2021
       
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