# taz.de -- Bauernproteste in Berlin: Klöckner gegen „völkische“ Fahne
       
       > Die Agrarministerin kritisiert, dass Bauern die Fahne einer gewalttätigen
       > Bewegung benutzen. Ein Veranstalter kooperiert mit einem Rechtsradikalen.
       
 (IMG) Bild: Ein Traktor mit den umstrittenen Fahnen des Landvolkes auf dem Bauernprotest in Berlin
       
       Berlin taz | Bundesagrarministerin Julia Klöckner hat Teilnehmern der seit
       Dienstag laufenden Bauern-Demonstration in Berlin vorgeworfen, eine
       rechtsradikale Fahne zu benutzen. „[1][Pflug und Schwert] stand für eine
       völkisch-nationalistische Bewegung, die nicht vor Gewalt zurückschreckte“,
       sagte die CDU-Politikerin den Landwirten, die vor ihrem Ministerium auch
       das Symbol einer gewalttätigen Bauernbewegung aus den 1920er Jahren
       zeigten. Die laut Polizei am Donnerstag rund 150 Landwirte demonstrieren
       für höhere Lebensmittelpreise und gegen Umweltvorschriften. Das Zeichen
       taucht auch bei anderen Bauernprotesten neuerdings häufig auf.
       
       Klöckner ging schon am Mittwochnachmittag auf die Teilnehmer zu. Sie komme
       gerade aus der Gedenkstunde des Bundestags für die Opfer des
       Nationalsozialismus, sagte sie laut einer Audioaufzeichnung, die das
       Ministerium der taz schickte. Damals seien Menschen ausgegrenzt worden
       „aufgrund von völkischem Denken“. Deshalb mache ihr „sehr große Sorge“,
       dass die Demonstranten die Fahne mit Pflug und Schwert führten. „Sie sind
       nicht so[lche] Leute, aber das macht es halt schwierig, mit seinen
       Botschaften durchzudringen, wenn man mit solchen Fahnen unterwegs ist“,
       warnte sie.
       
       Während der Weimarer Republik organisierten sich in Schleswig-Holstein in
       der Landvolk-Bewegung Bauern, die wegen einer hohen Verschuldung in Not
       geraten waren. Sie verübte mehrere Bombenanschläge auf Landrats- und
       Finanzämter und auf Privathäuser einzelner Regierungsbeamter. Viele der
       Landvolkakteure traten früh der NSDAP bei. Der Historiker Christian M.
       Sörensen schreibt, die Bewegung habe mit ihrem Kampf gegen das „System“ die
       Abkehr von den bisherigen Parteien verstärkt, die Bauern für politische
       Betätigung mobilisiert und so „– ungewollt – den NSDAP-Aufstieg gefördert“.
       Die Geschichtswissenschaftlerin Heidrun Edelmann attestierte im
       [2][Bauernblatt Schleswig-Holstein] Claus Heim, einem der wichtigsten
       Landvolkführer, „völkische, nationalistische und antisemitische
       Denkansätze“.
       
       „Selbst ohne den historischen Hintergrund, der allen Abwiegelungen zum
       Trotz auch von Gewalt und der Nähe zu Antisemitismus, Ständetum und
       Nationalsozialismus geprägt war: Was, bitteschön, soll ein blutrotes
       Schwert denn vermitteln?“, fragte das Fachblatt [3][agrarheute] vergangenen
       September. „Dass die Landwirtschaft wieder zurück in die Mitte unserer
       Gesellschaft möchte? Wohl kaum.“
       
       ## „Ich selber wähle links“
       
       Kritisiert wurde auch, dass eine stundenlange Diskussion zwischen Klöckner
       und Demonstranten am Mittwochabend von einem Youtuber übertragen wurde, der
       sonst vor allem „Querdenker“-Demonstrationen und Veranstaltungen mit dem
       thüringischen AfD-Chef Björn Höcke gesendet hat. Einer der Organisatoren
       der Bauerndemo, Alf Schmidt, sagte der taz, der Livestreamer habe sich
       spontan angeboten.
       
       „Wir haben ihn vor Ort vom BKA [Bundeskriminalamt] überprüfen lassen. Gegen
       ihn liegt nichts vor“, so Schmidt. Der Mann habe inzwischen der AfD
       „abgeschworen“. „Die Fahne ist vom Verfassungsschutz genehmigt worden“,
       sagte Schmidt weiter. Auf Klöckners Einwand, dass die Landvolkbewegung
       gewalttätig gewesen sei, antwortete er, Vorläufer heutiger Parteien hätten
       doch Hitler gewählt. Schmidt verwahrte sich dagegen, „in die rechte Ecke
       gestellt zu werden“: „Ich selber wähle links“, sagte er.
       
       Die unter anderem von der Bewegung „Land schafft Verbindung – Das Original“
       organisierten Proteste entgleisten zunehmend „und rutschen gefährlich ab in
       nationalistische Motive und Worte“, kritisierte Martin Häusling,
       agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament. In ihrem
       [4][Aufruf] verlangte die Bewegung, „die Versorgung der Bevölkerung zu
       mindestens 80 Prozent bei Fleisch, Milch und Getreide aus deutscher
       Urproduktion zu gewährleisten“. Dabei sei Deutschland bei einigen der
       wichtigsten Lebensmitteln Exportweltmeister, beispielsweise bei Fleisch
       oder Milch, so Häusling.
       
       ## Methoden rechtsextremer Kreise?
       
       „Land schafft Verbindung“ erwecke den Eindruck, dass aus Nachbarstaaten
       nach Deutschland eingeführte Lebensmittel nicht den hiesigen Standards
       entsprächen. „Es gibt keinen deutschen Standard, sondern einen
       europäischen, der für alle Mitgliedsländer gilt“, entgegnete der Grüne.
       Einige Anführer der Protestler säeten Zwietracht und bedienten sich
       Methoden, die denen von „rechtsextremen Kreisen sehr nahekommen.“
       
       Auch vor dem Umweltministerium in Berlin demonstrierten die Bauern. „Die
       Proteste enthalten andere Botschaften als noch vor einem Jahr. Es geht
       nicht mehr nur um angeblich zu hohe Umweltstandards, sondern auch um
       Herkunftskennzeichnung, die Stärkung der Landwirte in der Lieferkette,
       Tiefpreise bzw. die Verantwortung des Handels“, teilte ein Sprecher von
       Ministerin Svenja Schulze (SPD) der taz mit. Das Ministerium sei schon
       lange der Auffassung, dass die auf Billigproduktion und Konkurrenzfähigkeit
       auf dem Weltmarkt ausgerichtete verfehlte Agrarpolitik die entscheidende
       Ursache für die wirtschaftliche Misere vieler Betriebe sei. „Bei einigen
       Forderungen wie Mindestquoten für deutsche Lebensmittel wird das Rad aber
       überdreht: Man soll und kann den Leuten nicht vorschreiben, dass sie
       anstatt Parma- nur noch deutschen Schinken essen dürfen.“
       
       ## Demos sollen weitergehen
       
       Der Sprecher kritisierte, dass die Demonstranten nicht die Empfehlungen der
       Borchert-Kommission des Agrarministeriums zum Umbau der Tierhaltung und die
       Zukunftskommission Landwirtschaft der Bundeskanzlerin aufgreifen würden.
       Deshalb „wirken die Proteste etwas aus der Zeit gefallen“. Die
       Borchert-Kommission hatte eine Abgabe auf Fleisch vorgeschlagen, mit der
       Landwirte ihre Ställe so umbauen sollen, dass sie tierfreundlicher sind.
       
       Die Demonstrationen in Berlin sollten weitergehen, sagte Veranstalter
       Schmidt. Er wolle nun Anträge bei der Veranstaltungsbehörde für die
       nächsten vier Wochen stellen.
       
       28 Jan 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Bauernprotest-in-Schleswig-Holstein/!5689633
 (DIR) [2] https://www.bauernblatt.com/startseite.html
 (DIR) [3] https://www.agrarheute.com/land-leben/gruenen-kreuzen-schwarzen-fahnen-572963
 (DIR) [4] http://xn--die%20Versorgung%20der%20Bevlkerung%20zu%20mindestens%2080%20Prozent%20bei%20Fleisch,%20Milch%20und%20Getreide%20aus%20deutscher%20Urproduktion%20zu%20gewhrleisten-4yk07rq229p3da.
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jost Maurin
       
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