# taz.de -- Bauernprotest in Schleswig-Holstein: Symbol von Naziwegbereitern
       
       > Hunderte Bauern formen mit ihren Traktoren Zeichen der
       > „Landvolk“-Bewegung. Die verübte in den Zwanzigern Anschläge und wurde
       > von der NSDAP vereinnahmt.
       
 (IMG) Bild: Bauern-Protest: Eklat um Symbol
       
       Berlin taz | In Schleswig-Holstein haben Hunderte Bauern mit Treckern das
       Symbol einer gewalttätigen Bewegung aus den 1920er Jahren nachgestellt, von
       der die NSDAP profitierte. Sie stellten ihre Traktoren am Donnerstagabend
       Lokalmedien zufolge im nordfriesischen Oldenswort so auf, dass aus der Luft
       ein riesiger [1][Pflug und ein Schwert] zu erkennen war. Es handele sich um
       das Zeichen der „Landvolk“-Bewegung in der Weimarer Republik, sagte
       Organisator Jann-Henning Dircks in einem Internet-Video.
       
       Der Landwirt berief sich auf diese Gruppierung, „weil auch damals unsere
       Vorfahren nur von vorne bis hinten [2][gegängelt wurden], nicht mehr
       weiterwussten“. Facebook-Beiträge aus dem Umfeld der aktuellen Gruppe
       richten sich zum Beispiel gegen Auflagen zum Umwelt- und Tierschutz, die
       Bauern wirtschaftlich unter Druck setzten. Dircks und weitere Mitstreiter
       haben am Montag in Berlin Mahnwachen begonnen, um auf die Lage der Bauern
       aufmerksam zu machen.
       
       Die [3][Grünen in Nordfriesland] bezeichneten die schleswig-holsteinische
       Landvolkbewegung als „eine antisemitische und völkische Bewegung, die in
       Schleswig-Holstein den Grundstein für den Durchbruch der
       Nationalsozialisten gelegt hat“. In den Hochburgen der Bewegung habe die
       NSDAP bereits bei den Reichstagswahlen 1928 weit überdurchschnittliche
       Wahlergebnisse erzielt. „Die Übergänge zwischen Landvolkbewegung und NSDAP
       waren fließend, viele Landvolk-Akteure waren 1928 schon Mitglied der
       NSDAP.“ Teile der Bewegung damals hätten mehrere Bombenanschläge auf
       Landrats- und Finanzämter in Norddeutschland verübt. Auch in den
       Privathäusern von Beamten seien Bomben deponiert worden. „Es ist nicht
       hinnehmbar, dass heute hier bei uns in Nordfriesland das Symbol einer
       terroristischen Gruppe, die den Nationalsozialisten mindestens sehr nahe
       stand, für eine bislang friedliche Protestbewegung genutzt wird“, so Peter
       Schröder, Sprecher des Grünen-Kreisverbands.
       
       Dircks bestritt daraufhin [4][in einem Video], dass die wichtigsten
       Anführer der damaligen Bewegung, Claus Heim und Wilhelm Hamkens,
       rechtsextrem gewesen seien. Zudem distanzierte er sich „von jeden radikalen
       Sachen und Gedankengut“.
       
       ## Bauernschaft spaltet sich weiter
       
       Georg Janßen, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche
       Landwirtschaft, der als Agrarstudent Zeitzeugengespräche mit Heim geführt
       hatte, sagte der taz jedoch: „Die Landvolk-Bewegung war nicht von
       vornherein die Landtruppe der NSDAP.“ Die Bauern hätten sich gegen Steuern
       und Zwangsversteigerungen gewehrt. „Aber es gab massive Einflussnahmen
       seitens der Nazis. Sie schafften es, die Bewegung politisch aufzuspalten
       und zu vereinnahmen.“ Die meisten Landvolk-Leute hätten später die NSDAP
       unterstützt. Der Historiker Christian M. Sörensen schreibt, die Bewegung
       habe mit ihrem Kampf gegen das „System“ die Abkehr von den bisherigen
       Parteien verstärkt, die Bauern für politische Betätigung mobilisiert und so
       „– ungewollt – den NSDAP-Aufstieg gefördert“. Janßen kritisierte deshalb
       den Treckeraufmarsch mit dem Landvolksymbol: „Es ist politisch
       unverzeihlich, so ein Aktionsbild zu wählen“.
       
       Auch der [5][Bauernverband Schleswig-Holstein] und die Organisation „Land
       schafft Verbindung Deutschland“ (LSV) verurteilten die Aktion. Das zeigt,
       dass sich die Bauernschaft weiter spaltet und ein Teil radikalisiert. Denn
       bisher war es LSV gelungen, Zehntausende Landwirte zu Demonstrationen gegen
       Umweltauflagen zu mobilisieren und den Bauern eine Stimme zu geben, denen
       die Positionen und die Rhetorik des Bauernverbands zu lasch sind. Die
       letzten LSV-Aktionen waren aber bedeutend kleiner.
       
       15 Jun 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.shz.de/lokales/husumer-nachrichten/spektakulaere-aktion-mit-400-traktoren-bauern-leiten-protestwoche-in-berlin-ein-id28623262.html
 (DIR) [2] https://www.facebook.com/unserLandleben/videos/262009338445459/
 (DIR) [3] https://www.gruene-nf.de/news/article/pressemitteilung_gruene_kritisieren_bauernproteste_scharf/
 (DIR) [4] https://www.facebook.com/unserLandleben/videos/1031489510599802/
 (DIR) [5] https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Bauern-protestieren-mit-vorbelastetem-Symbol,bauernproteste140.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jost Maurin
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Landwirtschaft
 (DIR) Tierschutz
 (DIR) Weimarer Republik
 (DIR) Landwirtschaft
 (DIR) Tierschutz
 (DIR) Landwirtschaft
 (DIR) Schwerpunkt Landtagswahlen
 (DIR) Mercosur
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Bauernproteste in Berlin: Klöckner gegen „völkische“ Fahne
       
       Die Agrarministerin kritisiert, dass Bauern die Fahne einer gewalttätigen
       Bewegung benutzen. Ein Veranstalter kooperiert mit einem Rechtsradikalen.
       
 (DIR) Jann-Henning Dircks unter Verdacht: Gegen den Wutbauern wird ermittelt
       
       Weil er zu drastischen Maßnahmen gegen Tierschützer aufgerufen hat, laufen
       nun Ermittlungen gegen einen Eiderstedter Bauernfunktionär.
       
 (DIR) Nach Äußerungen zur AfD: Bauernführerin tritt zurück
       
       Die Niedersachsen-Vertreterin der Protestbewegung „Land schafft Verbindung“
       geht. Sie wollte sich zunächst nicht von der AfD abgrenzen.
       
 (DIR) Proteste der Landwirte in Thüringen: AfD-Trecker beim Bauernverband
       
       Bei einer Demo des Bauernverbands fährt ein Trecker mit AfD-Plakaten auf.
       Der Verband distanziert sich erst Stunden später und erst nach
       Aufforderung.
       
 (DIR) Große Bauernproteste auf AfD-Linie: Die dicksten Kartoffeln
       
       Bald wollen so viele Bauern wie lange nicht demonstrieren. Angeblich
       unabhängig, sind sie teils vom Bauernverband gesteuert – und AfD-nah.