# taz.de -- Bürgerprojekte für mehr Nachhaltigkeit: Kreativer Freiraum
       
       > Das CityLab will die Berliner Verwaltung mit digitalen Bürgerinitiativen
       > für eine lebenswertere Stadt vernetzen. Wie ist die Bilanz nach einem
       > Jahr?
       
 (IMG) Bild: Konkret auf die Straße gebracht hat das CityLab zum Beispiel temporäre Spielstraßen
       
       Berlin taz | Wir wissen, dass wir ein dickes Brett bohren“, sagt Benjamin
       Seibel, der Leiter des CityLab, das in den Räumen des ehemaligen Flughafens
       Tempelhof logiert. Insgesamt 16 Projekte haben Kulturwissenschaftler Seibel
       und seine 12 Mitarbeiter, die meisten in Teilzeit, im zurückliegenden Jahr
       angeschoben. Vielleicht liegt es am Standort, wo zwar nie wieder Flugzeuge
       abheben werden, dafür nun aber Ideen zum Höhenflug starten können.
       
       Das CityLab ist im Grunde der Clash zweier Kulturen: Die Beamtenwelt mit
       Ärmelschonern, so das Klischee, trifft auf die digitale Stadtgesellschaft.
       Bürgerprojekte finden hier direkten Zugang zu Berliner Behörden und beide
       suchen gemeinsam nach modernen Lösungen für gesamtstädtische wie
       Kiez-Probleme.
       
       Schon die Titel der Projekte machen die unterschiedlichen Herkünfte
       deutlich: [1][„Gieß den Kiez“, eine Stadtkarte im Internet] für die
       Bewässerung von Straßenbäumen, oder [2][die Radwegeplanung von
       „FixMyBerlin“] sind Aktionen, die aus dem Engagement digitaler
       Bürgerinitiativen entstanden sind. Dem „Innovationskompass für die
       öffentliche Verwaltung“ oder der „Prozessanalyse Radinfrastruktur“ (PARI)
       haftet noch der Bürokraten-Jargon an. Die Wissenschaftler als die dritte
       große Fraktion im CityLab steuern „Algorithmische Stadtvisionen“ oder die
       „Berlin Urban Tech-Datenbank“ bei.
       
       „Wir wussten von Anfang an, dass wir in Berlin eine Riesenkompetenz und ein
       wahnsinniges Engagement von vielen Leuten heben, die sich mit den Fragen
       Digitalisierung, Stadtentwicklung, Nachhaltigkeit und Mobilität auskennen“,
       sagt Seibel mit ehrlicher Emphase. „Und denen wollten wir einen Ort geben,
       an dem sie sich treffen können.“ Knapp 200 Meetings und Workshops sind so
       in den letzten 12 Monaten zustande gekommen; seit der Corona-Pandemie
       vielfach im Cyberspace, wohin auch das Sommerfest im Juni verlegt wurde.
       Die informativen Fachvorträge können auch nachträglich noch auf der
       Webseite des CityLab angeschaut werden.
       
       So wird im Projekt „Open Traffic Count“ an neuen Methoden der automatischen
       Verkehrszählung – bisher ein klassischer Studentenjob – mit Hilfe
       [3][künstlicher Intelligenz (KI)] geabeitet. Autos, Fahrräder und Fußgänger
       im Straßenverkehr in Echtzeit zählen, mit geringen Kosten und unter
       Einhaltung strenger Datenschutzvorgaben, so lautet das Projektziel.
       
       ## Künstliche Intelligenz nutzen
       
       In einer Summer School konnte das CityLab gemeinsam mit Studierenden der
       Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin den ersten Prototyp einer
       KI-basierten Echtzeit-Kamera erfolgreich testen. „Aktuell suchen wir
       Teststandorte, um das System im Echtbetrieb unter verschiedenen Wetter- und
       Lichtverhältnissen auszuprobieren“, wird aus der Gruppe berichtet.
       
       Die webbasierte Plattform „UrbanCare“ soll die Lebensqualität in den
       Stadtvierteln durch eine fußgängerfreundliche Infrastruktur verbessern. Die
       Bürger können dort Hindernisse für Fußgänger melden. Es können auch
       Vorschläge an Industrie und Verwaltung gemacht werden, wie
       „klimafreundliche und sozial integrative Lösungen“ bei Bauprojekten im
       Straßenraum aussehen können.
       
       Zwar ist das Berliner CityLab Teil einer internationalen Bewegung, die –
       ausgehend vom dänischen Pionier „MindLab“ – in vielen Größstädten eine neue
       digitale Kommunalpolitik ausprobiert. Aber in Berlin wäre das Vorhaben
       nicht ohne die Mutter aller Labs, der Technologiestiftung Berlin (TSB),
       zustande gekommen. Durch Bohren des politischen Bretts wurde ein Etatposten
       im Berliner Landeshaushalt erreicht, der dem CityLab eine Finanzierung von
       750.000 Euro bis Ende 2021 sichert. Zur Eröffnung im Sommer 2019 erteilte
       denn auch der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) den höchsten
       stadtpolitischen Segen.
       
       Auch TSB-Vorstand Nicolas Zimmer hat als „spiritus rector“ erheblichen
       Anteil am Takeoff des Labors für e-Government: Seit seiner Zeit als
       CDU-Staatssekretär in der Berliner Wirtschaftsverwaltung setzt sich Zimmer
       für eine „Open Data“-Politik des Landes und die innovative Nutzung des
       Behördenwissens ein.
       
       ## Schneller, besser, effizienter
       
       Und, klappt es? „Wir haben ein sehr offenes Konzept: Jeder kann zu uns
       kommen, mit einer Idee etwa für einen Workshop oder einen Prototypen“, sagt
       Seibel. „Wir waren selbst überrascht, wie gut das angenommen wird.“ Rund 30
       Prozent der Teilnehmer kommen aus der Berliner Verwaltung, berichtet
       CityLab-Chef Seibel. „Es gibt dort ein grundsätzliches Interessen an
       Methoden: Wie können wir flexibler, effizienter, schneller werden“, hat er
       festgestellt.
       
       Ein großes Thema ist die Verkehrswende, speziell der Radverkehr, der in
       Berlin stark zugenommen hat. Wie können Verkehrsflüsse auf der Straße so
       gelenkt werden, dass keine Unfälle vorkommen? Wo fehlen Rad-Bügel, um sein
       Stahlross anzuschließen? „Wir wollen erreichen, dass die Zielgruppen so
       früh wie möglich einbezogen werden“, erklärt Seibel. Das können Radfahrer,
       aber auch Wohngeld-Empfänger sein. So wird an dem Problem gearbeitet, warum
       so viele Wohngeld-Anträge falsch oder unvollständig ausgefüllt werden.
       
       Die Digitalisierung ist dabei nicht das Endziel, sondern nur Mittel zum
       Zweck. Aktuell wird die Idee geprüft, beim Online-Antrag einen Chatbot
       einzusetzen, der dem Menschen die Fragen stellt und die Antworten selbst
       ins Formular einträgt. „Wir suchen nach solchen digitalen Modellen, die
       sich weiter entwickeln lassen“, sagt Seibel. „Berlin ist mit diesem Ansatz
       relativ weit vorne“, so seine Einschätzung.
       
       Heiko Rintelen, Gründer des Berliner Verkehrsdienstleister FixMyCity GmbH,
       teilt diese Sicht. „Im Bereich Open Data ist Berlin recht gut aufgestellt“,
       meint Rintelen. Seine Softwarefirma nutzt die Daten der Verkehrsbehörde und
       entwickelt „digitale Werkzeuge für die Verkehrswende“. Ein Produkt ist der
       „Happy-Bike-Index“, der im Verkehrs-Navigator anzeigt, wo in Berlin „schon
       entspannt und sicher Rad gefahren werden kann (grün) bzw. wo es noch
       gefährlich ist (rot)“. Ziel ist es, so Rintelen, „eine datenbasierte
       Grundlage für einen konstruktiven Dialog zwischen Verwaltung und
       Bürger:innen zu schaffen“.
       
       Die Kooperationslage ist bei den einzelnen Bezirken unterschiedlich, räumt
       er ein. Aber die Berliner Erfahrungen sind schon ausreichend, um die
       digitale Bürgerbeteiligung von FixMyCity in andere Städte, etwa nach
       Aachen, zu übertragen.
       
       3 Sep 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Manfred Ronzheimer
       
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