# taz.de -- EU-Gipfel geht in die Verlängerung: Verhärtete Fronten in Brüssel
       
       > Die Verhandlungen werden am Sonntagmittag auf unbestimmte Zeit
       > verschoben. Merkel hält selbst ein Scheitern des Gipfels für möglich.
       
 (IMG) Bild: Dänemarks Premierministerin Frederiksen mit Merkel und dem Präsidenten des Europäischen Rates Michel
       
       Brüssel ap/dpa | Im Ringen um einen Rekordhaushalt und ein
       Corona-Rettungspaket gibt es weitere Erzögerung weitere Verzögerungen. Am
       Samstagabend war der Sondergipfel din Brüssel bereits um einen Tag
       verlängert worden. Am Sonntag sollten die EU-Staats- und Regierungschefs um
       12 Uhr wieder zusammenkommen. Doch kurz zuvor wurde auch dieses Treffen auf
       unbestimmte Zeit verschoben. Die Vorgespräche dauerten an, hieß es von
       Diplomaten. Es würden zunächst in kleiner Runde mögliche Kompromisslinien
       getestet.
       
       Kanzlerin Angela Merkel hielt am Sonntagmorgen sogar ein Scheitern des
       Sondergipfels für möglich. „Ob es zu einer Lösung kommt, kann ich nach wie
       vor nicht sagen“, sagte Merkel beim Eintreffen zum dritten Tag der
       Gipfelberatungen. Sie fügte hinzu: „Es gibt viel guten Willen. Aber es gibt
       auch viele Positionen. Und so werde ich mich mit dafür einsetzen. Aber es
       kann auch sein, dass es heute zu keinem Ergebnis kommt.“
       
       Der dritte Gipfeltag sei sicherlich der entscheidende Verhandlungstag, hob
       Merkel hervor. Sie ergänzte: „Die verschiedenen Themen – die Größe des
       Fonds, die Art der Steuerung und auch die Fragen der Rechtsstaatlichkeit
       sind jetzt gut aufgearbeitet.“ EU-Ratschef Charles Michel hatte den
       Sondergipfel um einen Tag verlängert, um über Nacht einen neuen
       Kompromissvorschlag auszuarbeiten.
       
       Am Abend hatte sich gezeigt, dass die Teilnehmer von einem Kompromiss noch
       weit entfernt schienen. Immerhin bewegten sich die Dinge in die richtige
       Richtung, sagte Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz. Erwartungsgemäß
       sei es aber ein zäher Kampf. Der für zwei Tage anberaumte Gipfel hätte
       eigentlich am Samstag enden sollen.
       
       ## Merkel und Macron gehen ergebnislos
       
       Dass noch große Differenzen bestehen, zeigte sich, als Merkel und der
       französische Präsident Emmanuel Macron am Abend ein Treffen mit den
       sogenannten „Sparsamen Vier“ verließen. Zu der Gruppe unter Führung der
       Niederlande gehören noch Österreich, Schweden und Dänemark. „Ein paar Leute
       sind abgehauen“, sagte der niederländische [1][Ministerpräsident Mark
       Rutte]. Auf die Frage, ob es sich um Merkel und Macron handele, sagte er:
       „Ja, genau. Also haben wir heute Nacht keinen Durchbruch erreicht.“ Ihre
       Stimmung sei schlecht gewesen, sagte er. „Wir werden morgen weitermachen.“
       
       Doch er ließ auch Zuversicht erkennen. „Die Tatsache, dass wir weiter
       reden, zeigt, dass wir alle Optimismus haben. Aber ob wir Erfolg haben,
       bleibt abzuwarten.“
       
       [2][Schon beim Auftakt der Beratungen am Freitag] waren große Differenzen
       zwischen den 27 Mitgliedsstaaten zu Tage getreten. Es geht um ein
       beispielloses Finanz- und Krisenpaket von 1,85 Billionen Euro – ein teils
       schuldenbasiertes Konjunktur- und Investitionsprogramm gegen die
       Corona-Krise von 750 Milliarden Euro in Form von Krediten und Zuschüssen
       für die bedürftigsten Länder sowie ein auf sieben Jahre angelegtes Budget
       von einer Billion Euro.
       
       [3][Neue Vorschläge des Gastgebers und EU-Ratspräsidenten Charles Michel
       vom Samstag] sahen nach Angaben aus Verhandlungskreisen beim
       Corona-Hilfsfonds einen geringeren Anteil an Zuschüssen und einen höheren
       Anteil an Krediten vor – offenbar ein Entgegenkommen an die Gruppe
       „sparsamer“ Länder.
       
       Umstritten sei aber weiterhin, wie das Geld nachverfolgt werde. Ein
       Vetorecht für einzelne Länder sei in Michels Plan nicht vorgesehen, hieß es
       aus Verhandlungskreisen weiter. Eine andere Gewährsperson bezeichnete die
       Vorschläge als ersten Schritt eines möglichen langen Wegs zu einer
       Einigung.
       
       ## Streit um Anteile am Finanzpaket
       
       Die Staats- und Regierungschefs haben unter anderem unterschiedliche
       Vorstellungen darüber, wie die Anteile der Mitgliedsstaaten an dem Paket
       ausfallen sollen. Als eines der größten Hindernisse für ein Abkommen gilt
       die Haltung Ruttes, der dagegen ist, dass auch Zuschüsse in dem Paket
       enthalten sind. Die Niederlande fordern, dass das Geld an Bedingungen wie
       Wirtschaftsreformen geknüpft wird. Andere Länder sind strikt gegen
       Bedingungen. Der französische Präsident Macron hat erklärt, Europa müsse
       sich solidarisch zeigen, um einen Weg aus der Krise zu finden.
       
       Zu den noch ungelösten Themen zählt laut Bundeskanzler Kurz auch die Frage,
       ob EU-Zahlungen an die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien in den
       Mitgliedsländern geknüpft werden sollen. Ungarn hat für diesen Fall sein
       Veto angedroht.
       
       Weil ein Abkommen als dringlich gilt, tagten die Teilnehmer erstmals seit
       Beginn der Coronavirus-Pandemie wieder persönlich.
       
       19 Jul 2020
       
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