# taz.de -- Kinotipp der Woche: Eigenwillig und behutsam
       
       > Der Filmverleih Peripher des Berliner Kinos FSK zeigt On Demand unter
       > anderem die Scheidungsdoku „Una Primavera“ und den Coming-of-Age-Film
       > „Limbo“.
       
 (IMG) Bild: Schmerzhafter Prozess: Die italienische Mama will ihren Mann verlassen
       
       Wie lange der Lockdown noch andauern wird, steht in den Sternen und wann
       die Kinos wieder öffnen dürfen, erst recht. Damit sie in diesen Zeiten
       nicht ganz vergessen werden, haben ein paar Berliner Arthouse-Kinos damit
       begonnen, selbst ein Streaming-Angebot einzurichten.
       
       „FSK für Zuhause“ heißt das beim Kreuzberger Traditionskino FSK, wo man
       Filme aus dem hauseigenen Peripher-Filmverleih anbietet. Peripher hat sich
       einen Namen damit gemacht, selbst für den Standard von
       Independent-Produktionen besonders eigenwillige und behutsam, um nicht zu
       sagen langsam erzählte Filme anzubieten.
       
       Und in diese Kategorie passt dann auch bestens die Dokumentation von
       Valentina Primavera „Una Primavera“ aus dem Jahr 2018. Der Italienerin ist
       hier ein mutiges Familienportrait gelungen. Mut zeigt sie nicht nur selbst,
       die ziemlich intime Einblicke in ihre Familiengeschichte gewährt, sondern
       vor allem ihre Eltern, die sich während des schmerzhaften Prozesses ihrer
       Scheidung von der Kamera ihrer Tochter begleiten ließen.
       
       Die Dokumentation beginnt damit, dass Valentinas Mutter Fiorella Primavera
       in der Wohnung ihrer Tochter in Berlin aufschlägt und sagt, sie habe sich
       von deren Vater getrennt. Nach 40 Jahren Ehe habe sie genug von den ewigen
       Demütigungen und auch physischen Gewalttätigkeiten ihres Mannes Bruno. Sie
       wolle die Scheidung. Valentina, die meist hinter der Kamera versteckt
       bleibt, aber keineswegs konsequent neutral das Drama ihrer Eltern
       beobachtet, macht klar, dass sie ihre Mutter bei ihrem Abnabelungsprozess
       unterstützen werde
       
       ## Kleinbürgerliches Italien
       
       Gemeinsam reisen die beiden nach Italien, in die schöne Küstenkleinstadt,
       in der Valentina aufgewachsen ist. Zurück geht es in das Haus, das ihre
       Eltern sich vom Mund abgespart haben und wo diese ihre drei Kinder groß
       gezogen haben. Und damit zurück in ein kleinbürgerliches Italien, wo in
       patriarchalen Strukturen der klassische Familienverbund quasi heilig und
       der Einfluss der katholischen Kirche groß ist. Wo bei Familienfesten nach
       italienischer Tradition bestes Essen aufgefahren wird, der Onkel aber schon
       mal Mussolini zitiert, als sei der ein weiser Philosoph gewesen.
       
       Es wird schnell klar, dass Fiorella Valentina aus diesen Strukturen, die
       sie geprägt haben, nicht einfach ausbrechen und ein neues, selbstbestimmtes
       Leben aufbauen wird. Das Gericht vor Ort entscheidet: Sie dürfe im
       gemeinsamen Haus fortan das obere Stockwerk bewohnen, ihr Ex-Mann das
       Erdgeschoss. Was kein guter Start für einen kompletten Neuanfang ist.
       
       Und bald sieht man Fiorella, wie sie dem Mann, der sie wohl auch geschlagen
       hatte, wieder das Essen zubereitet. Alles bleibt toxisch. Bruno will
       Fiorella zurück, gelobt Besserung. Im Familienkreis bekommt weniger
       Fiorella Zuspruch als vielmehr Bruno, der doch nun langsam mal genug
       gelitten habe.
       
       Und mittendrin immer Valentina Primavera mit ihrer Kamera, die von ihrem
       Vater irgendwann als Feind angesehen wird. Sie habe selbst keine Kinder,
       keine Familie, also keine Ahnung, was mische sie sich überhaupt ein. Es tut
       wirklich manchmal weh, diese ganzen familiären Verwerfungen mit ansehen zu
       müssen, die Tränen, die Aggressionen, die Bigotterie. Und das Ende des
       Films schmerzt so richtig.
       
       ## Verliebt in die Lehrerin
       
       Auch der Spielfilm „Limbo“ der dänischen Regisseurin Anna Sophie Hartmann
       von 2014 zeigt so manche tief gehende Empfindungen seiner Protagonisten. Er
       ist ein Peripher-Film in Reinkultur, geprägt von langen Kameraeinstellungen
       und einer eher assoziativen Erzählweise. Nebenbei bemerkt: Einen Unfall,
       bei dem ein Auto nachts im Graben landet, so unspektakulär und gleichzeitig
       einprägend zu inszenieren, wie Hartmann das tut, das muss man auch erst
       einmal hinbekommen.
       
       In dem Coming-of-Age-Film, der in der dänischen Hafenstadt Nakskov spielt,
       verliebt sich die Abiturientin Sara in ihre neue Lehrerin Karen. Letztere
       kommt von den Farörer-Inseln und ist neu in der Stadt. In Saras Clique
       dreht sich alles um das, was einen in dem Alter so beschäftigt. Jungs, was
       das erste Mal „Das Leben des Brian“ zu sehen mit einem macht, wo die
       nächste Party statt findet.
       
       Sara kommt gut klar mit ihren Freundinnen, fühlt sich aber doch sichtlich
       allein gelassen mit ihren Gefühlen für Karen. Sie gesteht dieser dann
       einfach ihre Liebe. Die Lehrerin will das als jugendliche Schwärmerei ihrer
       Schülerin abtun. Beginnt dann aber doch, sich Sorgen um diese zu machen.
       Zumindest sagt sie das. Sie wird immer unsicherer, wie sie sich Sara
       gegenüber verhalten soll. Ein echtes Drama könnte nun beginnen, doch dann
       ist der Film, der sich für die Ausarbeitung von Konflikten gar nicht so
       sehr interessiert und lieber alles im Ungefähren belässt, auch schon bald
       zu Ende.
       
       9 Jan 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Hartmann
       
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