# taz.de -- Kulturinstitutionen als Corona-Opfer: Allzu schnell ausgeknipst
       
       > Kultur fällt schnell hinten runter, wenn sich die Politik nicht anders zu
       > helfen weiß. Dabei ist sie gerade kein bloßer Luxus.
       
 (IMG) Bild: Kurze Spielzeit: Hamburgs Generalmusikdirektor, Ballettintendant und Opernintendant (v.l.) im August
       
       Unvergessen: wie stolz Angela Merkel den versammelten Staatschefs während
       des G20-Gipfels in Hamburg [1][die Elbphilharmonie präsentierte]. Die
       Kanzlerin ist keine Kulturbanausin, dennoch lässt sie nun mindestens vier
       Wochen lang alle „Institutionen und Einrichtungen schließen, die der
       Freizeitgestaltung zuzuordnen sind“.
       
       Die Formulierung stammt eher nicht von Merkel selbst, unglücklich ist sie
       allemal. „Ich habe kurz geschaut, ob ich nun Freizeitsenator bin“, zeigte
       sich Carsten Brosda (SPD) im Deutschlandfunk ungläubig. Aber nein: Er ist
       noch immer Hamburgs Kultursenator.
       
       Die Wortwahl zeigt, wie es um den Wert der Kultur in Deutschland bestellt
       ist: Friseursalons dürfen offen bleiben, Gottesdienste trotz Hunderter dort
       nachgewiesener Infektionen weiter stattfinden. Aber Musik, Tanz,
       Ausstellungen, Theater und Kino sind unnötige Luxusgüter, die schnell
       ausgeknipst werden, wenn sich die Politik nicht anders zu helfen weiß.
       
       Sicher ist es sinnvoll, nun Kontakte zu vermeiden. Doch ist bis heute kein
       einziger Fall einer Infektion während des Besuchs einer Kulturveranstaltung
       bekannt. Alle Häuser, die sich es sich seit dem Sommer leisten konnten,
       wieder Programm zu machen, entwickelten umfangreiche Hygienekonzepte;
       [2][beim Reeperbahn-Festival] in Hamburg gab es Konzerte mit mehr
       Ordnungskräften als Besucher*innen.
       
       Jede U-Bahn-Fahrt ist gefährlicher als ein Opernbesuch. Das scheint nicht
       bei jedem angekommen zu sein. Selbst [3][ein taz-Kommentar], der forderte,
       die hart getroffenen Kulturschaffenden umfänglich zu entschädigen, sprach
       von einem „diffusen Nachtleben“ und ignorierte so: Kultur kann mehr als nur
       krasse Late-Night-Raves.
       
       Auch das Solidaritäts-Argument zieht nicht: Die neuen Maßnahmen treffen
       eben nicht alle mit der gleichen Härte. Freie Künstler*innen, die ihren Job
       seit März nicht ausüben können, haben nicht die gleichen Sorgen wie der
       Fitness-Studio-Betreiber, der von Mai bis Oktober öffnen konnte. Ganz zu
       schweigen von der Bedeutung der Kunst für das emotionale und psychologische
       Wohlbefinden der Menschen – gerade in herausfordernden Zeiten.
       
       Wie wäre es mit einer schnöden zahl? Der Jazztrompeter Till Brönner hat
       vorgerechnet: Mehr als 130 Milliarden Euro setzte die deutsche Kultur- und
       Veranstaltungsbranche 2019 um, vier Mal so viel wie die Lufthansa weltweit.
       Diese Branche zu retten, auch wenn das kostet, ist also selbstverständlich.
       Ebenso, dass sie wieder öffnen darf, sobald die Lage sich entspannt.
       
       30 Oct 2020
       
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