# taz.de -- Quote für Nahrungsmittel aus dem Inland: Nationalistisch essen in Tschechien
       
       > Das Abgeordnetenhaus in Prag hat einen Mindestanteil inländischer
       > Lebensmittel am Sortiment beschlossen. Könnte das ein Vorbild für
       > Deutschland sein?
       
 (IMG) Bild: Ab 2022 sollen auch Geschäfte in Tschechien einen Mindestanteil inländischer Lebensmittel verkaufen
       
       Prag/Berlin taz | Tschechiens Landwirtschaftsminister Miroslav Toman würde
       gerne bestimmen, was auf den Teller kommt: „Kauft böhmische, mährische und
       schlesische Lebensmittel“, forderte er in einer Parlamentsdebatte. Der
       Sozialdemokrat erweist sich damit als eifriger Unterstützer eines
       Gesetzesvorschlags von rechtsaußen. Die nationalpopulistische „Partei der
       direkten Demokratie“ hat am vergangenen Mittwoch im Prager Abgeordnetenhaus
       eine Quote für tschechische Lebensmittel durchgesetzt.
       
       Ab 2022 sollen alle Geschäfte ab 400 Quadratmeter sich verpflichten,
       mindestens 55 Prozent Lebensmittel aus heimischer Produktion zu verkaufen.
       2028 soll die Quote auf 73 Prozent angehoben werden. „Lasst uns etwas
       nationalistisch sein, was Lebensmittel aus der tschechischen
       [1][Landwirtschaft] und aus unserem Land betrifft“, sagte Toman.
       
       Dafür müssten die VerbraucherInnen tiefer in die Tasche greifen. „Ohne
       Konkurrenz aus dem Ausland können wir mit einem sprunghaften Preisanstieg
       um etwa 15 Prozent rechnen“, warnte der Präsident des tschechischen
       Einzelhandelsverbands, Tomáš Prouza. Bananen sollte es zwar weiterhin zu
       kaufen geben; die Quote soll nur für etwa 150 Lebensmittelarten gelten, die
       traditionell in Tschechien erzeugt werden. Blumenkohl, Zwiebeln, Knoblauch
       oder Kartoffeln könnten jedoch bald zur Mangelware werden, denn auch hier
       ist Tschechien von Importen abhängig.
       
       Der tschechische Senat hat als zweite Parlamentskammer schon angekündigt,
       das Gesetz zu kippen. „Das Gesetz wird an einer Reihe von Barrieren
       scheitern, angefangen beim Senat bis hin zum Gericht in Luxemburg“, sagte
       Markéta Pitrová, EU-Expertin der Brünner Masaryk-Universität, über die
       geplante Quote. Mit seinem Ja zur Quote habe das Abgeordnetenhaus die
       Gegenseitigkeit des EU-Binnenmarktes abgelehnt und indirekt erklärt, „dass
       wir im Rahmen der EU-Mitgliedschaft nur das akzeptieren, was für uns von
       Vorteil ist“, kritisierte Pitrová.
       
       Laut einem Bericht des tschechischen Rundfunks warnte die EU-Kommission das
       Land im vergangenen Jahr schon zwei Mal vor der Einführung einer
       Lebensmittelquote. „Der freie Verkehr von landwirtschaftlichen Produkten
       auf dem gemeinsamen Markt ist grundlegend für die Erhaltung der
       Lebensmittelsicherheit innerhalb der Union, lokale Einschränkungen
       jeglicher Art sind kontraproduktiv“, kommentierte die Kommission den
       protektionistischen Alleingangsversuch.
       
       Selbst in böhmischen Dörfern steht man dem Vorschlag kritisch gegenüber.
       Denn nicht die kleinen Bauern des Landes würden profitieren – sondern
       wenige große Agglomerate, die die tschechische Landwirtschaft im
       Kolchosestil bestimmen. Ganz oben mit dabei ist die Agrofert-Holding von
       Ministerpräsident Andrej Babiš und das Firmenimperium von
       Landwirtschaftsminister Toman.
       
       ## Deutscher Bauernverband gegen Quote
       
       Der [2][Aufruf zu einer Demonstration] von Bauern für höhere Erzeugerpreise
       und gegen Umweltvorschriften am Dienstag in Berlin fordert, „die Versorgung
       der Bevölkerung zu mindestens 80 Prozent bei Fleisch, Milch und Getreide
       aus deutscher Urproduktion zu gewährleisten“. Eine gesetzliche Quote wie in
       Tschechien lehnte der Deutsche Bauernverband, der die meisten der rund
       260.000 Landwirte organisiert, aber ab. „Hier beträgt die Quote der
       Binnenmarkt-Unverträglichkeit fast 100 Prozent“, schrieb Generalsekretär
       Bernhard Krüsken der taz. Stattdessen verlange man eine verpflichtende
       Herkunftskennzeichnung.
       
       Kritik kommt auch von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft.
       „Es macht überhaupt keinen Sinn, die Lebensmittelqualität an den Grenzen
       der Mitgliedstaaten festzumachen. Wir dürfen uns auch in Deutschland nicht
       auf solch eine Diskussion einlassen“, teilte die stellvertretende
       Bundesvorsitzende Lucia Heigl mit. „Die Regionalität ist doch viel mehr
       gegeben, wenn die Milch im benachbarten Tschechien erzeugt wurde, statt im
       1.000 Kilometer entfernten Norddeutschland.“
       
       26 Jan 2021
       
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