# taz.de -- Kanzlerkandidatur der Union: Luftikus Laschet
       
       > Der CDU-Chef wirbt um die wachsende Zahl der Lockdown-Gegner:innen. Die
       > Vorstellung, er könnte im Herbst Bundeskanzler werden, beunruhigt.
       
 (IMG) Bild: Sieht so der neue Kanzler aus?
       
       Armin Laschet fühlt sich missverstanden. Mal wieder. Mit seinem
       misslungenen Auftritt auf dem digitalen Neujahrsempfang des
       baden-württembergischen CDU-Wirtschaftsrates am vergangenen Montag hat sich
       der potenzielle Kanzlerkandidat der Union keinen Gefallen getan.
       
       Bei seinem Versuch, die Konservativen und Wirtschaftsliberalen in der CDU
       zu bezirzen, hat er auf fatale Weise den falschen Ton angeschlagen.
       [1][„Man kann nicht immer neue Grenzwerte erfinden, um zu verhindern, dass
       Leben wieder stattfindet“], sagte er.
       
       Was soll man davon halten, wenn der Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens
       einen Satz von sich gibt, der auch von einem irrlichternden „Querdenker“
       stammen könnte? Laschet hat in den Tagen danach versichert, damit nicht die
       von ihm selbst mit verabschiedeten Beschlüsse des letzten
       Bund-Länder-Gipfels infrage gestellt zu haben.
       
       Aber genau diese Wirkung haben seine Worte: Sie lassen beschlossene
       Coronaschutzmaßnahmen als Willkürakte erscheinen. Es ist ihm abzunehmen, es
       nicht so gemeint zu haben. Aber das macht es nicht besser.
       
       Laschet rechtfertigt sich, auf jene „Aktivisten“ gezielt zu haben, die sich
       erst für Lockerungen des Lockdowns aussprechen, wenn der Wocheninzidenzwert
       unter 10 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner:innen gesunken ist. Es
       geht ihm also um die Ablehnung der [2][No-Covid-Strategie]. Allerdings
       müsste Laschet eigentlich wissen, dass sich hier nicht irgendwelche
       „Aktivisten“ irgendeinen Grenzwert ausgedacht, sondern anerkannte
       Wissenschaftler:innen einen gut begründeten Vorschlag vorgelegt haben.
       
       Es ist infam, ihnen zu unterstellen, sie wollten „verhindern, dass Leben
       wieder stattfindet“. Das Gegenteil ist richtig. Dass sich Bayerns
       CSU-Ministerpräsident Markus Söder und Kölns parteilose Oberbürgermeisterin
       Henriette Reker als Anhänger:innen des „No-Covid“-Ansatzes bezeichnet
       haben, sollte Laschet zu denken geben.
       
       Laschets Geraune 
       
       Gleichwohl lässt sich darüber streiten, ob ein solcher Weg in Deutschland
       politisch gangbar wäre. Aber darum geht es Laschet nicht. Er versucht
       vielmehr durch Geraune die Stimmung der wachsenden Zahl der Unzufriedenen
       gerade in der Wirtschaft zu bedienen, die lieber heute als morgen den
       Lockdown beendet sehen wollen – koste es, was es wolle.
       
       Man müsse halt [3][„eine gewisse Sterblichkeit hinnehmen, um dauerhaft zur
       Normalität zurückkehren zu können“], formulierte das in dieser Woche
       unverblümt Michael Hüther, der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der
       deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Hüther gehört dem von Laschet
       einberufenen Expert:innenrat Corona in NRW an.
       
       Seit knapp einem Monat ist Armin Laschet nun Vorsitzender der CDU. Die
       Zweifel an seinen politischen Fähigkeiten sind seitdem nicht geschwunden.
       Die Vorstellung, er könnte demnächst die Regierungsverantwortung in Berlin
       übernehmen, beunruhigt. Mit seinen jüngsten Äußerungen erinnert er an sein
       unglückliches Agieren während der ersten Coronawelle im Frühjahr
       vergangenen Jahres.
       
       Unvergessen ist sein peinlicher Auftritt bei „Anne Will“ im April 2020, als
       er aufgebracht behauptete, die Virolog:innen würden „alle paar Tage
       ihre Meinung ändern“, weswegen „wir in der Politik dagegenhalten“ müssten.
       Seitdem hat Laschet ein ernstes Imageproblem. Zu Recht.
       
       Nach eigener Aussage will Laschet zwischen Ostern und Pfingsten mit Söder
       klären, wer die Union in den Wahlkampf führen wird. Zum gegenwärtigen
       Zeitpunkt erscheint es mehr als unwahrscheinlich, dass der CDU-Vorsitzende
       dem Beispiel Angela Merkels von 2002 folgen und dem CSU-Chef die
       Kanzlerkandidatur anbieten wird. Schließlich ging es Laschet mit seinem
       Griff nach der Parteiführung darum, nach der Bundestagswahl die Nachfolge
       von Merkel anzutreten.
       
       Allerdings sollten ihm seine schlechten Beliebtheitswerte ernsthaft zu
       denken geben. Denn sie weisen auf ein Problem hin, das der Union noch
       schwer zu schaffen machen dürfte.
       
       19 Feb 2021
       
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