# taz.de -- G7-Treffen und Klimaschutz: Neues Geld, alte Versprechen
       
       > Die G7 wollen einen Erfolg der Klimakonferenz. Aber ihr Versprechen von
       > jährlich 100 Milliarden US-Dollar für den Klimaschutz bleibt unerfüllt.
       
 (IMG) Bild: Extinction Rebellion demonstriert in Cornwall gegen die unzureichende Klimapolitik der G7
       
       Berlin taz | Für eine große Ankündigung war es eine lapidare Ansage:
       Deutschland werde „perspektivisch den Beitrag zur Klimafinanzierung bis
       spätestens 2025 von 4 auf 6 Milliarden Euro jährlich erhöhen“, twitterte
       Regierungssprecher Steffen Seibert am Sonntagnachmittag. Da saßen die
       G7-Führerinnen und -Führer noch in ihrer letzter Arbeitssitzung zusammen.
       
       Und auch Kanada, erklärte Premierminister Justin Trudeau, wolle seine
       Zusagen auf etwa 900 Millionen US-Dollar verdoppeln. Die USA und
       Großbritannien hatten das bereits vor einiger Zeit angekündigt. Auch
       Frankreich hatte schon zum Jahreswechsel mehr Geld versprochen. Denn, wie
       es aus der deutschen Regierung hieß: „Der Erfolg von COP26 hängt
       entscheidend von den Zusagen zur Klimafinanzierung ab.“
       
       Und einen diplomatischen Erfolg rund um die UN-Klimakonferenz in Glasgow im
       November braucht der britische Premier Boris Johnson dringend. Denn
       ansonsten brachte das „erste Netto-Null-G7-Treffen“ vor allem die
       Bekräftigung alter Beschlüsse: Die Industriestaaten verpflichten sich, ihre
       Treibhausgasemissionen bis spätestens 2050 auf null zu reduzieren. Schon
       bis 2030 soll dafür der CO2-Ausstoß praktisch halbiert werden, was
       Großbritannien und die EU bereits beschlossen haben.
       
       ## Kritik von Umweltgruppen
       
       Der Weg dazu: „So schnell wie möglich“ aus der Kohleverbrennung aussteigen,
       wenn diese nicht CO2 unschädlich macht, „fast die gesamte“ Finanzierung von
       Fossilen weltweit beenden und Verbrennungsmotoren auslaufen lassen – ohne
       ein Datum. Für Nicht-G7-Länder, die aus der Kohle aussteigen, soll ein Topf
       mit Finanzhilfen von 2 Milliarden Dollar bereitstehen.
       
       Die deutsche Erhöhung nannte Jan Kowalzig, Finanzexperte der
       Hilfsorganisation Oxfam, „einen wichtigen Schritt nach vorn, auch wenn wir
       uns noch mehr Ehrgeiz gewünscht hätten“. Er peilte 8 statt 6 Milliarden
       Euro in 2025 an, das aber müsse die nächste Regierung entscheiden. Auch die
       kanadischen Klimaschützer sind begeistert.
       
       Für die anderen Ziele und die wenigen neuen Finanzzusagen gab es allerdings
       Kritik von Umweltgruppen: „Die reichen Länder können nicht einfach
       wiederholen, was sie versprochen haben, sondern müssen neues Geld auf den
       Tisch legen“, kritisierte Tasneem Essop vom Klimaaktionsnetzwerk CAN.
       Jennifer Tollmann vom Thinktank E3G betonte: „Großbritannen hat es nicht
       geschafft, den nötigen Konsens für einen Erfolg bei der COP zu schaffen –
       und schon gar nicht das Geld aufgetrieben, das die Entwicklungsländer
       brauchen.“
       
       Die G7 hatten sonst wenig grünen Ehrgeiz: 500 Millionen britische Pfund für
       die nächsten fünf Jahre für den britischen „Blue Planet Fund“, um Küsten
       und Ozeane zu schützen. Und in einem „Nature Compact“ unterstützen die G7
       das UN-Ziel, den Verlust der Biodiversität bis 2030 zu stoppen, indem 30
       Prozent der Ozeane und Landflächen unter Schutz gestellt werden sollen.
       Schließlich soll auch der Plan „Build Back Better for the World“ zu den
       Klimazielen beitragen. „Unseren Planeten zu schützen ist das Wichtigste,
       was wir tun können“, sagte der britische Premier Boris Johnson
       
       Für seine Regierung war der G7-[1][Gipfel eine „wichtige Stufe auf dem Weg
       zur COP26 in Glasgow“, verkündete eine Erklärung.] Ob das gelingt, hängt
       vor allem an zwei Fragen: einer Kooperation mit China, dem weltgrößten
       Emittenten. Hier gehen die G7 gerade politisch bei Fragen von
       Menschenrechten und Infrastruktur auf Konfrontationskurs.
       
       Und vor allem am Geld. Denn für einen Erfolg der Klimakonferenz müssen vor
       allem die Entwicklungs- und Schwellenländer mehr Klimaschutz wollen – und
       dafür müssen die G7 erst einmal ihre Versprechen bei den Finanzen halten.
       Schon heute machen die alten Industrieländer nur noch etwa ein Viertel der
       weltweiten Emissionen aus. [2][Immerhin haben sie 2019 ihre Emissionen
       durch Klimagesetze 12 Prozent mehr verringert als ohne solche Regelungen,
       ergab eine neue Studie.]
       
       ## Nur 60 bis 70 statt der versprochenen 100 Milliarden
       
       Seit 2011 versprechen die Industrieländer, sie würden ab 2020 jedes Jahr
       100 Milliarden US-Dollar für den Klimaschutz und Anpassung an die
       Erderhitzung in den armen Staaten „mobilisieren“. Was genau dabei wie
       gezählt wird, wurde damals bewusst offen gelassen: Das Versprechen umfasst
       staatliche Hilfsgelder ebenso wie private Investitionen, Zuschüsse ebenso
       wie handelsübliche Kredite.
       
       Trotzdem haben die reichen Länder ihre Zusage nicht eingehalten: [3][Ende
       2020 kam die extra eingesetzte „unabhängige UN-Expertengruppe“ zu dem
       Schluss, „die einzigen realistischen Szenarien sind solche, in denen das
       Ziel der 100 Milliarden in diesem Jahr nicht erreicht wurde“]. Es gebe
       große Unsicherheiten bei den Daten, aber die Länder meldeten etwa 3 bis 4
       Milliarden zu viel an Leistungen. Vorher hatte eine Expertengruppe der
       Industrieländergruppe OECD kalkuliert, dass die Industriestaaten 2017/18
       etwa 60 bis 70 Milliarden Dollar an Hilfe überwiesen. Dabei ist im Pariser
       Abkommen festgelegt, dass bis 2025 über höhere Hilfen als die 100
       Milliarden verhandelt werden soll.
       
       Wie wichtig dieses Geld für Fortschritte bei den Klimagesprächen ist, haben
       vor allem die Entwicklungsländer immer wieder klargemacht. Nun kommt hinzu,
       dass die Covid-Pandemie vor allem die armen Länder hart trifft und ihre
       Wirtschafts- und Finanzkraft weiter schwächt. Die UN-Expertengruppe warnte
       schon Ende 2020, Covid habe „die Umgebung für die Klimafinanzierung
       drastisch geändert“, mehr als die Hälfte der armen Länder seien in einer
       Schulden-Notlage oder auf dem Weg dorthin.
       
       ## „Ohne Finanzen kein Deal“
       
       Vor dem G7-Gipfel hatten PolitikerInnen und KlimaschützerInnen klargemacht,
       dass auch die Hilfen bei Covid-Impfungen aus den Industriestaaten eine
       wichtiger Gradmesser der Solidarität mit den Armen seien. „Impfapartheid“
       werde vor allem afrikanische Länder zu einer harten Position bei der COP
       drängen. Tasnem Essop vom Klimaaktionsnetzwerk CAN [4][meinte, ohne
       schnelle Hilfe und eine „radikale Erhöhung der Klimafinanzierung kann Boris
       Johnson einen Deal in Glasgow vergessen“].
       
       Auch die UN-Expertengruppe mahnt in ihrem Bericht, es brauche ein „größeren
       kollektiven Aufschwung“ für die Finanzmittel. Die versprochenen 100
       Milliarden seien ein Minimum, kein Maximum. Denn bisher seien nur 12
       Milliarden Zuschüsse, der Rest Kredite, die im Zweifel die Schuldenlast der
       Armen vergrößerten. Wenn für die Bekämpfung der Covid-Pandemie weltweit 12
       Billionen Dollar im kurzer Zeit mobilisiert wurden, „könne die Welt doch in
       ähnlicher Entschiedenheit und Dringlichkeit in der Klimakrise handeln“.
       
       Bisher ist das nicht der Fall. Nach einer Kalkulation der Hilfsorganisation
       Oxfam bleiben die Staaten weit hinter dem geforderten Beitrag zurück. Oxfam
       hat die selbst erklärten Klimahilfen der Industrieländer zusammengestellt:
       Demnach war 2018/2019 größter Einzelgeber Japan mit über 12,6 Milliarden
       Dollar, gefolgt von Deutschland mit 9,3 Milliarden und Frankreich mit 7,3
       Milliarden Dollar.
       
       Die USA landeten mit 3,3 Milliarden im Mittelfeld, ebenso wie G7-Gastgeber
       Großbritannien mit 1,5 Milliarden Dollar. Diese Zahlen beziehen sich auf
       bilaterale Hilfen, Zahlungen an internationale Funds wie den Green Climate
       Fund der UNO, sind nicht enthalten. Und die Zahlen können auch täuschen:
       Japan etwa vergibt fast alle seiner Hilfen als Kredite, nur 2 Prozent sind
       Zuschüsse.
       
       Deutschland wiederum nähert sich auch nach diesen Zahlen dem selbst
       gesteckten informellen Ziel: Etwa 10 Prozent der weltweiten Versprechen von
       100 Milliarden, also 10 Milliarden Dollar, gelten in Berlin als angemessen.
       [5][Erst kürzlich hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel gesagt, Deutschland
       habe seine Ziele „übererfüllt“.]
       
       14 Jun 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.g7uk.org/g7-leaders-commit-to-protect-planet-and-turbocharge-global-green-growth/
 (DIR) [2] https://www.carbonbrief.org/guest-post-g7-climate-laws-cut-emissions-by-1-3bn-tonnes-in-2019
 (DIR) [3] https://www.un.org/sites/un2.un.org/files/100_billion_climate_finance_report.pdf
 (DIR) [4] https://www.theguardian.com/world/2021/may/26/boris-johnson-under-pressure-from-biden-and-activists-in-run-up-to-g7
 (DIR) [5] /Deutsche-Klimapolitik/!5765694
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Pötter
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Boris Johnson
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) klimataz
 (DIR) G7-Gipfel
 (DIR) Weltklimakonferenz
 (DIR) Entwicklungszusammenarbeit
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Weltklimakonferenz
 (DIR) Schwerpunkt Emmanuel Macron
 (DIR) EU-Militärpolitik
 (DIR) G7
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Klimagelder in Deutschland stocken: Ein Vertrauensbruch
       
       Die Bundesregierung hatte eine Aufstockung der Klimaschutzgelder für ärmere
       Länder zugesagt. Im neuen Bundeshaushalt findet sich davon nichts.
       
 (DIR) Klimahilfen für den Globalen Süden: Ein nicht eingelöstes Versprechen
       
       Die Industrieländer verfehlen ihr eigenes Ziel, jährlich 100 Milliarden
       Euro an arme Länder zu zahlen. Diese wären ohnehin viel zu wenig.
       
 (DIR) Vorbereitungen zur Weltklimakonferenz: Viel Arbeit für Glasgow
       
       Die Vorverhandlungen zur Klimakonferenz verzeichnen nur kleine Erfolge. Bei
       gemeinsamen Handelsregeln ist keine Einigung in Sicht.
       
 (DIR) Regionalwahlen in Frankreich: Die Front gegen rechts bröckelt
       
       Am Sonntag beginnen die französischen Regionalwahlen. Linke und Grüne
       treten getrennt an, was in Macrons Kalkül passt. Doch es gibt eine
       Ausnahme.
       
 (DIR) Nato-Gipfel in Brüssel: Bündnis sucht neue Gegner
       
       US-Präsident Joe Biden drängt in Brüssel auf eine strategische
       Neuausrichtung der Nato. Für die EU-Staaten birgt das ein Dilemma.
       
 (DIR) Fazit zum Treffen der G7-Staaten: Dennoch zu wenig
       
       Trump weg, Corona fast weg – das G7-Treffen hätte toll werden können. Doch
       die Staats- und Regierungschefs haben inhaltlich versagt. Was zudem fehlte:
       die Proteste.
       
 (DIR) G7 über Gesundheit und Wirtschaft: Pandemiebekämpfung im Fokus
       
       Die G7-Staaten verkünden einen Gegenentwurf zu Chinas „Neuer Seidenstraße“.
       Außerdem wollen die Westmächte ärmeren Ländern eine Milliarde Impfdosen
       spenden.
       
 (DIR) Streit um die Klimakosten: Merkel will nicht mehr zahlen
       
       Auch wenn die ärmeren Länder mehr fordern: Deutschland sträubt sich, den
       globalen Süden im Kampf gegen die Klimakrise stärker zu unterstützen.