# taz.de -- Revitalisierung schrumpfender Städte: Auferstehen aus Ruinen
       
       > Leerstand, zerfallende Häuser, schwindende Bevölkerung: Zeitz gilt als
       > Wendeverlierer. Trotzdem zieht es Kreative dorthin. Was treibt sie an?
       
 (IMG) Bild: Zerfall in Zeitz: Häuserzeile in der Innenstadt
       
       Wenn Petra Mattheis und Sascha Nau über [1][Zeitz] reden, dann sind ihre
       Mundwinkel leicht angehoben. Ein stetiges Lächeln, Begeisterung in ihren
       Blicken, eine Vorfreude auf das, was kommen wird. In wenigen Monaten soll
       es soweit sein. Sie werden nach Zeitz ziehen, in ein altes
       Mehrfamilienhaus, das sie kürzlich gekauft haben und nun sanieren lassen.
       Mattheis, Künstlerin und Fotografin, und Nau, Kommunikationsdesigner und
       Fotograf, schwärmen von der Stadt, die vor allem als sachsen-anhaltische
       Geisterstadt und Wendeverlierer gilt.
       
       Zeitz, knapp 33.000 Einwohner:innen, davon mehr als 60 Prozent über 65
       Jahre alt, ist ein leerer Ort. Laut einem Demografiebericht der Stadt ging
       die relative Bevölkerungsentwicklung seit 2011 um 7,3 Prozent zurück. Bis
       2030 wird ein Rückgang von 24,2 Prozent erwartet. Es gibt mehr als doppelt
       so viele Sterbefälle wie Geburten, Tendenz steigend. Der Leerstand von
       Gebäuden beträgt 23 Prozent.
       
       Doch nicht nur die Bevölkerung schrumpft, auch Straßen, Gebäude und
       Infrastruktur wirken verlassen. Immer wieder stößt man auf vernachlässigte
       Orte, was Zeitz den wenig schmeichelhaften Beinamen „Geisterstadt“
       eingebracht hat. Da ist eine verlassene Ruine, die an der Hauptstraße
       steht. Das Dach ist eingestürzt, der ehemalige Altarraum ist heute nur noch
       ein Ort für Tauben und Graffiti. Vergessen scheint die 1891 gebaute Kirche,
       die das einmal war.
       
       Eine ältere Dame, die gerade ihren Apothekeneinkauf beendet hat, sagt, man
       solle doch mehr Positives über die Stadt berichten. Ihr ganzes Leben hat
       sie in Zeitz verbracht und meint, es gebe viel mehr hier als nur
       zerfallende Häuser. Kultur zum Beispiel, sagt die Frau und deutet auf das
       ehemalige [2][Franziskanerkloster], das heute als Konzertkirche dient. Es
       ist eines von insgesamt drei Klöstern in Zeitz, und immerhin: Hier predigte
       schon Martin Luther.
       
       ## Von der Industriestadt zur Problemgemeinde
       
       Ein paar Senior:innen schlendern durch die Gassen, einige wenige Menschen
       erledigen Alltagseinkäufe. Viele Läden sind dauerhaft geschlossen. Auch vor
       der Pandemie sah man hier kaum Tourist:innen. Dabei hat Zeitz einen Dom,
       mehrere imposante Kirchen, ein historisches Theater. Viermal täglich
       erklingt ein Glockenspiel mit wechselnden Melodien. Eigentlich könnte Zeitz
       ein schöner Ort sein, eine geschichtsträchtige Stadt. Eigentlich.
       
       Einst war Zeitz eine aufstrebende Industriestadt in der DDR. Braunkohle,
       Holzwaren, Metallverarbeitung und Lebensmittelfabriken brachten der Stadt
       Wachstum und viele Arbeitsplätze. Das Unternehmen von [3][Ernst Albert
       Naethe]r hatte hier einst die größte Fabrik Europas zur Produktion von
       Kinderwagen eröffnet. In der DDR belieferte der „volkseigene Betrieb“ unter
       dem Namen Zeitzer Kinderwagenindustrie (Zekiwa) die gesamte Sowjetunion.
       
       Davon ist heute nichts mehr zu sehen. Übrig geblieben war von der Fabrik
       zuletzt nur eine Industrieruine, einige alte Backsteingebäude, in denen
       Produktionsreste auf den Teppichböden verstaubten und Bauanleitungen
       vergilbten. Ein Gelände, das [4][Oberbürgermeister Christian Thieme] als
       „Schandfleck“ bezeichnete und 2016 mit Mitteln aus dem Hochwasserfonds
       größtenteils abreißen ließ.
       
       Die Geschichte der Kinderwagenfabrik steht exemplarisch für den Niedergang
       der ehemaligen Industriehochburg: 1996 wurde Zekiwa liquidiert, die
       Produktion ins Ausland verlagert, der Firmensitz in das nahe gelegene
       Döschwitz. Heute stehen die Kinderwagen zwar immer noch in
       Babyausstattungsläden, aber sie stammen schon lange nicht mehr aus Zeitzer
       Produktion.
       
       ## Von der Metropole in die Kleinstadt
       
       Was wollen Menschen wie Mattheis und Nau also hier? „Alles Mögliche“, sagt
       Mattheis und lächelt. Wenn sie, mit einem kaum merkbaren Rest
       rheinhessischen Dialekts, über Zeitz spricht, dann klingt es, als hätte sie
       dort ihr Refugium gefunden.
       
       Noch arbeiten die beiden in Leipzig. Ihr Büro liegt an einer hippen Straße.
       Von hier haben Nau und Mattheis schon den „Wunderwesten“ koordiniert, ein
       Dokumentationsprojekt, mit dem sie den Stadtwandel fotografisch festhalten:
       leer stehende Industriehallen, sanierungsbedürftige Denkmäler. Alte Gebäude
       faszinieren die beiden.
       
       Es ist ein hübscher Ort an einer guten Adresse. Hohe Decken, in einem
       großen Regal liegen Fotoausrüstung und diverses Material, von Acryltuben
       bis zu Stempeln. Vor einer schwarz gestrichenen Wand hängt ein Regal, auf
       dem Fotobände und Broschüren ausgestellt sind. Auf dem langen weißen Tisch
       stehen vier Kerzen in einem Kerzenhalter, drei weiß, eine rosa. Auf Design
       wird hier offensichtlich Wert gelegt.
       
       Warum wollen sie hier weg? „Hier in Leipzig ist alles auf Zeit“, sagt
       Mattheis. „Es lässt sich nicht mehr langfristig gestalten.“ In Zeitz
       hingegen, davon sind sie überzeugt, lasse sich noch viel machen. Nicht, und
       das ist beiden wichtig zu betonen, weil sie glauben, dass das der nächste
       Boomort wird, sondern weil es dort noch so viel ungenutzte Fläche gibt.
       Ein leeres Haus oder ein Raum, der noch nicht definiert sei, setze in ihrem
       Kopf viel in Gang.
       
       Mattheis und Nau haben Ideen. Eine Kellerfenstergalerie zum Beispiel. Sie
       wollen die Gartenflächen ihres und des Nachbarhauses zusammenlegen und
       einen Ort der Gemeinschaft schaffen. „Kollektiv, aber mit Rückzugsraum“, so
       ihre Vision. Mattheis und Nau haben ihrem Projekt den Namen
       „Freiraumgeister“ gegeben – in Anlehnung daran, dass Zeitz als Geisterstadt
       verschrien ist.
       
       Es sind Ideen, die man in Leipzig nicht mehr ohne Weiteres verwirklichen
       kann. Zu eng der Raum, zu stark schwindend die Flächen, zu hoch die Mieten.
       „Gentrifizierung“ ist ein Wort, das hier schon seit einigen Jahren
       großgeschrieben wird, spätestens seit die New York Times Leipzig vor sechs
       Jahren zu „Hypezig“ erklärte.
       
       ## 28 Minuten bis Leipzig
       
       Achtundzwanzig Minuten braucht die S-Bahn aus Leipzig-Plagwitz bis nach
       Zeitz. Achtundzwanzig Minuten. Menschen, die in der Kleinstadt leben, sagen
       das immer wieder. So als wolle man denjenigen, die sich entscheiden,
       hierher in die Provinz zu ziehen, sagen: Und wenn dir mal die Decke auf den
       Kopf fällt, dann bist du ganz schnell wieder in der Großstadt.
       
       Thomas Haberkorn ist einer von denen, die die Nähe zu Leipzig betonen. Auch
       weil er selbst lange dort gewohnt hat und viele seiner Freund:innen noch
       immer dort leben. Der Kulturmanager, runde Brille, Schiebermütze und
       kantiges Gesicht, ist in Zeitz geboren. 2002 zog er zum Studieren nach
       Leipzig – zehn Jahre später ging er wieder zurück in die Kleinstadt. Warum?
       „Weil ich Leerstand als eine Chance begreife.“
       
       In einer Straße, die in Fernsehbeiträgen gern als der Schandfleck der Stadt
       skizziert wird, hat Haberkorn sein „Laden.Lokal“. Das Kunsthaus ist ein Ort
       für alternative Kultur und politischen Austausch. Unten, in dem großen Raum
       mit den hohen Decken und den Bogenfenstern, dem Kamin und den Sofas, öffnet
       Haberkorn einmal monatlich die Türen zu seinem Projekt. Auf den
       Fensterbänken stapeln sich alte DDR-Bücher aus Zeiten, als das Haus noch
       eine Bibliothek beherbergte. Auf einem Tisch liegen Broschüren, ein kleines
       Bild zeigt Kritzeleien von Menschen, die die Arme in die Höhe strecken,
       daneben steht: „Wann, wenn nicht jetzt. Wo, wenn nicht hier. Wer, wenn
       nicht wir.“
       
       Knarzende Holzdielen, doppelt verglaste Jugendstilfenster und bröckelnder
       Ostputz – schon lange hat es hier keine Sanierung mehr gegeben. In der
       oberen Etage gibt es Ateliers für Künstler:innen und Kulturschaffende.
       Häufig kommen Menschen aus Leipzig, aber auch aus anderen Städten hierher.
       
       Haberkorn sagt, der Ort sei bewusst gewählt, um ein Zeichen in dieser
       „Hassstraße von Zeitz“ zu setzen. Es werde viel Schlechtes berichtet, von
       Crystal und anderen Drogen, von Beschaffungskriminalität und sozial
       Abgehängten. Dieser Erzählung wolle er etwas entgegensetzen. Sein erklärtes
       Ziel ist es, die Stadt wieder zu beleben, mit den Bürger:innen in einen
       Dialog zu kommen. In dem Ladenlokal versucht er das mit drei Bausteinen:
       dem Lokal selbst, einem Netzwerk und einem runden Tisch, an dem
       verschiedene Akteure zusammenkommen und sich über Bedürfnisse und Probleme
       in der Stadt austauschen, wenn die Pandemie nicht gerade Zusammenkünfte
       unmöglich macht.
       
       Festivals, Ausstellungen, Partys und Konzerte: Zeitz hat die Räume, die in
       dem großen Leipzig langsam knapp werden. Vor dem Projekt in der Zeitzer
       Innenstadt hat Haberkorn ein anderes Projekt gegründet. Zu einer Zeit, als
       „Leipzig langsam cool wurde“ und zu der noch niemand nach Zeitz gewollt
       habe, wie Haberkorn sagt, bekam die Gruppe die Möglichkeit, ein altes
       Benediktinerkloster zu beleben.
       
       ## Neues Leben im Benediktinerkloster Posa
       
       Etwas außerhalb der Stadt, über einen Schotterweg durch kahle Weinreben
       hindurch, vorbei an kleinen Bauernbetrieben und der letzten Bushaltestelle
       vor der Landstraße, erreicht man [5][Kloster Posa]. Ein weitläufiges
       Gelände, alte Scheunen, in denen Stroh und Gummistiefel liegen und an deren
       Wänden getrocknete Blumen aufgehängt sind. Einige Fahrräder und Autos
       stehen auf dem Hof, ein altes Leuchtreklameschild aus DDR-Zeiten lehnt an
       der großen Scheune.
       
       Hier, ein paar hundert Meter über der Stadt, auf dem „historischen
       Weinberg“, liegt das, was früher einmal das alte Benediktinerkloster Posa
       war. Von der ursprünglichen Klosteranlage sind nur noch ein paar Steine und
       ein Turm geblieben. Der Rest ist dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen.
       
       Vor hunderten Jahren war das Kloster ein wichtiger Kirchenort. Dann wurde
       es im Zuge der Reformation in einen Bauernhof umgebaut. Heute finden hier,
       zwischen Trampolin, Hängematte, Weinreben und Bauwagen,
       Kulturveranstaltungen statt: Lichtinstallationen, Kunsttage, Yoga Retreats
       oder Sommerfeste. Sechzehn junge Menschen wohnen hier, die den Verein
       „Kultur und Bildungsstätte Kloster Posa“ gegründet haben.
       
       Aber, und das betont Haberkorn stolz, der Ort sei nicht nur für die Jungen
       von außerhalb attraktiv; auch ältere Zeitzer:innen kommen zum Kloster Posa.
       Zu einem Bauernhofkonzert mit Orchester zum Beispiel, oder zum
       Stadtgartenfest. Man habe die Senior:innen „auf dem Radar“.
       
       Fragt man die ältere Dame aus der Zeitzer Innenstadt nach den
       Kulturschaffenden, findet sie es „großartig“, dass etwas passiere. Die
       jungen Leute würden viel auf die Beine stellen, auch sie selbst gehe zu dem
       ein oder anderen Konzert.
       
       Das Gelände hat der Verein von der Stadt gepachtet. Haberkorn sagt, das sei
       für beide eine „Win-win-Situation“. Der Ort werde einerseits gepflegt und
       erhalten und die Kulturschaffenden hätten andererseits einen Platz
       gefunden, dem es an Ruhe und Schönheit nicht mangelt. Doch manchmal, wie es
       sich für ein Verhältnis zwischen Mieter:innen und Vermieter:innen gehört,
       gibt es Streit. So wie bei der Renovierung der Zufahrtsstraße, die mehr
       kostet, als die Stadt zahlen will.
       
       ## Der arme Bürgermeister
       
       „Wir haben hier ja auch kein Geld“, verteidigt sich Oberbürgermeister
       Christian Thieme. Die Stadt versuche, Kloster Posa so gut es gehe zu
       unterstützen, schließlich sei es „furchtbar romantisch und hübsch“. Die
       Mittel aber seien begrenzt.
       
       Zeitz, sagt Thieme, stehe symbolisch für die Folgen des Strukturbruchs nach
       der Wende: Wohnungsleerstand, Deindustrialisierung, Wegzug der Bevölkerung.
       Der Oberbürgermeister – nach hinten gekämmtes Haar, runde Brille, blau-weiß
       kariertes Hemd, rotes Seidentuch in der grau-braunen Sakkotasche – hat sich
       zum Ziel gesetzt, die Stadt wieder in ein besseres Licht zu rücken. Fragt
       man Thieme, was seine Vision von der Stadt sei, sagt er, er wolle sie „in
       die Zukunft bringen“.
       
       Was das genau bedeutet, ist nicht ganz klar. Thieme spricht von Wirtschaft,
       von Strukturwandel, von der kreativen Szene, die die Stadt voranbringe, von
       den Freiräumen und Europas größter Bioethanolanlage bei Südzucker. Seine
       Worte sind viele Mosaiksteinchen, die jedoch kaum ein Gesamtbild ergeben.
       In dem großen Bürgermeisterbüro, in der die hölzerne Standuhr zur vollen
       Stunde hämmernd schlägt, spielt Thieme nervös an seinem Ehering herum, wenn
       er spricht, und wirkt dabei ein kleines bisschen fehl am Platz.
       
       Thieme wurde in Hamburg geboren und arbeitete dort als Rechtsanwalt, bis er
       vor gut vier Jahren mit satten 58 Prozent der Stimmen die Wahl zum
       Oberbürgermeister von Zeitz gewann. Gefragt, warum er sich in dieser Stadt
       hat aufstellen lassen, in der er nie zuvor gelebt hat, schmunzelt er und
       sagt, er habe ein „glaubwürdiges Interesse.“ Thieme ist kein geborener
       Politiker, aber doch ein Charismatiker, dem man sein Wohlwollen abnimmt.
       
       Er sagt, es gebe seit der Wende eine Urangst in Zeitz: dass alles
       wegbreche. Auch deswegen sei der Strukturwandel eine Herausforderung. Zwei
       Kraftwerke in der Nähe sollen bald vom Netz gehen. Im Kreis arbeiten noch
       1.800 Beschäftigte in der Kohleverstromung.
       
       Thieme setzt in seiner Stadt auf Innovation und hofft auf die Unterstützung
       des Landes. „Es ist Länderinteresse, dass Zeitz zum Musterbeispiel für
       Strukturwandel wird“, sagt er. Zeitz sei immerhin Stadt der Zukunft – und
       der Strukturwandel Wahlkampfthema bei der anstehenden Landtagswahl.
       
       Für Thieme scheint es weniger wichtig zu sein, wie die Stadt Aufwind
       bekommt, sondern dass es passiert. Er sagt, man könne Braunkohle ja „doof
       finden“, aber für die Wirtschaft sei es schon wichtig, dass die Kraftwerke
       nicht sofort abgeschaltet würden. Er lobt Südzucker, das Porschewerk und
       den Kohlekonzern Mibrag. Sie alle würden jetzt in die Zukunft gezwungen,
       und das zeige ja: „Irgendwas passiert hier mit Zukunft.“
       
       Zukunft in Zeitz, darunter stellen sich mitunter nicht alle das Gleiche
       vor. Thieme will Wirtschaftswachstum, Digitalisierung, Aufschwung. Er sagt,
       er sei „heilfroh über jeden, der kommt“. Der Oberbürgermeister lobt die
       Kulturschaffenden, betont den „frischen Wind“, den junge, alternative Leute
       bringen würden. Für Zeitz sei es „gut, dass es aus Leipzig rausdrängt“.
       
       Petra Mattheis und Sascha Nau sehen das anders. Für sie ist Zeitz mehr als
       der Speckgürtel von Leipzig. Kreativwirtschaft, wie sie sich der
       Oberbürgermeister für Zeitz wünscht, betonen beide, sei ein Versprechen,
       das gewisse Leute anlocke. „Der Begriff macht mir aber Sorgen, weil er wie
       ein Sticker auf etwas geklebt wird, ohne dass es darum geht, wie das
       zusammenwächst“, sagt Mattheis. „Natürlich will ich Kunst in Zeitz. Aber
       weil ich Kunst in meinem Leben haben will und nicht, weil ich die
       Kreativwirtschaft ankurbeln will.“
       
       ## Eine alte Fabrik soll zum Schmuckstück werden
       
       Es ändert sich etwas in Zeitz. Der jahrzehntelang zerfallende Bahnhof wird
       saniert, für die Bahnstrecke nach Gera gibt es Geld. Das 1908 errichtete
       Hauptgebäude der ehemaligen Kinderwagenfabrik lässt die Stadt aufwändig
       sanieren. Wenn es nach dem Oberbürgermeister geht, soll das Gebäude bald
       ein Schmuckstück der Stadt werden: für Gewerbetreibende, Geschäfte,
       Restaurants, Kreativwirtschaft und das Stadtarchiv.
       
       Zeitz' ehemaliger Rathauschef war als einer mit Mut zur Lücke bekannt:
       Lieber wegbaggern als sanieren. Aber es gibt diese Gebäude in Zeitz, die
       von Denkmalliebhabern gekauft werden, damit sie nicht für immer verloren
       gehen. Die Alte Nudelfabrik zum Beispiel, ein Industriekomplex, der seit
       kurzem saniert wird. Bald sollen hier Ateliers entstehen.
       
       „Die nächsten Jahre werden entscheiden, wo es mit Zeitz hingeht“, sagt
       Thomas Haberkorn. Von der Stadt wünscht er sich, dass aktives
       Quartiersmanagement gefördert wird. Erhaltenswerte Häuser müssten geschützt
       werden, gleichzeitig aber auch ein Miteinander abseits wirtschaftlicher
       Großprojekte gefördert werden. Entscheidend für die Entwicklung von Zeitz
       wird also sein, ob Orte wie die Nudelfabrik zu Geldanlagen für
       Großinvestoren werden oder tatsächlich für alternative Kultur.
       
       Auch Petra Mattheis hat schon Ideen, was sie in die Stadt geben will, in
       die sie so viel Hoffnung setzt. Ein Begrünungsprojekt mit dem Namen Cisa.
       Die Göttin der fruchtbaren Erde, der Zeitz wohl ihren Namen zu verdanken
       hat. „Die Mutter aller Wesen“, wie Mattheis sagt.
       
       Zeitz, so sind sich die Aktiven einig, muss nicht im Schatten des großen
       Leipzig stehen, „muss nicht hinterherrennen, sondern kann auch
       vorwegrennen“, wie Mattheis sagt. Es gibt in dieser Kleinstadt viel
       Potential, für soziale Projekte, kreative Ideen, eine demokratische
       Stadtgesellschaft. Noch finden sich hier keine Investoren, die
       Luxuswohnungen errichten. Die Möglichkeiten sind da, nun braucht es die
       Leute. Und den Willen der Stadt, mehr als nur die Wirtschaft zu fördern.
       
       7 Jan 2021
       
       ## LINKS
       
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