# taz.de -- Ausgangssperre in Berlin: Stille Nacht
       
       > Am ersten Wochenende mit Ausgangssperre halten sich die meisten an die
       > Vorgabe. Die Parks sind leer, aber die Kids fühlen sich ungerecht
       > behandelt.
       
 (IMG) Bild: Still wie nie: Park am Gleisdreieck
       
       Berlin taz | Samstagabend in der Potsdamer Straße, eine Stunde vor Beginn
       der [1][Ausgangssperre]. Eine Gruppe junger Männer steht vor Rewe. Sie sind
       mit Wodka- und Bierflaschen bestückt. Die Stimmung ist aufgekratzt. Was sie
       vorhaben? Lachen. „Komm später in den Gleisdreieck-Park!“
       
       In Berlin gelten seit dem Wochenende die Regelungen für die neue
       [2][bundesweite Corona-Notbremse]. Diese sieht unter anderem eine
       nächtliche Ausgangssperre zwischen 22 und 5 Uhr bei einer 7-Tage-Inzidenz
       von mehr als 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern vor. Von der taz
       gefragt, was daraus folgt, sagte der Sprecher der Innenverwaltung, Martin
       Pallgen: Natürlich könnten die Einsatzkräfte nicht in jedem Winkel der
       Großstadt präsent sein. Aber dort, wo größere Gruppen auffielen, werde die
       Polizei konsequent und auch mit dem notwendigen Fingerspitzengefühl
       einschreiten.
       
       Als Treffpunkt bekannte Grünanlagen wie den Mauerpark oder den Park am
       Gleisdreieck werde man besonders im Blick haben, teilte die
       Polizeipressestelle mit. Man setze auf die Einsicht der Menschen. Wer
       allerdings nicht auf die Aufforderung der Ordnungskräfte reagiere, müsse
       mit Sanktionen rechnen.
       
       22.15 Uhr am Samstag im Späti Matrix in der Kurfürstenstraße. Der Kiosk
       liegt in der Einflugschneise des Parks am Gleisdreieck. An normalen
       Samstagen – je wärmer draußen, umso mehr – brummt das Geschäft. Diesmal
       sind nur zwei ältere Kunden im Laden. Seit dem frühen Abend sei die Polizei
       im Park unterwegs und weise mit Lautsprecherdurchsagen auf die
       Ausgangssperre hin, erzählt der Verkäufer. „Joggen kannste aber bis
       Mitternacht“, mischt sich der eine Kunde ein, ein Herr mit grauen Haaren.
       Dann sei es ja gut, den Kiosk noch ein bisschen offen zu halten, sagt der
       Verkäufer und lacht. „Vielleicht kommt ja noch ein Jogger vorbei.“
       
       ## Kaum Verkehr
       
       Im Park ist es still wie nie. Keine Musik, keine Stimmen, das einzige
       Geräusch ist das Rattern der U-Bahn auf der Hochtrasse. Rote und weiße
       Punkte deuten auf durch die Dunkelheit hastende Radfahrer hin. Zwei Skater
       auf der Skaterbahn, ab und zu ein Jogger, ein Pärchen oder zwei Freunde,
       das ist alles. Auch auf der Yorckstraße ist kaum noch Verkehr.
       
       Der M19 fährt fast leer. „Wir ändern nichts an den Fahrplänen“, hatte
       BVG-Sprecherin Petra Nelken der taz gesagt. Es gebe sehr viele Menschen,
       die nachts arbeiten und auf das öffentliche Transportwesen angewiesen
       seien. Allenfalls werde man die Zahl der Waggons etwas abspecken.
       
       Es ist erstaunlich, wie schnell die Großstadt Berlin das Tempo runterdimmt.
       Wären nicht die vielen erleuchteten Fenster, man wähnte sich um 3 Uhr in
       der Früh. Dabei ist es noch nicht mal Mitternacht. Ein Flaschensammler
       radelt mit klimpernden Taschen vorbei. Findet er die Stille nicht auch
       bemerkenswert? So sei es doch in letzter Zeit immer, zumal in dieser
       Jahreszeit. „Mit Einbruch der Dunkelheit wird es leer in den Parks.“ Klar
       stünden die Jugendlichen nah beieinander, „aber Coronapartys habe ich nie
       gesehen“.
       
       ## Aufgestaute Wut
       
       Von der Gruppe, die sich bei Rewe mit Alkohol bestückt hat, gibt es keine
       Spur. Dafür finden sich in einer anderen Grünanlage – welche es ist, das
       ist versprochen, wird nicht verraten – fünf 17-jährige Jungs. Einer zieht
       am Joint, aus einer kleinen Box schallt Rap. Als sie Vertrauen gefasst
       haben, bricht die aufgestaute Wut aus ihnen heraus. „Wir nehmen das ernst“,
       sagt der eine und meint damit Corona. Aber sie könnten einfach nicht mehr
       länger zu Hause hocken. Ein Freund habe eine eigene Wohnung, man könnte
       auch zu ihm gehen. „Wir gehen aber lieber raus, das ist viel weniger
       gefährlich.“
       
       Zwei 25-jährige Frauen sitzen etwas abseits auf einer Parkbank. Sie essen
       vegane Burger, rauchen Marlboro und unterhalten sich leise. „Die nehmen
       denen die Jugend weg“, sind sie voller Verständnis für die 17-Jährigen.
       
       Zurück in der Kurfürstenstraße. Eine Transperson mit roten Kurzhaarschnitt
       und Pitbull an der Leine stöckelt über den Bürgersteig. Verschwörerisch
       lächelt sie der ihr entgegenkommenden Passantin zu und lässt wie die
       Spanier das R rollen: „Corona-Ausgangsverbot“, sagt sie und wedelt spaßhaft
       drohend mit dem Zeigefinger.
       
       Das Fazit eines Polizeisprechers von dieser Samstagnacht: „Nichts
       Außergewöhnliches.“
       
       25 Apr 2021
       
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