# taz.de -- Linkspartei in Nordrhein-Westfalen: Wagenknecht bleibt Spitze
       
       > Trotz scharfer Kritik wird Sahra Wagenknecht erneut zur Spitzenkandidatin
       > der Linkspartei in NRW gewählt. Aber mit einem schlechten Ergebnis.
       
 (IMG) Bild: Wurde mit 61 Prozent zur Spitzenkandidatin der NRW-Linkspartei gewählt: Sahra Wagenknecht
       
       Berlin taz | Augen zu und durch: Die Linkspartei in Nordrhein-Westfalen
       zieht erneut mit Sahra Wagenknecht als Spitzenkandidatin in den
       Bundestagswahlkampf. Auf einer digitalen
       Landesvertreter:innenversammlung setzte sich die 51-jährige
       Ex-Bundestagsfraktionsvorsitzende am Samstag mit 61 Prozent der Stimmen
       gegen zwei Gegenkandidatinnen durch. Trotz aller [1][Turbulenzen über ihr
       neues Buch].
       
       Zuvor hatte Wagenknecht die heftige innerparteiliche Kritik an ihr
       zurückgewiesen. Mit vermeintlich „aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten“
       würde versucht, „ein Zerrbild von den Ansichten darzustellen, die ich
       angeblich in diesem Buch vertrete“. Als „völlig absurd“ bezeichnete sie den
       [2][Vorwurf, sie würde die Rechte verharmlosen].
       
       Auch die Behauptung, sie würde in ihrer Schrift – die eigentlich erst
       unmittelbar nach ihrer Nominierung hatte erscheinen sollen – mit der
       Linkspartei abrechnen, sei „eine völlig absurde Lesart“. Vielmehr sei es
       „ein Vorschlag für eine stärkere Linke“. Von ihrer Herabwürdigung sozialer
       Bewegungen nahm sie ebenso wenig zurück wie von der Abqualifizierung weiter
       Teile der Linkspartei als „Lifestyle-Linke“, die angeblich den Bezug zu den
       wahren gesellschaftlichen Problemen verloren habe.
       
       Vor ihr hatte ihre Gegenkandidatin Hannah Harhues Wagenknecht scharf
       attackiert. Die 20-jährige Münsteranerin hatte erst kurz vor
       Versammlungsbeginn spontan ihre Kandidatur erklärt. „Ich stehe hier und
       kandidiere auf Platz 1, weil ich es nicht akzeptiere, als queere Person von
       Sahra in ihrem Buch als Teil einer ‚skurrilen Minderheit‘ mit ‚Marotten‘
       beleidigt zu werden“, sagte die junge Klimaaktivistin in einer beherzten
       Rede. Auch sei sie es „leid, dass in unserer Partei Werte wie
       Internationalismus, Weltoffenheit und Solidarität immer wieder infrage
       gestellt werden“.
       
       Wagenknechts Buch sei „ein Angriff auf die Werte unserer Partei“, sagte
       Harhues. Mit ihren Angriffen auf Bewegungen wie Fridays for Future, Black
       Lives Matter oder „Unteilbar“ greife Wagenknecht einen relevanten Teil der
       Wähler:innen- und der Mitgliedschaft der Linkspartei frontal an. „Ich
       finde, das ist inakzeptabel“, sagte Harhues.
       
       ## Gegenkandidatinnen bleiben chancenlos
       
       Doch wie auch die zweite Gegenkandidatin, die Kölnerin Angela Bankert,
       blieb Harhues chancenlos. Zu groß war offenkundig bei einer Mehrheit die
       Angst vor einem Zerwürfnis mit der medial immer noch omnipräsenten
       Wagenknecht. Auch hat sie immer noch mächtige Verbündete im Landesverband
       aus den Reihen der in NRW starken Parteiströmung „Sozialistische Linke“.
       Allerdings schnitt sie wesentlich schlechter ab als noch vor vier Jahren,
       als sie noch mit rund 80 Prozent zur Spitzenkandidatin der
       nordrhein-westfälischen Linkspartei gewählt wurde.
       
       Die Linkspartei werde „einen hohen Preis dafür zahlen, dass ihre
       Verehrer:innen die Politikerin von gestern durchgeboxt haben“,
       kommentierte der Kölner Kreissprecher Hans Günter Bell die erneute Wahl
       Wagenknechts. „Viele junge Mitglieder und Bewegungsaktivist:innen
       werden nun zu Recht sehr enttäuscht sein.“ Der nordrhein-westfälische
       Landesverband der Linkspartei sei „tief gespalten“.
       
       Auch der Herner Sozialpfarrer Jürgen Klute reagierte mit Unverständnis. Mit
       ihren „vermeintlichen Analysen“ schramme Wagenknecht „an jeder Wirklichkeit
       vorbei“, kritisierte der frühere Linkspartei-Europaabgeordnete. „Mit ihrer
       Kritik an der Klimabewegung, aber auch an der Migrationspolitik verprellt
       Wagenknecht jüngere Wählerinnen“, sagte Klute der taz. „Ich fürchte, für
       Menschen, die sich klimapolitisch engagieren, die sich in der
       Flüchtlingshilfe engagieren, die sich für Menschenrechte engagieren, wird
       die Linke nun unwählbar sein.“
       
       ## „Katastrophales Signal“
       
       Nicht weniger enttäuscht äußerte sich der Düsseldorfer Frank Laubenburg.
       „Die Entscheidung ist einer linken Partei zutiefst unwürdig“, sagte der
       Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft DIE LINKE. queer.
       
       „Sahras Wahl ist ein katastrophales Signal“, sagte der Essener
       Kreissprecher Daniel Kerekeš der taz. Jetzt bliebe nichts Anderes, als sich
       darauf zu konzentrieren, „die Partei weiter vor Ort aufzubauen und für
       einen Landesverband zu kämpfen, der sich antirassistisch, klimagerecht und
       weltoffen engagiert“.
       
       In einer ersten Pressemitteilung nach der Wagenknecht-Wahl zitierte die
       Pressestelle der NRW-Linkspartei Landessprecherin Nina Eumann mit den
       Worten: „Wir freuen uns sehr, mit Sahra Wagenknecht als Spitzenkandidatin
       für NRW in den Wahlkampf zu ziehen.“ Doch das Zitat musste die Pressestelle
       wieder zurückziehen, denn es war nicht abgesprochen.
       
       Eine solche Aussage Eumanns wäre auch überraschend gewesen. Denn in ihrer
       Eröffnungsrede am Samstagmorgen hatte sie noch gesagt, sie „hoffe sehr,
       dass wir mit Genossinnen und Genossen in den Wahlkampf gehen, hinter denen
       sich die Partei versammeln kann und mit denen wir das Gemeinsame in den
       Vordergrund stellen“. Die gewählte Spitzenkandidatin passt irgendwie nicht
       ganz dazu. Tatsächlich hat auch Eumann Zweifel: „Ich bin gespannt, wie das
       mit Sahra Wagenknecht funktionieren soll“, sagte sie der taz.
       
       ## „Völlig inakzeptabel“
       
       Wagenknechts Wahl werde den Landesverband „weiter auseinanderdividieren“,
       sagte Wolfgang Freye, der Vorsitzende der Linksfraktion im „Ruhrparlament“
       des Regionalverbandes Ruhr. Denn mit ihrer Distanzierung von Initiativen
       wie Black Lives Matter, Seebrücke und „Unteilbar“ habe Wagenknecht „Pflöcke
       eingerissen“. Das sei „völlig inakzeptabel“.
       
       Noch schlimmer sei allerdings, dass ihr Lager bei der Listenaufstellung
       „durchgezogen“ habe. So seien 8 der ersten 11 Plätze ihm zuzurechnen. „Das
       hat mit Pluralismus nichts zu tun und wird den Wahlkampf nicht einfacher
       machen“, sagte Freye der taz.
       
       „Jetzt gilt es nach vorne zu schauen und für eine starke Linke bei der
       Bundestagswahl zu kämpfen“, sagte demgegenüber der Oberhausener
       Bundestagsabgeordnete Niema Movassat der taz. Wagenknechts schlechtes
       Ergebnis zeige immerhin, „dass viele Delegierte die Thesen ihres Buches
       ablehnen“. Die Linkspartei müsse „jetzt zeigen, dass sie konsequent an der
       Seite fortschrittlicher Bewegungen steht, nachdem Wagenknecht Mitgliedern
       von Fridays for Future, Black Lives Matters und Unteilbar massiv vor den
       Kopf gestoßen hat“.
       
       10 Apr 2021
       
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