# taz.de -- Urteil gegen Eyad A.: Rechtsgeschichte aus Koblenz
       
       > Das OLG verurteilt einen Helfer Assads und sendet ein Signal an
       > Diktaturen – und auch an deutsche Innenminister, die nach Syrien
       > ausliefern wollen.
       
 (IMG) Bild: Der Angeklagte Eyad A. vor der Urteilsverkündung im Oberlandesgericht Koblenz
       
       Das Oberlandesgericht in Koblenz hat am Mittwoch ein Urteil gefällt, das
       sich zunächst klein anhört, aber groß ist. Sehr groß sogar. Das Gericht hat
       den Syrer Eyad A. [1][zu viereinhalb Jahren Haft wegen Beihilfe zu Folter
       und schwerwiegender Freiheitsberaubung verurteilt]. Doch das ist
       gewissermaßen nebensächlich.
       
       Wichtig ist: Das Gericht hat erstmals weltweit die Gräueltaten des Regimes
       von Machthaber Baschar al-Assad an seiner eigenen Bevölkerung als das
       juristisch festgeschrieben, was sie sind: Verbrechen gegen die
       Menschlichkeit. Es hat damit einen Präzedenzfall geschaffen, der
       international Auswirkungen haben wird. Es ist ein historisches Urteil.
       
       Dass es in der deutschen Provinz gefällt werden musste, ist eigentlich ein
       Skandal. Verbrechen wie diese gehören vor die dafür geschaffene
       internationale Gerichtsbarkeit. Doch weil Syrien nicht Mitglied des
       Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag ist, konnte Russland mit
       einem Veto im UN-Sicherheitsrat verhindern, dass dieser tätig wird.
       Deutschland, das das sogenannte Weltrechtsprinzip im Völkerstrafrecht
       verankert hat, ist hier eingesprungen und vorgeprescht.
       
       ## Urteil dank mutiger Aussagen
       
       Die engagierte Arbeit von Bundesanwaltschaft und BKA, die seit vielen
       Jahren erst in einem sogenannten Strukturverfahren zu Syrien, später dann
       auch gegen einzelne Personen ermitteln, kann man nur loben. Möglich aber
       wurde das Urteil vor allem durch die mutigen Aussagen derer, die Opfer von
       Assads brutalem Folterstaat wurden und bereit waren, vor Gericht auszusagen
       – trotz der Sorge um Angehörige, die sich noch in Syrien befinden, und der
       Angst vor der eigenen Retraumatisierung.
       
       Ihnen, die viel zu lange auf einen ersten Prozess warten mussten, gebührt
       allergrößter Respekt. Dass das Gericht, das sich bisher wenig um die
       Vermittlung seines Tuns in die syrische Exil-Community gekümmert hat, die
       Urteilsverkündung für die Zuschauer*innen im Anschluss ins Arabische
       übersetzen ließ, war zwar überfällig, ist aber dennoch eine kleine
       Anerkennung. Und sorgt vielleicht dafür, dass das Urteil auch in Syrien
       selbst wahrgenommen wird. Was umso besser wäre.
       
       All das unfassbar Brutale, physisch und psychisch, das die Opfer vor
       Gericht schilderten, [2][die aus Syrien herausgeschmuggelten Fotos] von
       getöteten Gefangenen, die erstmals in einen Prozess eingebracht wurden, und
       die Aussagen anonymisierter Zeugen, die früher für das Regime arbeiteten,
       belegen das Ausmaß und die Systematik von Verschwindenlassen, Folter und
       sexualisierter Gewalt in Syrien.
       
       Es sind Beweise, die in weiteren Verfahren genutzt werden können und
       müssen. In Deutschland, wohin wohl weitere Täter geflohen sind. Und in
       anderen Ländern, die dringend nachziehen müssen. Das zeigt aber auch die
       Crux dieses Prozesses: Eyad A., ein kleines Rädchen in Assads
       Foltergetriebe, konnte nur gefasst und verurteilt werden, weil er
       desertierte, nach Deutschland floh und bei den Behörden bereitwillig
       aussagte.
       
       Die Verantwortlichen aber, die hochrangigen Funktionäre des
       Sicherheitsapparats und der Diktator selbst, machen weiter und werden
       bislang nicht belangt. Sie können, auch das ist schlimm, in Syrien das
       Urteil sogar als Druckmittel einsetzen, nach dem Motto: Seht her, was
       geschieht, wenn ihr euch abwendet. Das Ziel muss bleiben, sie für die
       begangenen Verbrechen zur Verantwortung zu ziehen.
       
       Das Urteil ist aber vor allem ein Signal: ein Signal an Täter und Opfer
       dafür, dass die Verbrechen nicht ungesühnt bleiben. Und damit ein kleiner
       Schritt in Richtung Gerechtigkeit.
       
       Es muss aber auch ein Signal an die deutsche Politik sein: Zuallererst an
       jene Innenminister der Union, die meinen, man könne nach Syrien abschieben.
       Dazu müsste man sich mit Syrien über die Modalitäten verständigen – also
       mit dem Assad-Regime verhandeln. Mit einem Regime, das nach dem Urteil
       eines deutschen Gerichts Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht. Das
       darf es nicht geben.
       
       26 Feb 2021
       
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