# taz.de -- Zerstörte AKW in Japan: Neue nukleare Trümmer in Fukushima
       
       > Die Hauptzugänge zu zwei der 2011 havarierten Reaktoren sind viel höher
       > radioaktiv kontaminiert als gedacht. Das behindert die Stilllegung.
       
 (IMG) Bild: Fukushima Daiichi im Jahr 2020, in den Tanks lagert radioaktives Wasser
       
       Tokio taz | Die japanische [1][Atomaufsichtsbehörde NRA] hat extrem hohe
       Radioaktivitätswerte an den Stahlbetondeckeln von zwei Reaktoren im
       Atomkraftwerk Fukushima Daiichi entdeckt. „Es sieht so aus, als ob an
       diesen Stellen nukleare Trümmer sitzen“, berichtete NRA-Chef Toyoshi
       Fuketa. Diese Funde würden sich massiv auf den gesamten Prozess der
       Stilllegung der drei havarierten Reaktoren auswirken, warnte der oberste
       Atomaufseher. Im März 2011 hatte ein Erdbeben vor der Pazifikküste Japans
       einen gewaltigen Tsunami ausgelöst, bei dem 18.500 Menschen starben und die
       [2][Kernschmelzen in Fukushima Daiichi] ausgelöst wurden.
       
       Zehn Jahre später soll im kommenden März der Fackellauf vor den
       [3][Olympischen Spielen in Tokio] in der Präfektur Fukushima starten. Dies
       soll der Welt Normalität suggerieren. Doch an der Atomruine ist längst
       nicht wieder alles normal. Konkret hat die Atombehörde eine Strahlung von
       jeweils 10 Sievert pro Stunde an den Deckeln von Reaktor 2 und 3 gemessen.
       
       Laut NRA ist radioaktives Caesium-137 mit einer Aktivitätsmenge von 20 bis
       40 Peta-Becquerel in den Zwischenraum zwischen der zweiten und dritten,
       jeweils 60 Zentimeter dicken Deckelschicht von Reaktor 2 eingedrungen. An
       dem Dreifachdeckel von Reaktor 3 wurden 30 Peta-Becquerel gemessen. Ein
       Mensch kann diese hohe Strahlung maximal eine Stunde überleben. Ein
       japanischer AKW-Arbeiter darf eine maximale Dosis von 50 Milli-Sievert im
       Jahr ansammeln, also 200-mal weniger.
       
       Die Fukushima-Katastrophe setzte vor allem Caesium-137 frei, ein
       Nebenprodukt der Kernspaltung. Als wegen Stromausfall die Kühlung der drei
       Atommeiler stoppte, schmolz zunächst jeweils der Reaktorkern mit seinen
       Uran-Brennstäben. Diese heiße Masse, Corium genannt, fraß sich durch den
       Boden des Druckbehälters und lief in den Sicherheitsbehälter, auf dem der
       Betondeckel sitzt. Bei Reaktor 1 öffnete sich der Deckel, der als letztes
       Schutzschild gegen den Austritt von strahlendem Material dient. Eine
       Wasserstoffexplosion verteilte das ausgetretene Caesium in der Umgebung.
       Bei Reaktor 2 und 3 blieb der Deckel geschlossen, daran setzten sich
       offenbar große Mengen Caesium fest.
       
       Doch diese Tatsache hat zur Folge, dass sich der geschmolzene Brennstoff
       noch schwerer bergen lässt als ohnehin gedacht. Denn beim bisher
       favorisierten Vorgehen wollte man das Innere der Reaktoren fluten – das
       Wasser dämpft die Strahlung – und dann die Betondeckel abheben. Darüber
       sitzt im Normalbetrieb eine Lademaschine, mit der sich von oben die
       Brennelemente im Reaktorkern wechseln und Wartungsarbeiten ausführen
       lassen. Stattdessen würde man von dort nun das Corium bergen. Doch diese
       Methode lässt sich kaum noch umsetzen, wenn die Betondeckel selbst stark
       strahlen – der einzige Direktzugang ist nun hochkontaminiert. Die
       Ingenieure müssten jetzt lange warten, da Caesium eine Halbwertszeit von
       dreißig Jahren hat.
       
       Der AKW-Betreiber Tepco und die japanische Regierung wollten eigentlich mit
       der Corium-Bergung binnen einem Jahrzehnt beginnen. Davon ist man jedoch
       weit entfernt. Aber wenigstens wollte man vor dem zehnten Jahrestag im März
       einige Gramm dieses Materials aus Reaktor 2 bergen. Doch der dafür
       erforderliche Robotergreifarm, der in Großbritannien entwickelt wird, ist
       wegen der Coronapandemie nicht fertig geworden. Daher hatte Tepco bereits
       vor zehn Tagen erklärt, dass das Bergungsexperiment auf 2022 verschoben
       wird.
       
       3 Jan 2021
       
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