# taz.de -- Frankreichs Coronarestriktionen: Drastisches Ausgehverbot in Städten
       
       > Präsident Macron kündigt eine Ausgangssperre von 21 bis 6 Uhr früh an.
       > Sie gilt für acht Großstädte und die Pariser Hauptstadtregion.
       
 (IMG) Bild: Alles dicht: In Paris sind die Bars geschlossen, ab Samstag gilt zudem eine nächtliche Ausgangsperre
       
       Paris taz | Am Mittwochabend hat Frankreichs Staatspräsident Emmanuel
       Macron für die Pariser Hauptstadtregion und acht Großstädte (Grenoble,
       Lille, Lyon, Aix-Marseille, Montpellier, Rouen, Saint-Etienne und Toulouse)
       den Covid-Notstand ausgerufen. Das bedeutet konkret für „mindestens vier,
       aber voraussichtlich sechs Wochen“ ein abendliches Ausgehverbot von 21 Uhr
       bis 6 Uhr früh.
       
       Wer dennoch „ohne triftigen Grund“ bei Polizeikontrollen auf der Straße
       angetroffen wird, riskiert Geldstrafen von 135 bis 1.500 Euro. Nicht
       betroffen vom Verbot sind laut Macron die Personen, die in der Nacht
       arbeiten oder spät von ihrer beruflichen Aktivität heimkehren.
       
       Macron rechtfertigte den Schritt mit einer [1][„besorgniserregenden“
       Situation]: „Wir haben nicht die Kontrolle verloren, aber wir sind mit der
       zweiten Welle konfrontiert.“ Die Zahl der bestätigten Neuinfektionen war
       landesweit auf bis zu 27.000 pro Tag angestiegen, in Paris werden bereits
       in der Inzidenz pro Woche mehr als 400 Infizierte pro 100.000
       EinwohnerInnen gezählt. Vor allem die Auslastung der Intensivstationen der
       Krankenhäuser mit Covid-19-Patienten macht den Behörden Sorge. Sie liegt
       derzeit bei rund 40 Prozent der Kapazitäten, könnte aber in zwei Wochen die
       Schwelle von 90 Prozent erreichen.
       
       Die Maßnahme wird enorme Konsequenzen für das gesellschaftliche Leben und
       zahlreiche Wirtschaftszweige haben. Für die Restaurants, Cafés und Bars,
       die Theater, Konzertsäle und Kinos, die bereits schwer unter der Epidemie
       gelitten hatten, droht das definitive Ende. Es ist fraglich, ob die
       Möglichkeit, das Personal in eine von der Arbeitslosenversicherung bezahlte
       Kurzarbeit zu schicken, ausreicht, um in diesem für Frankreich wichtigen
       Sektor Konkurse in Serie und eine Entlassungswelle zu vermeiden.
       
       ## Ausgehverbot tritt am Samstag in Kraft
       
       Das Ausgehverbot, dem bis Anfang Dezember auch alle privaten
       Familienanlässe (auch im kleinen Kreis) und Treffen unter Freunden in den
       Abendstunden zum Opfer fallen, tritt am Samstag, 17. Oktober, um
       Mitternacht in Kraft. Hingegen sei es auch den Einwohnern der acht
       betroffenen Städte erlaubt, in andere Regionen in Urlaub zu fahren, hat der
       Präsident präzisiert. Dabei gelte es aber, den Abstand zu wahren oder eine
       Maske zu tragen und sich nicht mit mehr als fünf Personen zu treffen.
       
       Befragte Pariserinnen und Pariser sagen, sie seien „schockiert“ über die
       Ankündigung des Ausgehverbots. Die allermeisten hatten von Macrons
       Fernsehauftritt zusätzliche Restriktionen erwartet und vor allem einen
       Appell zu mehr Disziplin bei den bisherigen Vorsichtsregeln. Mit einer so
       drastischen Einschränkung hatten die wenigsten gerechnet.
       
       Ein pauschales Ausgehverbot in den Nachtstunden wird üblicherweise im
       Rahmen des Kriegsrechts oder eines Belagerungszustands angeordnet. In
       Frankreich war dies zum letzten Mal während des Algerienkriegs der Fall.
       Hatte Macron im Hinterkopf an die Symbole der Geschichte gedacht? Ebenfalls
       an einem 17. Oktober wurden nämlich 1961 bei einer Kundgebung – auf der
       zehntausende Algerier für die Unabhängigkeit ihrer Heimat und gegen ein
       gegen sie verhängtes Ausgehverbot in Paris protestierten – mehr als 200
       Algerier von repressiven Polizeikräften getötet.
       
       Die neuen Restriktionen in den betroffenen Großstädten schränken
       hauptsächlich die Freizeit ein, aber nicht die beruflichen Aktivitäten. Die
       wichtigsten Infektionsherde aber sind laut den Gesundheitsbehörden tagsüber
       die Universitäten und die Arbeitsplätze. Der französische Präsident
       erklärte denn auch, er sei sich bewusst, dass er vor allem von den jüngeren
       MitbürgerInnen, die sich amüsieren möchten, ein schweres Opfer verlange.
       Doch angesichts der Entwicklung gehe die Gesundheit vor, und es sei „nicht
       der Zeitpunkt, um zu feiern“.
       
       ## Wie kann die Regierung den Lockdown durchsetzen?
       
       Hingegen möchte er mit zusätzlicher staatlicher Finanzhilfe noch größere
       Rückschläge für die Wirtschaft vermeiden oder relativieren. Frankreich
       rechnete bisher mit einem Einbruch des Bruttoinlandsprodukts um fast 10
       Prozent bis Ende des Jahres und einer Million neuer Verarmten.
       
       Man fragt sich in Frankreich heute auch, wie die Staatsführung, deren
       Covid-Politik laut Umfrage nur das Vertrauen von 35 Prozent der Befragten
       genießt, diese neue Form eines Lockdowns durchsetzen kann. Die bisherigen
       Regeln sind von den Behörden kaum wirklich erklärt und noch weniger
       kontrolliert worden.
       
       15 Oct 2020
       
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