# taz.de -- Seltsame Strategie der SPD: Opposition gegen sich selbst
       
       > Kurios: Führende SPD-Politiker attackieren die Bundesregierung, in der
       > sie selbst vertreten sind. Konsistente Politik sieht anders aus.
       
 (IMG) Bild: Das Objekt der Begierde: Pfizer-Biontech Covid-19 Impfstoff
       
       Die führende Oppositionspartei startet eine fulminante Attacke auf
       Kanzlerin Angela Merkel und CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn – und erhebt
       schwere Vorwürfe gegen die deutsche Impfstrategie. Ihr Kanzlerkandidat
       überreichte Spahn einen vierseitigen Fragenkatalog, um investigativ
       Schwächen aufzudecken – rein zufällig erfuhr die Bild-Zeitung davon. Und
       ihr Generalsekretär findet es zwar richtig, dass der Impfstoff europäisch
       abgestimmt bestellt wurde, ärgert sich aber darüber, dass Deutschland zu
       wenig Dosen der deutschen (!) Firma abbekommen hat.
       
       Ach ja, das ist vielleicht nicht ganz unwichtig: Die führende
       Oppositionspartei ist in diesem Fall die SPD. [1][Olaf Scholz und Lars
       Klingbeil opponieren] mit ihrer Kritik sozusagen gegen sich selbst,
       schließlich ist die SPD dem Vernehmen nach Teil der Bundesregierung, auch
       wenn sie keine große Lust mehr darauf hat. Die SPD-Minister Scholz und
       Heiko Maas sitzen sogar im so genannten kleinen Corona-Kabinett, der engen
       Runde um die Kanzlerin, die den Kampf gegen die Pandemie koordiniert.
       Inmitten einer Großkrise brechen die Sozialdemokraten also einen Streit
       über im Sommer getroffene Maßnahmen vom Zaun, an denen sie unmittelbar
       beteiligt waren.
       
       Eine solche Absetzbewegung, die vor allem der eigenen Profilierung dient,
       ist verantwortungslos. Nicht, weil Kritik am Bestellprozedere nicht erlaubt
       wäre. Es lief ja bei Weitem nicht alles optimal. Aber Klingbeils Äußerungen
       kann man so verstehen, als gehe es ihm um eine „Deutschland
       first“-Strategie. Aber die Idee, dass sich die starken Volkswirtschaften in
       Europa ohne Rücksicht auf Verluste mit Impfstoff versorgen, während
       schwächere Staaten das Nachsehen haben, ist Sprengstoff für das europäische
       Projekt. Eine dezidiert proeuropäische Partei wie die SPD sollte sich vor
       diesem Zungenschlag hüten, aus ureigenem Interesse. Dieses trübe Süppchen
       kocht die rechtsextreme AfD, und sie tut es besser.
       
       Für eine Partei, die internationalistisch denken will, ist selbst der
       europäische Rahmen zu eng. Deutschland und die EU-Staaten gehören ja zu der
       privilegierten Gruppe reicher Staaten, die ihre BürgerInnen innerhalb
       kurzer Zeit mit Impfstoff versorgen können. Die meisten Menschen auf der
       Welt werden länger auf das rettende Vakzin warten müssen als der
       Durchschnittsdeutsche, der aus Sicht von Scholz, Klingbeil und Bild-Zeitung
       mal wieder notorisch zu kurz kommt.
       
       ## Scholz torpediert mit diesem Schauspiel sein Image
       
       [2][Es ist verständlich und richtig, dass die SozialdemokratInnen nach
       Themen suchen], bei denen sie sich von der Union absetzen können. Streit
       belebt die Demokratie, die Konturen der alten Volksparteien links und
       rechts der Mitte sind unter Merkel verwischt – mit unguten Folgen. Aber die
       Pandemie-Bekämpfung ist etwas anderes als der Mindestlohn oder ein
       Rentenkonzept, sie eignet sich nicht für Profilierungsspielchen. Viele
       BürgerInnen erwarten, dass die Regierung in dieser Zeit der Unsicherheit
       ihren Job macht – und nicht noch Unsicherheit schürt.
       
       Olaf Scholz will sich im Wahlkampf als seriöse, verlässliche und
       professionelle Kanzleralternative präsentieren, als eine Art männlicher
       Merkel. Mit dem Schauspiel, dass er und seine Partei im Moment aufführen,
       wird dieses Image torpediert. Schlimmer aber ist ein Schaden, der kaum
       wieder gut zu machen ist. Durch Volten wie diese erodiert das Vertrauen in
       die Demokratie weiter, das bei Teilen der Bevölkerung sowieso nur noch in
       Spuren vorhanden ist.
       
       5 Jan 2021
       
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