# taz.de -- Kino als Stream: Der große Gescheiterte
       
       > Roland Klick machte großes, aufwühlendes Publikums-Kino. Der Berliner
       > Verleih „Filmgalerie 451“ widmet dem Kultregisseur eine Online-Werkschau.
       
 (IMG) Bild: Psychedelische Treibjagd im Niemandsland: Mario Adorf in „Deadlock“ (1970)
       
       Er ist der große Gescheiterte des Neuen Deutschen Films: Roland Klick. Er
       hat sich reingehängt ins Filmemachen wie kaum ein anderer seiner
       Generation, radikal [1][seine Vorstellung eines Kinos] verfolgt, das nicht
       langweilen wollte mit sogenanntem künstlerischen Anspruch wie so viele
       andere in Deutschland, sondern gut unterhalten.
       
       Aber irgendwas ging immer schief bei ihm. Geschichten, die davon erzählen,
       wie er von allen Seiten ständig sabotiert wurde, so lange, bis er einfach
       innerlich ausbrannte, gibt es massenhaft. Sein erster Kinofilm “Bübchen“
       (1968) etwa wurde von der Kritik verrissen: ein Junge bringt aus Langeweile
       seinen kleinen Bruder um, seine Familie versucht, die monströse Tat zu
       vertuschen, denn: was würden die Nachbarn sagen? Zu wenig sozialkritisch,
       ergo: zu wenig didaktisch, hieß es damals.
       
       Mag sein. Dafür ist Klicks Blick hinter bürgerliche Fassaden in einem
       Deutschland Ende der Sechziger so schonungslos, dass er einen auch noch
       heute schockieren kann. Was sich über so manchen Kritikerliebling aus
       dieser Zeit nicht unbedingt sagen lässt.
       
       Oder “Deadlock“, Klicks zweiter großer Spielfilm aus dem Jahr 1970: Der
       muss seine Regiekollegen so getriggert haben, dass sie persönlich in Cannes
       intervenierten, damit dieser dort nicht groß auf dem Festival präsentiert
       wurde. Kaum zu glauben eigentlich, dass das damals wirkich so war, doch
       tatsächlich wurde “Deadlock“ dann nicht mehr als offizieller
       Festivalbeitrag aus Deutschland gezeigt, sondern nur in einer popeligen
       Sondervorführung.
       
       ## Zu wenig grüblerisch
       
       Der Film sei zu wenig künstlerisch wertvoll, zu wenig grüblerisch, zu wenig
       so, wie sich die deutschen Autorenfilmer damals selbst sahen, soll die
       Begründung für das Mobbing gewesen sein. Und sie hatten ja auch Recht:
       “Deadlock“ ist ein komplett wahnsinniger, undeutscher Film. Eine Art
       Italo-Western, nur halt mit deutschen Schauspielern und deutscher Musik.
       
       Mario Adorf und Marquard Bohm spielen die beiden Hauptrollen in diesem Film
       über Gier, Rache und menschliche Verkommenheit. Die Musik, wie immer in
       Klick-Filmen, ist fantastisch und stammt von Can. Gedreht wurde in der
       israelischen Negev-Wüste. Israel befand sich nach dem Sechstagekrieg immer
       noch in kriegerischen Auseinandersetzungen mit Ägypten und die Spannungen,
       die in dem Land spürbar waren, übertrugen sich auf den fiebrig glühenden
       Film.
       
       Und so geht es eigentlich immer weiter mit den Dramen rund um das Schaffen
       dieses großen deutschen Regisseurs, der es nie wirklich geschafft hat. Nach
       “Deadlock“ rief Hollywood an, Steven Spielberg etwa war Fan des Films: Komm
       doch zu uns, wenn sie Dich in Deiner Heimat nicht haben wollen, wurde ihm
       gesagt. Aber Klick wollte nicht. Er wollte kein Rädchen einer
       Filmmaschinerie sein, sondern weiter für seine eigenen, persönlichen
       Filmvisionen kämpfen.
       
       ## Realist, nicht Idealist
       
       Anfang der Achtziger kam es dann zum Trauerspiel rund um “Wir Kinder vom
       Bahnhof Zoo“. Filmmogul Bernd Eichinger rief Klick eines Nachts an und
       sagte ihm: Du, ich habe gerade die Rechte an dem Buch über die Geschichte
       von Christiane F. gekauft. Und Du wirst diese verfilmen. Klick wollte alles
       wieder auf seine Weise machen. Er wollte Realität abbilden, denn als
       Realist und nicht etwa als Idealist sah er sich, sagte er immer wieder.
       
       Und dafür wollte er mit echten Junkies und Straßenkindern drehen und nicht
       mit irgendwelchen gecasteten Jungschauspielern. Er lud sie also ein zu
       sich, die echten Kinder vom Bahnhof Zoo, zig von ihnen, wollte sie richtig
       kennenlernen, sie durchdringen. Bis dann jemand von Eichingers
       Produktionsfirma vorbeikam und sah, dass die Straßenkids sich nicht ganz so
       benahmen, wie er sich das vorstellte.
       
       Unter anderem soll die Klobrille beschmutzt gewesen sein. Klick wurde
       gefeuert. Was der letztendlich für einen “Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“
       abgeliefert hätte, darüber kann nur spekuliert werden. Immerhin lässt sich
       sagen: Besser als mit David Bowie hätte er es, was die Musik betrifft, dann
       doch nicht machen können.
       
       Und dann wäre da noch Klicks berüchtigter “White Star“ (1983), in dem
       niemand Geringeres als der große Dennis Hopper in der Rolle eines
       abgehalfterten Tourmanagers durch die Berliner Punkszene torkelt und
       versucht, den mittelmäßigen Musiker Moody zur nächsten Popsensation zu
       pushen.
       
       Doch Hopper war zu der Zeit so hoffnungslos abhängig von Kokain, dass er
       sich in seinem Hotel handgreiflich mit dem Personal anlegte und keine zwei
       Stunden ohne die nächste Line drehen konnte. So entstand mit Mühe und Not
       ein bizarrer und kaputter, aber kein wirklich gelungener Film.
       
       Klicks Weggefährte und Kollege, der Regisseur und Schauspieler Hark Bohm,
       nannte ihn einmal einen Sisyphos, weil er einfach nicht aufgeben wollte.
       Irgendwann tat er es aber doch. Der heute 83-Jährige, der in Hamburg und
       Irland lebt, verabschiedete sich Ende der Achtziger vom Film. Auch Dank der
       unermüdlichen Arbeit seines Berliner Verleihs Filmgalerie 451 gilt er heute
       immerhin als Kultregisseur, verehrt von Kollegen wie Doris Dörrie und
       Dominik Graf. Wenigstens das.
       
       19 Feb 2021
       
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