# taz.de -- Rechtsextreme Polizisten: Uniformiert und uninformiert
       
       > Der SEK-Skandal in Frankfurt zeigt wie akut das Problem rechter
       > Polizisten ist. Um es zu beheben, braucht die Polizei mehr Fehlerkultur.
       
 (IMG) Bild: Alles rechte Männer?
       
       [1][Zwanzig Beteiligte an einem Nazi-Chat im Frankfurter
       Spezialeinsatzkommando,] Wegschauen der Dienstvorgesetzten, Stille in der
       Führung. Der ansonsten routinemäßig bemühte Polizeichor mit seiner
       Erkennungsmelodie „Sind ja nur Einzelfälle“ dringt da nicht mehr so richtig
       durch.
       
       Im letzten Jahrzehnt sind SEK-Problemfälle mit verwandter Thematik aus
       verschiedenen Bundesländern – man muss fast sagen – serienweise an die
       Öffentlichkeit gedrungen, offensichtlich ohne dass strukturelle Reformen
       gegriffen hätten. Aktuell hat der CDU Innenminister die in seiner Partei zu
       früheren Zeiten beliebte Law and Order Nummer aus der Hüfte abgezogen
       [2][und die SEK Frankfurt aufgelöst.]
       
       Ein Dirty Harry-Verfahren gegen den eigenen Verein? Damit macht man sich
       nicht gerade beliebt. Eine Reaktion auf „Gesellungs-“‚ und Austauschforen
       wie die in Frankfurt wäre besser aus den Dienstgruppen oder deren Leitung
       gekommen. Und viel früher.
       
       Nazi-Symbolik ist ein gängiges und machtvolles Zeichensystem von
       Männerbünden. US-Biker tragen es auf den Kutten, die White Power Kerle in
       den USA und in Brandenburg lassen sich die Swastika und Nazi-Sprüche auf
       die Haut tätowieren. Rechte Glatzen tragen Lonsdale T-Shirts und Jacken,
       sodass man nur NSDA lesen kann.
       
       Weshalb? Nazi-Zeichen sind die ultimative Abgrenzung von der „anständigen“
       bürgerlichen Gesellschaft, von der oft beschworenen Zivilgesellschaft. Man
       will sichtbar machen, dass man nicht dazu gehören will, sondern dagegen
       revoltiert. Man verachtet Demokratie und Rechtsstaat.
       
       ## Gegen Frauen, gegen Schwule
       
       Was verachten Männerbündler noch? Frauen. Die sind schwach, müssen
       beschützt und von fremden Männern (Migranten, Ausländern) ferngehalten
       werden, oder sollen als Sexualobjekte zur Verfügung stehen. Gerne auch
       nackt auf einem Motorrad liegend.
       
       Schwule kann man schon gar nicht nicht ab. Obwohl Männerbünde in
       Körperlichkeit und physischer Stärke einen gemeinsamen Nenner haben, schwul
       darf das Ganze natürlich auf gar keinen Fall daherkommen. Homosexualität
       beschmutzt die Reinheit des heteromännlichen Zusammenhalts.
       
       Einer meiner früheren Polizeistudenten hat mir erzählt, wie bei einem
       größeren Einsatz seine Kameraden nackt und mit Shampoohäubchen auf dem Kopf
       aus der Gemeinschaftsdusche getürmt sind, als er reinkam. Er hatte sich
       beim Einsatzleiter geoutet und der hatte dies weitererzählt. Huh!
       
       ## Uniformiert und uninformiert
       
       Hitler musste die schwule S.A. Führung massakrieren lassen, um die
       Reinigung des gemeinsamen Nazi-Sakralkörpers von der schwulen
       Verunreinigung als Exempel zu statuieren.
       
       Sind SEKs Männerbünde? Sind mehr als nur einige der durchtrainierten, stets
       einsatzbereiten Männer ein verschwiemelter, von rechtsradikaler Ideologie
       durchtränkter Haufen uniformierter Gefährder?
       
       Uniformiert? Nur wenn sie sich im Einsatz befinden. Sonst, wie es scheint,
       eher uninformiert, zumindest was Politik, Demokratie und Polizei als Teil
       der deutschen Demokratie betrifft. Man muss den ansonsten oft zu Recht
       beschimpften sozialen Medien dankbar sein, dass man ihre dummen Nutzer,
       rechts, links, islamistisch oder sonst wie durchgeknallt, durch ihre Chats
       entdecken und identifizieren kann.
       
       ## Ein Zufallsfund
       
       Allerdings hat dies nicht eine hessische Task Force von
       Rechtsextremismus-Ermittlern getan, die man wohl nötig gebraucht hätte.
       Entdeckt haben es Cops aus dem Nachbarbundesland, weil Nazisymbolik und
       rechtsradikales „Gedankengut“ als Beiprodukt von Kinderpornografie
       aufgetaucht waren und man die Herkunft dann hessischen Polizisten
       zugeordnete.
       
       Ist das ehemalige SEK Frankfurt in Teilen ein rechtslastiger Männerbund?
       Sieht leider so aus. Kann man von Sprüchen in Chatgruppen auf die
       Verhaltensweisen von Einsatzkräften schließen? Eher nicht. Denn dann gäbe
       es Hinweise von Vorfällen aus der Praxis.
       
       Kann man vermuten, dass hinter Social-Media-Äußerungen latente oder
       manifeste Einstellungen lauern, die sich durchaus auf dienstliches
       Verhalten auswirken können? Muss man sogar, deshalb ist die Auflösung
       dieses SEK richtig. Auch wenn SEKs ansonsten ein hochprofessionelles,
       unverzichtbares und in der Regel minimal invasives Gewaltmittel gegen
       bewaffnete, gefährliche und unbeeinflussbare Täter sind. Tote durch SEK
       Schusswaffengebrauch, auch bei schlimmsten Eskalationen, sind Ausnahmen,
       nicht die Regel.
       
       ## Was jetzt nötig ist
       
       Um in der alltäglichen polizeilichen Arbeitskultur Fehlverhalten, menschen-
       und frauenfeindliche undemokratische Haltungen aufzudecken und abzustellen,
       braucht es klare und transparente Ansagen, konsequente Regeldurchsetzung,
       notfalls Disziplinarverfahren und Entfernung aus dem Dienst mit
       strafrechtlichen Konsequenzen.
       
       Seit Mitte der 90er-Jahre habe ich mit Polizisten und Polizistinnen zu tun,
       zunächst in den Hörsälen für angehende KommissarInnen, dann für angehende
       Führungskräfte des Bundes und der Länder, in der Feldforschung und seit
       fast zehn Jahren in der europaweiten Forschungskooperation mit
       Polizeiorganisationen.
       
       Ich habe Männer und Frauen in Uniform kennengelernt, die als Vorgesetzte
       hingeschaut und gehandelt haben. Sie wurden dafür von der Mannschaft (ein
       Ausdruck wie auch der des „Schutzmanns“ auf die Männlichkeitstraditionen
       verweist) nicht mit Liebe überschüttet. Manche haben schon in ihren
       niederen Diensträngen die Trillerpfeife benutzt. Ohne Whistleblower keine
       [3][Fehlerkultur.]
       
       Den Begriff Fehlerkultur haben Politik und Führung aus der
       wissenschaftlichen Kritik an der „cop culture“ übernommen. Fehlerkultur
       bleibt eine Luftnummer, wenn nicht die Verantwortung der Polizisten (auch
       Polizistinnen beteiligen sich an frauenfeindlichem Sprachgebrauch) und
       ihrer unmittelbaren Vorgesetzten zum Zielpunkt von Maßnahmen wird. Nur dann
       ändert sich was. Innenminister sind zu weit weg von der Praxis.
       
       12 Jun 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.n-tv.de/panorama/Frankfurter-SEK-Affaere-weitet-sich-aus-article22614208.html
 (DIR) [2] /Wegen-rechtsextremer-Chats/!5778140
 (DIR) [3] https://de.wikipedia.org/wiki/Fehlerkultur
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Joachim Kersten
       
       ## TAGS
       
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