# taz.de -- Vergifteter Oppositioneller aus Russland: Ringen um die Nawalny-Untersuchung
       
       > Russland und Deutschland streiten über Informationen und die Ermittlungen
       > im Fall Nawalny. Der Oppositionelle wurde am Montag aus dem Koma geholt.
       
 (IMG) Bild: Im Fall Nawalny streiten Russland und Deutschland über fehlende Informationen
       
       Berlin taz | Die Zukunft der deutsch-russischen Beziehungen liegt auf dem
       Schreibtisch der Generalstaatsanwaltschaft Berlin. Die Bundesregierung hat
       der Justizbehörde in der vergangenen Woche ein Rechtshilfeersuchen aus
       Russland weitergeleitet. Die russische Seite erbittet darin Informationen
       zum Fall Alexei Nawalny. Der russische Blogger war mutmaßlich in Sibirien
       [1][vergiftet worden] und lag zwei Wochen lang in der Berliner Charité.
       Diese teilte am Montagnachmittag mit, Nawalnys Gesundheitszustand habe sich
       in der Zwischenzeit gebessert, er werde schrittweise aus dem künstlichen
       Koma geholt und sei ansprechbar.
       
       Wie lange die Berliner Justiz braucht, um das Ersuchen der russischen
       Regierung zu bearbeiten, steht noch nicht fest. Ziemlich sicher scheint
       aber: Bevor die Antwort nicht in Moskau eingegangen ist, wird sich in der
       Causa Nawalny nichts bewegen. Zumindest sieht der Kreml in der Affäre
       Berlin am Zug. Seit Ende August warte die russische
       Generalstaatsanwaltschaft auf deutsche Informationen zum Fall Nawalny,
       hatte eine Regierungssprecherin am Sonntag in Moskau gesagt. „Berlin
       blockiert den Ermittlungsprozess, den es selbst gefordert hat“, sagte sie.
       „Passiert das mit Absicht?“
       
       Nach übereinstimmenden Angaben beider Seiten ist tatsächlich schon am 27.
       August ein Rechtshilfeersuchen aus Russland beim Bundesamt für Justiz
       eingegangen. Welche Informationen Russland konkret haben möchte, ist unklar
       – dazu möchte sich auf Anfrage keine der beteiligten Parteien äußern.
       Möglich ist, dass es um die Analyse von Bundeswehr-Spezialist*innen geht,
       die nach eigenen Angaben Spuren des Nervengifts Nowitschok an oder in
       Nawalnys Körpers gefunden haben. Russische Ärzte behaupten, bei eigenen
       Analysen vor Nawalnys Ausreise habe man solche Spuren nicht gefunden.
       
       Wie mit einem solchen Rechtshilfeersuchen aus dem Ausland umzugehen ist,
       regelt ein 251-seitiges Dokument. Die „Richtlinien für den Verkehr mit dem
       Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten“ sehen vor, dass
       Justizministerium und Auswärtiges Amt den Antrag gemeinsam prüfen, ihn dann
       an die zuständige Justizbehörde zur Bearbeitung weiterleiten und hinterher
       noch einmal über die Bewilligung beraten.
       
       ## Im Fokus: Nord Stream 2
       
       Die Bundesregierung weist den Vorwurf zurück, diesen Prozess im Fall
       Nawalny zu blockieren. Einen Grund zur Ablehnung des Ersuchens gebe es
       nicht, sagte Außenminister Heiko Maas am Sonntag in der ARD. Der russischen
       Anfrage habe die Bundesregierung „längst zugestimmt“. „Längst“ heißt in
       diesem Fall, dass die Bundesregierung das Ersuchen am Freitag, acht Tage
       nach Eingang des Schreibens, an die Berliner Staatsanwaltschaft
       weitergeleitet hat.
       
       Einem Sprecher des Auswärtigen Amtes zufolge sind acht Tage in einem
       solchen Fall nicht sonderlich viel. Im Vergleich zu anderen Fällen habe die
       Bundesregierung sogar „zügig“ gehandelt. Ohnehin sieht das Außenministerium
       in der Kritik aus Moskau eine Nebelkerze. Der Anschein, Russland sei für
       die Aufnahme von Ermittlungen auf Informationen aus Deutschland angewiesen,
       sei falsch. Nawalny sei in Sibirien erkrankt und zunächst auch dort
       behandelt worden. Alle Beweismittel und Zeugen befänden sich dort. Russland
       könne Untersuchungen daher schon jetzt durchführen.
       
       Dass Moskau darauf reagiert, selbst den nächsten Schritt macht und den
       Ermittlungseifer erhöht, zeichnet sich allerdings nicht ab. Und die
       Bundesregierung erhöht den Druck ihrerseits nur sanft. Es sei an Russland,
       Antworten zu liefern, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag
       zwar erneut. Monatelang werde man darauf nicht warten. Es sei aber auch
       klar gewesen, dass nach einer ersten entsprechenden Forderung der
       Bundeskanzlerin am vergangenen Wochenende nicht innerhalb von „drei oder
       vier Tagen“ mit einer Reaktion zu rechnen war. Eine konkrete Frist nannte
       Seibert nicht.
       
       Und was passiert, falls Russland auch in den nächsten Wochen aus Sicht der
       Bundesregierung nicht ausreichend ermittelt? Eindeutig geklärt ist das
       bislang ebenfalls nicht. In den letzten Tagen äußerten sich allerdings mehr
       und mehr Regierungsmitglieder offen für die Idee, [2][Konsequenzen bei der
       Gaspipeline Nord Stream 2 zu ziehen]. Außenminister Maas sagte am
       Wochenende der Bild, er hoffe nicht, „dass die Russen uns zwingen, unsere
       Haltung zu Nord Stream 2 zu ändern“. Angela Merkel ließ am Montag
       verlauten, sie halt es für falsch, Konsequenzen auszuschließen. Bisher
       hatte sie stets dafür geworben, die Pipeline und politische Fragen nicht
       miteinander zu vermischen.
       
       7 Sep 2020
       
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