# taz.de -- Rechtes Netzwerk ist „gemeinnützig“: Hassrede, absetzbar
       
       > Rechte Vereine werden immer wieder als gemeinnützig eingestuft. Zuletzt
       > gelang das dem „Demokratienetzwerk“, das gegen Journalist:innen
       > hetzt.
       
 (IMG) Bild: Der Begriff „Demokratie“ wird von rechten Organisationen gern vereinnahmt und damit verzerrt
       
       Der Verein nennt sich „Demokratienetzwerk“. Aber im Kern ist es nicht mehr
       als ein pöbelnder Twitter-Account mit politischem Rechtsdrall. Keine
       größere Aufmerksamkeit wert, wäre nicht eine Sache merkwürdig: Das in
       Mannheim ins Vereinsregister eingetragene „Demokratienetzwerk“ mit seinen
       rund 2.800 Twitter-Follower:innen ist 2019 vom Finanzamt Rastatt [1][als
       „gemeinnützig“ eingestuft worden], Spenden sind also steuerlich
       abzugsfähig. Und das für eine rechte Propagandaschleuder. Wie ist das
       möglich?
       
       Seit Jahren gelingt es Vereinen im rechten politischen Spektrum, den Status
       der Gemeinnützigkeit zu erlangen. Das war beispielsweise so beim Portal
       „Journalistenwatch“, laut Eigenwerbung „Journal für Medienkritik und
       Gegenöffentlichkeit“, das auf seiner Internetseite um Spenden mit dem
       Hinweis warb: „Sie sparen mit jeder Spende Steuern und können so dem
       Merkel-Regime noch zusätzlich eins auswischen.“
       
       Erst 2019 entzog das Finanzamt im sächsischen Meißen [2][nach jahrelangem
       Prüfverfahren] dem Portal die Gemeinnützigkeit. Es hatte, [3][wie Zeit
       Online schrieb], „systematisch revisionistische, rassistische und
       antisemitische Inhalte“ verbreitet.
       
       Noch extremer ist das Beispiel Schnellroda: Der Trägerverein des dortigen
       Instituts für Staatspolitik erkämpfte im April 2020 vor dem Finanzgericht
       des Landes Sachsen-Anhalt seine Gemeinnützigkeit zurück. Und das, obwohl
       der Verfassungsschutz den Thinktank zum rechtsextremen Verdachtsfall
       erklärt hatte. Nur für eine Übergangszeit hatte der neurechte Ideologe Götz
       Kubitschek keine Spendenquittungen mehr ausstellen können.
       
       Die Texte von „Journalistenwatch“ verbreitet nun das „Demokratienetzwerk“
       im Netz, neben allerlei Hassrede. Weil Josef Schuster den Antisemitismus
       bei den Demonstrationen von „Querdenken“ angeprangert hatte, nannte der
       Verein den Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland einen
       „unverschämten Demagogen“, der „auf der Merkel-Schleimspur“ unterwegs sei.
       
       ## Hassrede auf Twitter
       
       Als sich das Land Berlin für die Aufnahme von Geflüchteten von den
       griechischen Inseln stark machte, twitterte das „Demokratienetzwerk“: „Mit
       Refugee-Tours muss Schluss sein. Deutschland ist kein All-Inclusive-Angebot
       für Sozialschmarotzer.“ Seenotretter wurden zu „Neppern, Schleppern,
       Bauernfängern“.
       
       Den Ost-Beauftragten der Bundesregierung, den sächsischen
       CDU-Bundestagsabgeordneten Marco Wanderwitz, beschimpfte der Verein als
       „Spinner“, nachdem er einen besonders hohen Anteil von
       Coronaleugner:innen in Hochburgen der AfD ausgemacht hatte. [4][Nach
       einem Bericht über Coronavirusinfektionen nach „Querdenken“-Großdemos]
       schrieb „Demokratienetzwerk“: „Die taz lügt wie gedruckt.“
       
       Der Verein hat im Twitter-Nutzernamen ein rotes „X“ – und protestiert so,
       ähnlich wie andere rechte Twitter-User, gegen die Maßnahmen des sozialen
       Netzwerks gegen Trolle. „Der Verein ist parteiunabhängig“, sagt Vorstand
       Dirk Klostermann auf Anfrage. Wie sich die nationale und internationale
       Vernetzung des Vereins ausgestaltet, die laut Satzung vorgesehen ist,
       verrät er nicht.
       
       Das „Demokratienetzwerk“ nahm an der „1. Konferenz der freien Medien im
       Bundestag“ teil, zu der mehrere AfD-Bundestagsabgeordnete 2019 in die Räume
       des Parlaments eingeladen hatten. [5][Auf dem Banner der Veranstaltung]
       findet sich das „Demokratienetzwerk“ neben 17 weiteren Organisationen wie
       dem extrem rechten Compact-Magazin, dem inzwischen laut Spiegel Online vom
       Verfassungsschutz als „erwiesen extremistisch“ eingestuften Blog
       „Politically Incorrect“ sowie dem AfD-nahen „Deutschland-Kurier“.
       
       David Berger vom neurechten Leitmedium „Philosophia Perennis“ war damals
       einer der Redner, zugleich bewegt er sich in den Zirkeln des
       „Demokratienetzwerks“.
       
       ## Zweifel an Gemeinnützigkeit
       
       Vorstand Klostermann bestreitet, dass sein Verein zu den
       Organisationspartnern der Konferenz gehört habe, lehnt aber zugleich ab,
       Auskunft über die Rolle des „Demokratienetzwerks“ bei der Veranstaltung zu
       geben, über die Correctiv damals schrieb: „Ein Treffen unter Freunden –
       gegen die,Systempresse'.“ Über die Gäste schrieb Correctiv: „Das sind
       Menschen, die mit ihren Artikeln und Videos eine alternative Realität
       schaffen, Angst und Bedrohung schüren. Die AfD schätzt das anscheinend.“
       
       Die auch vom „Demokratienetzwerk“ praktizierte Masche: Mit einer
       wohlklingenden Satzung gelingt es, Finanzbehörden hinter die Fichte zu
       führen. Von „Volksbildung“ ist in der Vereinssatzung die Rede,
       „einschließlich Studentenhilfe“, „internationaler Gesinnung“ und einer
       „Modernisierung des demokratischen Staatswesens“. Social-Media-Plattformen
       sollen betrieben, Botschaften des Vereins „über Massenmedien“ verbreitet
       werden, steht da weiter.
       
       Die Finanzbehörden geben zu gemeinnützigen Vereinen generell keine
       Auskünfte. Der Status fällt unter das Steuergeheimnis. Zweifel sind
       angebracht, ob mögliche Differenzen zwischen hehren Zielen der Satzung, die
       zur Gemeinnützigkeit führen, und tatsächlichen Aktivitäten im Blick des
       Finanzamts sind. Fraglich ist, welche Rolle es spielt, wenn Vereine
       politische Schlagseite bekommen.
       
       Auch wenn das „Demokratienetzwerk“ unter rechten Aktivisten eher zu den
       kleinen Playern gehört, wirkt es im Zusammenspiel [6][mit ähnlichen
       Organisationen] als Verstärker von Hassrede. Als gemeinnütziger Verein hat
       es neben der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Spenden eine Reihe weiterer
       Vorteile. Gemeinnützige Vereine sind zumindest teilweise von der
       Körperschafts- und Gewerbesteuer befreit und genießen eine weitgehende
       Befreiung von Erbschafts- und Schenkungssteuer.
       
       ## Einfallstor für Missbräuche
       
       Für die Grünen-Bundestagsabgeordnete Manuela Rottmann, die sich als
       Mitglied des Rechtsausschusses mit dem Thema Gemeinnützigkeit befasst, gibt
       es Nachbesserungsbedarf bei den Prüfungen der Finanzbehörden. Rottmann sagt
       der taz: „Ohne bundesweites Gemeinnützigkeitsregister haben die Finanzämter
       kaum eine Chance, Missbräuche der Gemeinnützigkeit schnell abzustellen.“
       
       Dieses ist schon seit längerer Zeit in der politischen Diskussion und
       könnte für mehr Transparenz sorgen. Rottmann fordert: „Wer sich auf das
       Gemeinnützigkeitsprivileg beruft und sich vorwiegend am politischen
       Meinungskampf beteiligt, der muss öffentlich Rechenschaft ablegen über
       Finanzierungsquellen und Geschäftsführung.“
       
       Das „Demokratienetzwerk“ verweigert auf Anfrage Angaben zu weiteren
       Vorstandsmitgliedern neben dem Vorsitzenden Klostermann. Auch auf der
       Homepage steht dazu nichts. Über die Ausrichtung jedoch bleiben keine
       Zweifel. Als prominente Unterstützerin taucht auf der Seite die frühere
       Bundestagsabgeordnete von Grünen und CDU, Vera Lengsfeld auf. Die ehemalige
       DDR-Bürgerrechtlerin ist vor einiger Zeit ins AfD-nahe Milieu abgedriftet.
       
       Regelmäßig teilt das „Demokratienetzwerk“ Tweets von rechten Aktivisten wie
       David Berger oder Blogeinträge von „Tichys Einblick“. Auch Botschaften von
       AfD-Fraktionschefin Alice Weidel, des Historikers Hubertus Knabe, der
       Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und des CDU-Politikers Hans-Georg
       Maaßen werden verbreitet.
       
       Zu Hochform lief der als gemeinnützig eingestufte Wutbürger in Form des
       „Demokratienetzwerks“ Anfang Mai auf. 58 Mitglieder der
       Bundespressekonferenz (BPK), in der sich bundespolitische
       Korrespondent:innen organisiert haben, hatten zum „Tag der
       Pressefreiheit“ in einem offenen Brief eine „Instrumentalisierung“ der
       Pressekonferenzen durch Teilnehmer beklagt.
       
       ## Kein Platz für Hetze
       
       Auch wenn der Name nicht genannt wurde, spielte der Brief unter anderem auf
       den YouTuber Boris Reitschuster an, ein Wortführer der rechten
       Blogger-Szene. Wer die BPK „für propagandistische Zwecke und für die
       Verbreitung von Verschwörungsmythen und Desinformation benutzt, für
       Polarisierung und Profilierung, hat keinen Platz“, hieß es in dem Brief.
       
       „Aktivisten gegen Pressefreiheit“, twitterte das „Demokratienetzwerk“ gegen
       diesen Brief: „Da hat wohl jemand das Regierungskaffeekränzchen gestört.
       Die Liste der Merkel-Journalisten muss man sich merken – Beruf verfehlt.“
       Die BPK sei ein „scheinheiliger Verein“, Kritiker Reitschusters seien bloß
       auf einen Platz im nächsten Regierungsflieger aus.
       
       Sein Verständnis von Meinungsfreiheit hatte das „Demokratienetzwerk“ zuvor
       mit Twitter-Attacken gegen auch namentlich genannte Journalist:innen
       von öffentlich-rechtlichen Medien in Worte gefasst: „Würstchen“, „Idiot“,
       „linksradikaler Fanatiker, gemästet von öffentlich-rechtlichen
       Zwangsbeiträgen“. Beleidigungen, steuerlich abzugsfähig.
       
       20 May 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.demokratienetzwerk.eu/faq.html#a1573
 (DIR) [2] /Journalistenwatch-ohne-Gemeinnutz/!5607795
 (DIR) [3] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-07/journalistenwatch-rechtsextremismus-hetze-plattform-gemeinnuetzigkeit
 (DIR) [4] /Querdenken-Demo-in-Stuttgart/!5764060
 (DIR) [5] https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2019/05/21/erste-konferenz-der-freien-medien-wie-die-afd-rechte-blogger-und-identitaere-in-den-bundestag-einlud/
 (DIR) [6] /taz-Recherche-zur-Werteunion/!5745420
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Matthias Meisner
       
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