# taz.de -- Virtuelle Utopie: Körperlos in eine sorglose Zukunft
       
       > DATA-Land ist eine Teststrecke für die Zukunft. So präsentiert das
       > Berliner Borgtheater ein Format zwischen Computerspiel, Theater und Show.
       
 (IMG) Bild: Screenshot: Sie coacht durch DATA-Land
       
       Ein harmonisches Leben in der Unendlichkeit? Ella (Charlotte Alten) und
       Inga ([1][Mandy Rudski]) geben sich alle Mühe, ihrem Publikum eine solche
       Perspektive schmackhaft zu machen. Mit bananenförmig auf dem Kopf gerolltem
       Haar und pastellfarbenen Kostümen, die nach einer Mischung aus Bankkauffrau
       und Raumschiffcrew aussehen, geben sie Coachinnen, die durch einen
       interaktiven Abend führen. „DATA-Land“, das neue Stück vom Berliner
       Borgtheater, feierte am Donnerstag im Netz Premiere.
       
       Aalglatt lächelnd wollen Inga und Ella für einen Upload ins Land „True“
       begeistern. Was sie bieten: ewiges Leben, einen neuen Körper und die
       Aussicht auf völlige Sorglosigkeit. Doch nur ein Teil des Publikums wird es
       schaffen, einen Platz in der schönen neuen Welt zu bekommen. „Einige von
       ihnen werden wir nicht uploaden können“, sagt Inga.
       
       Die Coachinnen lotsen durch Aufgaben, die die Zuschauer*innen
       absolvieren müssen. „DATA-Land“ ist eine Art Live-Computerspiel, dessen
       Highscore sich nach dem Stand der sogenannten HEU, der „Human Essence
       Units“, richtet.
       
       Um dabei zu sein, braucht es zwei Geräte: einen Computer oder ein Tablet
       und ein Smartphone. Am Computerbildschirm kann das Publikum über das
       Videoportal Twitch dem Livestream von Ella und Inga folgen. Zusätzlich
       klinkt man sich über das Smartphone und die App TotoGo ins Spiel ein. Die
       Teilnehmenden beantworten in der App Fragen und Multiple-Choice-Aufgaben.
       
       ## Ella und Inga sind schon woanders
       
       Tatsächlich klingt das komplizierter, als es ist. Langsames Internet oder
       andere technische Probleme aber führen schnell dazu, dass man
       hinterherhinkt. Ella und Inga sind schon irgendwo anders, während man noch
       über der Antwort für die vorletzte Frage brütet.
       
       Welche geheimen Wünsche haben die Zuschauer*innen für ein Leben in
       „True“? Eine Person möchte reich sein, eine andere einen Mord begehen, eine
       dritte ein Meerschweinchen haben und eine vierte will endlich Kleidung
       herumliegen lassen, ohne dass sich jemand beschwert. Ella und Inga lesen
       und kommentieren die Antworten des Publikums und den sich verändernden
       HEU-Highscore. Wer schafft es in die digitale Zukunft?
       
       Dazu gilt es ein paar Fragen zu bedenken. „Ein paar von Ihnen haben wohl
       einen sentimentalen oder einen positiven Bezug zum eigenen Körper“, sagt
       Inga. Das ist schlecht, denn die fleischliche Hülle kann beim Upload nicht
       mitgenommen werden. Na ja, macht nichts. „Ihren Verfall können Sie selbst
       nur bedingt aufhalten“, sagt die Coachin. Also lieber gleich weg mit dem
       Körper. Er wird eingefroren. Wie lange? Das können die Zuschauer*innen
       selbst entscheiden. 50 Jahre? Klingt gut. Aber: Das lange Einfrieren kostet
       800 Credits, der Kontostand sinkt rapide. Später im Spiel rächt sich das,
       wenn es heißt: „Sie haben mehr ausgegeben, als Sie besitzen, Ihr HEU-Wert
       muss angepasst werden“.
       
       „DATA-Land“ ist unterhaltsam und ideenreich. Bei diesem zweiten Teil der
       Trilogie „Customerzombification“ ist das Borgtheater erstmals vollständig
       digital unterwegs. Das 2013 von Rolf Kasteleiner gegründete freie Berliner
       „cyborg performing theater“ verfolgt einen partizipativen Ansatz und
       versucht, Mechanismen von Videospielen in den theatralen Raum zu
       übertragen.
       
       Die Verbindung zwischen Videospiel, Streaming-Plattform und Theater erweist
       sich in „DATA-Land“ als charmant und unterhaltsam. Technisch ambitioniert,
       könnte das Stück inhaltlich und dramaturgisch jedoch mehr hergeben. Es
       kreist um Menschsein im digitalen Zeitalter, unseren Umgang mit der Umwelt
       und die Erfüllung unserer Wünsche und Träume. Spannende Fragen, die aber
       eher im Vorbeifliegen berührt werden, als dass Denkanstöße geliefert oder
       originelle Wendungen präsentiert werden.
       
       Zu einem kleinen, vorhersehbaren Bruch in der schönen Erzählung über „True“
       kommt es, wenn das Publikum sich auf dem Smartphone Videos von einem
       True-Bewohner anguckt, der mit Wein unter Palmen sitzt. Schon auf Erden
       habe er sich alle Wünsche erfüllen können, erzählt er. Während er
       selbstgefällig von seinem Leben in True erzählt, sieht man Inga an ihrem
       Tischchen in sich zusammensacken. Wieso wird so ein schmieriger Typ
       hochgeladen? Warum nicht sie? Auch hier kann das Publikum entscheiden: Darf
       Inga auch mit?
       
       Fragenkataloge und animierte Videos prasseln auf das Publikum ein, die
       Themen mäandern trotz oder gerade wegen der Schnelligkeit des Formats
       jedoch bisweilen vor sich hin. Das fühlt sich sehr nach Gameshow an, aber
       wenig nach Theater. Trotzdem zeigt sich das Game-Theater als interessante
       Spielwiese, das [2][Potenzial für Experimente] bietet – sicherlich auch für
       postpandemische Zeiten.
       
       26 May 2021
       
       ## LINKS
       
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