# taz.de -- Agrarministerium plant Insektenschutz: Löcherige Pestizidverbote
       
       > Ministerin Klöckner will Pestizide reduzieren. Sie plane zu viele
       > Ausnahmen, so Umweltschützer. Parallel lässt sie einen verbotenen
       > Bienenkiller zu.
       
 (IMG) Bild: Eine „Notfallzulassung“ für verbotenen Bienenkiller wurde erteilt
       
       Berlin taz | Agrarministerin Julia Klöckner hat nach Kritik des
       Umweltressorts eine Verordnung zur Einschränkung des [1][Pestizideinsatzes]
       und für Insektenschutz vorgelegt. „Die Anwendung von Glyphosat soll auf
       Acker- und Grünland grundsätzlich verboten werden“, schrieb das Ministerium
       der CDU-Politikerin am Montag der taz. In privaten Gärten und öffentlichen
       Parks solle der meistverkaufte Unkrautvernichter völlig untersagt werden.
       Künftig dürften auf Streuobstwiesen keine Pestizide mehr zum Einsatz
       kommen, die Unkraut bekämpfen oder Bienen gefährden. Fünf Meter um
       bestimmte Gewässer sollen Pestizide prinzipiell tabu sein.
       
       Ackergifte töten Insekten und deren Nahrung, weshalb viele Arten
       aussterben. Diese wiederum bestäuben jedoch Pflanzen und sind Beute etwa
       für Vögel. Deshalb beschloss das Bundeskabinett 2019 das
       [2][Aktionsprogramm Insektenschutz]. Das SPD-geführte Umweltministerium
       warf Klöckner vor, ihren Teil nicht umzusetzen. Anfang vergangener Woche
       schickte das Agrarministerium nun an das Kanzleramt seine Reform der
       „Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung“, der unter anderem das
       Umweltministerium und der Bundesrat noch zustimmen müssen.
       
       Umweltschützer äußerten scharfe Kritik. „Eine Vielzahl von Ausnahmen
       ermöglicht es den Landwirten, auch weiterhin auf Glyphosat
       zurückzugreifen“, sagte Martin Hofstetter, Agraringenieur von Greenpeace,
       der taz.
       
       Tatsächlich erlaubt der Entwurf den Einsatz des Pestizids, wenn „andere
       Maßnahmen nicht geeignet oder zumutbar sind“, um die Kulturpflanze vor
       Unkraut zu schützen. Auf Streuobstwiesen oder fünf Meter um geschützte
       Gewässer dürften Behörden dort verbotene Ackergifte „zur Abwendung
       erheblicher landwirtschaftlicher, forstwirtschaftlicher oder sonstiger
       wirtschaftlicher Schäden“ genehmigen.
       
       „Unser Ziel ist, dem Rückgang der Artenvielfalt und insbesondere der
       Insekten entgegenzuwirken. Und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass Pflanzen
       und Ernten vor Schädlingen geschützt werden können“, teilte Klöckner mit.
       
       ## „Notfallzulassung“ für verbotenen Bienenkiller
       
       Am Montag erteilte das Klöckner unterstellte Bundesamt für
       Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) eine
       [3][„Notfallzulassung“] für das von der EU verbotene Pestizid Thiamethoxam
       aus der Gruppe der Neonikotinoide: Zuckerrübensaatgut, das mit dem auch für
       Bienen gefährlichen Gift behandelt worden ist, darf von Januar bis April
       2021 in Nordrhein-Westfalen ausgesät werden, wie das Amt mitteilte.
       
       Die Saatgutbehandlung soll die jungen Pflanzen gegen Blattläuse schützen,
       die mit ihrer Saugtätigkeit verschiedene Vergilbungsviren übertragen. Mit
       „anderen Pflanzenschutzverfahren oder zugelassenen Pflanzenschutzmitteln“
       könnten die Insekten laut BVL nicht ausreichend bekämpft werden. Das Virus
       habe sich zuletzt in vielen Anbaugebieten der EU ausgebreitet und auch in
       Deutschland regional zu „gravierenden“ Pflanzenschäden und Ertragsverlusten
       geführt. Das Risiko für Nichtzielorganismen durch die Aussaat des
       behandelten Zuckerrübensaatgutes sei gering, da diese Pflanze im Anbaujahr
       nicht blühe und daher wenig attraktiv für Bestäuber sei.
       
       Christine Vogt, Referentin für Landwirtschaft bei der Organisation
       Umweltinstitut München, bezeichnete Notfallzulassungen für solche
       Neonikontinoide als „absolut unverantwortlich.“ Im so genannten
       Guttationswasser, das die Pflanzen über die Blätter ausscheiden, seien die
       Gifte auch mehr als 200 Tage nach der Aussaat in hohen Konzentrationen
       nachweisbar. Die Insekten nähmen diese Tröpfchen auf und können durch die
       darin enthaltenen Gifte geschädigt werden.
       
       Seit dem die EU die Pestizide 2018 im Freiland verboten hat, haben
       zahlreiche Mitgliedstaaten Ausnahmegenehmigungen erteilt. Deshalb
       verlangten viele deutsche Zuckerrübenbauern, dass auch sie die Mittel
       wieder benutzen dürfen. Bio-Landwirt*innen bauen Zuckerrüben ohne
       chemisch-synthetische Pestizide an, indem sie einem Schädlingsbefall etwa
       durch eine weite Fruchtfolge vorbeugen. Allerdings ernten sie pro Hektar
       weniger als ihre konventionellen Kolleg*innen.
       
       14 Dec 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Schwerpunkt-Pestizide/!t5008935
 (DIR) [2] https://www.bmu.de/publikation/aktionsprogramm-insektenschutz/
 (DIR) [3] https://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/04_pflanzenschutzmittel/2020/2020_12_14_PI_Viruserkrankung-Zuckerrueben.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jost Maurin
       
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