# taz.de -- Biohändler kritisieren Nutri-Score: Bio-Saft Mittelmaß, Cola-Light gut
       
       > Der Biohandel hält die Lebensmittelampel für unzureichend. Ab November
       > soll der Nutri-Score Orientierung im Supermarkt bieten.
       
 (IMG) Bild: Das farbige Logo von Nutri-Score
       
       Berlin Biounternehmen sehen erheblichen Nachbesserungsbedarf bei der
       Verordnung zum sogenannten Nutri-Score, die der Bundesrat am Freitag
       verabschiedet hat. [1][In seiner aktuellen Form weise dieser „zu viele
       Mängel auf“, so der Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN)].
       Bio-Lebensmittel seien gesünder und nachhaltiger, durch den Nutri-Score
       würden sie aber benachteiligt. Dies müsse sich ändern, bevor über eine
       Verpflichtung diskutiert werde.
       
       Die „Nutri-Score“ genannte Lebensmittelampel kommt nun auch in Deutschland
       und das bereits ab November. So steht es in einer entsprechenden Verordnung
       von Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU), die die Länderkammer
       absegnete. Der Nutri-Score beurteilt die Nährwertprofile von Lebensmitteln.
       Ein Algorithmus wägt hierfür positiv und negativ wirkende Inhaltsstoffe
       gegeneinander ab. Verpflichtend ist die [2][Ausweisung in Ampelfarben mit
       Buchstaben] von „A“ für sehr gut bis „E“ für ungenügend für die Hersteller
       jedoch nicht, dies müsste auf EU-Ebene geregelt werden.
       
       Die Kritik des Ökohandels am Nutri-Score ist grundlegend: „Bio-Lebensmittel
       sind untrennbar mit einer intakten Umwelt verbunden“, sagte
       BNN-Geschäftsführerin Kathrin Jäckel. „Sie sind außerdem durch den Verzicht
       auf chemisch-synthetische Pestizide bei der Erzeugung und mit möglichst
       naturbelassenen Zutaten auch die gesünderen Lebensmittel. Deswegen kann es
       nicht angehen, dass ein Label, das zu gesunder Ernährung hinführen soll,
       diese Tatsachen unberücksichtigt lässt.“
       
       Nicht nährwertrelevante Ersatzstoffe würden vom Nutri-Score nicht erfasst,
       so der BNN. So seien Öle, Vollkorngetreide und ballaststoffreiche
       Lebensmittel in der Berechnung gegenüber konventioneller Erzeugung im
       Nachteil. Dabei seien „die ernährungsphysiologischen Vorteile von
       Vollkornprodukten eindeutig und wissenschaftlich unbestritten“. Der BNN
       spricht von einer „Fehlbewertung“ und forderte ein „bundesweit
       einheitliches und konsequentes Konzept zur Ernährungsbildung“ sowie
       „regulatorische Maßnahmen für Marketingstrategien“.
       
       Das Max-Rubner-Institut, als Bundesforschungsinstitut zuständig für den
       Nutri-Score-Algorithmus, relativiert diese Kritik, da „Ersatzstoffe wie
       beispielsweise Stevia, Xylit oder Erythrit auch in ökologisch hergestellten
       Produkten Verwendung finden“. Auch unter Bio-Lebensmitteln fänden sich
       Produkte, „die aus ernährungsphysiologischer Sicht eine ungünstige
       Zusammensetzung aufweisen“.
       
       ## Foodwatch: „Absolut beste Kennzeichnung“
       
       „Ein Label kann nicht alle Dimensionen eines Nahrungsmittels abbilden“,
       sagt dagegen Luise Molling von Foodwatch. Die scharfe Kritik der Biobranche
       an dem Gesetz findet sie „enttäuschend“. Dabei sei diese sonst stets
       Vorreiter in Sachen gesunder Ernährung. Im einfach zu verstehenden
       Nutri-Score sieht sie „die absolut beste Kennzeichnung, die wir bisher
       haben“, aber trotzdem ebenfalls Nachbesserungsbedarf. Am wichtigsten sei
       eine Verpflichtung der Ausweisung auf EU-Ebene: „Unternehmen wie Ferrero
       oder Coca-Cola werden sich das Label sicher nicht freiwillig auf jede
       Verpackung drucken“.
       
       Foodwatch forderte auch Beschränkungen des Kinder-Marketings für
       Lebensmittel. Kinder dürften „nicht von klein auf mit Werbung für ungesunde
       Lebensmittel bombardiert werden“, so Molling. Wer sich „einen gesunden
       Schein gibt“, würde nur mit einem verpflichtenden Nutri-Score entlarvt.
       Schwer zu verstehen sei für Verbraucher:innen, dass nach der Berechnung
       Bio-Apfelsaft ein mittelmäßiges „C“ bekäme, Cola-Light jedoch ein gutes
       „B“. Hier stellt sich Molling auf die Seite der Bio-Branche. Man dürfte,
       Produkten mit Süßstoffen als Zuckerersatz „gar keine grüne Bewertung
       geben“.
       
       Informationen über Brennwert, Fett, Zucker und Salz müssen bereits in allen
       EU-Ländern auf Verpackungen ausgewiesen werden. Die Interpretation dieser
       Angaben war aber bisher den Verbraucher:innen selbst überlassen. Frankreich
       hat den Nutri-Score auf freiwilliger Basis 2017 als erstes eingeführt,
       Belgien, Spanien, Portugal, Luxemburg und die Schweiz verwenden
       mittlerweile ebenfalls Label in Ampelfarben.
       
       Der vielfach kritisierte Schweizer Nahrungsmittelkonzern Nestlé begrüßte
       den Nutri-Score in einer Mitteilung. „Wir freuen uns, dass ab sofort die
       Rechtssicherheit in Deutschland gegeben ist und wünschen uns, dass
       möglichst viele Hersteller und Händler Nutri-Score ebenfalls einsetzen“.
       Für einzelne Produkte nutze man die Ampel bereits seit Jahresbeginn.
       
       9 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://n-bnn.de/pressemeldungen/09102020-nutri-score-bio-branche-fordert-nachbesserung
 (DIR) [2] /Ernaehrungsqualitaet-auf-einen-Blick/!5592910
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Ruhsert
       
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