# taz.de -- Rassismus bei der Berliner Polizei: Die Polizei weiß von wenig
       
       > Beschwerden wegen Rassismus durch BeamtInnen wird bei der Polizei nur
       > unzureichend nachgegangen, zeigt eine Anfrage der Grünen.
       
 (IMG) Bild: Immer wieder im Fokus, wenn von Racial Profiling die Rede ist: Polizeistreifen im Görlitzer Park
       
       Berlin taz | Wie verbreitet ist Racial Profiling bei der Polizei? Wie oft,
       wann und wo verhalten sich PolizistInnen diskriminierend oder offen
       rassistisch gegenüber Angehörigen von Minderheiten – und welche Folgen hat
       das? Zu diesen in den letzten Monaten immer wieder heiß diskutierten Fragen
       weiß die Polizei herzlich wenig zu sagen. Erstens, weil nur wenige Menschen
       den offiziellen Beschwerdeweg gehen, sprich: sich an das zentrale
       Beschwerdemanagement der Polizei wenden. Zweitens verfolgt die Polizei bei
       den wenigen vorhandenen Beschwerden nicht, was daraus wird.
       
       Diese Erkenntnis ergibt sich aus den Antworten der Innenverwaltung auf eine
       schriftliche Anfrage des Grünen-Abgeordneten Sebastian Walter, die der taz
       exklusiv vorliegen. Walter sagt dazu: „Die Erkenntnisse der Berliner
       Polizei über Vorfälle von Diskriminierung, [1][Rassismus und Racial
       Profiling durch Dienstkräfte] kann nur als äußerst dünn bezeichnet werden.“
       
       Laut den Antworten gibt es eigentlich gar kein Problem. Es gibt nämlich
       kaum Beschwerden über Beamte wegen rassistischer oder LGBTI-feindlicher
       Äußerungen und/oder Handlungen. Für das Jahr 2017 – erst seitdem werden
       Beschwerden in diesen beiden Bereichen gesondert erfasst – waren es 22 in
       der Kategorie rassistisch, 3 in der Kategorie LGBTI-feindlich, 2018 waren
       es 22 bzw. 8 Vorfälle, im Jahr 2019 dann 14 bzw. 2 Beschwerden. Im ersten
       Quartal 2020 gab es nur im Bereich Rassismus 4 Beschwerden.
       
       Für viele mag dies überraschend sein. Schließlich berichten so gut wie alle
       [2][Black and People of Color], die in letzter Zeit vermehrt zu Wort kamen
       aufgrund des gestiegenen öffentlichen Interesses am Thema, dass für sie
       Diskriminierung durch Polizeibeamte zum Alltag gehöre.
       
       Beratungsstellen im Bereich Antidiskriminierung sagen außerdem, dass zu
       ihnen häufig Menschen mit derartigen Beschwerden kommen. NGOs, etwa die
       Kampagne für Opfer rassistischer Polizeiarbeit (KOP), berichten regelmäßig
       von diskriminierenden Vorkommnissen, vor allem an so genannten
       [3][kriminalitätsbelasteten Orten] (KBO), wo die Polizei anlasslos
       Kontrollen vornehmen kann. „Es muss daher davon ausgegangen werden, dass es
       ein Dunkelfeld von nicht angezeigten Vorfällen gibt“, sagt Walter.
       
       ## Hemmungen, sich zu beschweren
       
       Denn vermutlich haben viele Betroffene Hemmungen, sich bei der Polizei über
       die Polizei zu beschweren, weil sie denken, das bringt ohnehin nichts. Und
       da liegen sie nicht ganz falsch: Was aus den Beschwerden im Einzelnen wird,
       welche berechtigt sind, welche nicht, ob sie – etwa dienstrechtliche –
       Konsequenzen haben, wird von der Polizei nicht erfasst.
       
       „Die statistischen Beschwerdedaten werden nicht fallbezogen gespeichert“,
       heißt es in der Antwort. Und: „Aufgrund der Aufbewahrungsfrist von einem
       Jahr nach Abschluss der Beschwerdebearbeitung ist eine valide Aussage zu
       Ort, Zeit, Inhalt etc. der Beschwerden nicht möglich.“
       
       Ein solches Desinteresse sei niederschmetternd, findet Walter. Beschwerden
       über Diskriminierung, Rassismus und Racial Profiling – das es ja laut
       Polizei gar nicht gibt – müssten ernster genommen werden. Der
       Grünen-Politker fordert eine bessere Erfassung der Beschwerden, besseres
       Monitoring, wie damit umgegangen wird, inklusive der Konsequenzen – und
       eine strukturelle „Auswertung der Vorfälle, um die polizeiliche Arbeit zu
       verbessern. Dafür muss auch die Aufbewahrungszeit der Beschwerdevorgänge
       verlängert werden.“
       
       Hoffnung würde Walter zudem die Einrichtung eines unabhängigen Bürger- und
       Polizeibeauftragten geben, dessen schon vom Senat beschlossene Stelle
       gerade in der parlamentarischen Beratung ist und der noch in diesem Jahr
       kommen soll.
       
       Auch müsste nun schnell die von Innensenator Andras Geisel (SPD)
       angekündigte Studie zu Racial Profiling bei der Polizei in Auftrag gegeben
       werden, fordert er. Diese müsste „angesichts der umfassenden öffentlichen
       Kritik auch die polizeiliche Praxis insbesondere an den sogenannten
       ‚kriminalitätsbelasteten Orten‘ und die Aus- und Fortbildungspraxis
       untersuchen.“
       
       Das im Juni vom [4][Abgeordnetenhaus beschlossene
       Landesantidiskriminierungsgesetz] (LADG) könnte außerdem Bewegung in die
       Sache bringen, hofft Walter. Und womöglich auch die Innenverwaltung: Das
       Gesetz, das von der Polizeigewerkschaft massiv kritisiert wurde, weil es
       angeblich die Arbeit der Polizei erschweren würde (weil sich die Beamten
       nur noch mit unberechtigten Beschwerden herumplagen müssten), wird in der
       Antwort als zentrale „gesetzgeberische Maßnahme zur Verhinderung
       rassistischen Polizeihandelns“ bezeichnet.
       
       24 Aug 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Rassismus-als-System/!5702380&s=black+lives+matter/
 (DIR) [2] /Racial-Profiling-bei-der-Polizei/!5707568&s=black+lives+matter/
 (DIR) [3] /Gesetze-zu-Racial-Profiling-der-Polizei/!5698417&s=kriminalit%C3%A4tsbelastete+Orte/
 (DIR) [4] /Berliner-Antidiskriminierungsgesetz/!5689671&s=ladg/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Memarnia
       
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