# taz.de -- Natasha A. Kelly über Rassismus: „Uns vereint das Deutschsein“
       
       > Natasha A. Kelly spricht über die vorherrschende Vorstellung, dass
       > Deutsche weiß sein müssten und die Auseinandersetzung mit Schwarzer
       > Geschichte.
       
 (IMG) Bild: Die Denkweisen des Kolonialismus wirken nach, sagt Natasha A. Kelly
       
       taz: Frau Kelly, wie schwarz ist Deutschland? 
       
       Natasha A. Kelly: Deutschland ist weiß. Diese Vorstellung geht auf den
       Kolonialismus zurück, genauer gesagt auf die Mischehengesetze, die [1][in
       den deutschen Kolonien] verabschiedet wurden. Diese haben dann später im
       Reichstag zur Ratifizierung des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes
       geführt, welches genau definiert, wer NICHT deutsch ist. Und da heißt es
       noch, dass „Eingeborene“ nicht deutsch sein könnten. Und damit ging die
       Vorstellung einher, dass Deutsche weiß sein müssten. Diese Vorstellung hält
       bis heute vor.
       
       Wieso passiert die Auseinandersetzung mit schwarzer Geschichte in
       Deutschland so langsam? 
       
       Das liegt an Deutschlands weißem Selbstverständnis. Schwarze Körper werden
       nicht hier verortet und schwarze deutsche Geschichte nicht anerkannt,
       obwohl sie ebenfalls bis weit vor die Kolonialzeit zurückreicht. Anton
       Wilhelm Amo war beispielsweise der erste schwarze Professor an einer
       deutschen Universität. Er hat bereits 50 Jahre vor Kant
       erkenntnistheoretische Ansätze aufgestellt. Seine Dissertation, die er 1721
       schrieb, handelte vom Recht der Schwarzen in Europa. So alt ist das Thema
       also schon.
       
       Braucht der deutsche schwarze Diskurs also vorrangig eine geschichtliche
       Aufarbeitung? 
       
       Er braucht vor allem eine Institutionalisierung schwarzer deutscher
       Geschichte und von Black Studies generell. Es geht ja nicht nur um
       historische Bezüge, [2][sondern auch um gegenwärtige und zukünftige
       Vorstellunge]n – genau dort kommt der Afrofuturismus ins Spiel.
       
       Kann das Akademische denn die Lebensrealitäten deutscher Schwarzer
       abbilden? 
       
       In meiner Arbeit funktioniert das sehr gut. Beim Afrofuturismus geht es
       genau darum, Transferleistungen von der Theorie in die Praxis, sprich
       Gesellschaft und Politik, zu schaffen. Es braucht zudem eine
       intersektionale Herangehensweise. Die schwarze deutsche Bewegung hatte ihre
       Ursprünge beispielsweise in der feministischen schwarzen Bewegung.
       Intersektionalität ist also der Ausgangspunkt und nicht das Ziel.
       
       Zu guter Letzt, was macht schwarze deutsche Identität aus? 
       
       Schwarze deutsche Identität ist Teil der afrikanischen Diaspora. Es gibt
       viele verschiedene afrikanisch-diasporische Identitäten – ob es jetzt eine
       US-amerikanische, brasilianische, asiatische oder eben europäische ist. Was
       schwarze Deutsche vereint, ist auf dieser Grundlage gesehen ja eben das
       Deutschsein – die deutsche Kultur, die deutsche Geschichte, eben auch
       schwarze deutsche Geschichte. Jetzt gerade betreten wir eine Zeitepoche,
       die ich als „Racial Turn“ bezeichnen würde: Schwarze Menschen bestimmen und
       definieren sich als Subjekte selbst. Wir werden nicht für den Rest unseres
       Lebens in der Objektposition verharren.
       
       18 May 2021
       
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