# taz.de -- Ungleichheit im Bildungssystem: Illusion Chancengleichheit
       
       > Der Begriff Klassismus findet zu wenig Beachtung. Veränderung setzt das
       > Sichtbarmachen von Diskriminierung voraus.
       
 (IMG) Bild: Im Hörsaal starten nicht alle mit den gleichen Ausgangsvoraussetzungen
       
       2004: Ich sitze mit meiner Freundin in einem Park neben der Gesamtschule.
       Wieder einmal unterrichtsfrei. Ich befinde mich im zweiten Halbjahr der 8.
       Klasse und kenne Physik, Biologie und Geschichte nur aus Dokumentationen
       aus dem Fernsehen. Es herrscht Lehrer*innenmangel. Es werden kaum
       Klassenarbeiten geschrieben. Wo kein Wissen vermittelt wird, kann auch
       keines geprüft werden. Wir werden hauptsächlich stillgehalten.
       
       Trotz dieser Bedingungen war es Glück, dass ich hier war. Ich konnte in der
       Grundschule der Schulempfehlung für eine Sonderschule knapp entkommen. Mit
       viel Hoffnung begann mein Weg auf der Gesamtschule. Am Ende der Schulzeit
       hatte ich immerhin gelernt, wie [1][Hartz-IV]-Anträge ausgefüllt werden,
       und von der Hoffnung war kaum noch etwas zu spüren.
       
       2014: Über den zweiten Bildungsweg bekomme ich doch noch die Qualifikation,
       ein Studium der Biologie zu beginnen. Schnell wird klar, dass der
       Unterschied zu der Schulbildung der anderen Kommiliton*innen größer
       ist, als ich vorher dachte. Die Folge ist wieder Frust. Während ich in der
       Vergangenheit den Frust immer teilen konnte, bin ich diesmal damit allein.
       
       2019 stoße ich auf den Begriff [2][Klassismus]. Nun kann ich das, was ich
       erlebt und beobachtet habe, greifen. Klassismus, die Diskriminierung
       aufgrund der Klassenherkunft oder der Klassenzugehörigkeit. Nur wenigen ist
       dies an der Universität bewusst, obgleich viele ähnliche Erfahrungen
       gemacht haben. Deshalb gründete ich mit anderen Studierenden ein
       [3][Referat für antiklassistisches Empowerment an der Universität zu Köln
       (fakE)].
       
       Es ist wichtig, eine reale Ungleichheit im Bildungssystem sichtbar zu
       machen und zu skandalisieren. Gleichzeitig wollen wir betroffenen Personen
       den Zugang zu Bildung ermöglichen. Uns geht es nicht darum, Betroffene mit
       Hochschulabschluss als Erfolgsgeschichten vorzuführen, denn weder leben wir
       in einem System, wo Chancengleichheit existiert, noch bedeutet heute ein
       Hochschulabschluss automatisch materielle Sicherheit.
       
       17 Aug 2021
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Laura Regina Beische
       
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