# taz.de -- Protest vor russischer Botschaft in Berlin: Feminismus ist keine Hexerei
       
       > Eine russische Aktivistin fordert Toleranz und setzte sich für
       > Sexualaufklärung ein. Nun drohen ihr bis zu sechs Jahren Haft.
       
 (IMG) Bild: Ort vieler Proteste: Eingang der russischen Botschaft in Berlin
       
       Berlin taz | Der 27-jährigen Künstlerin und LGBT-Aktivistin Yulia Tsvetkova
       aus Russland drohen bis zu sechs Jahre Gefängnis wegen Zeichnungen des
       weiblichen Körpers. Sie wird beschuldigt, Pornografie verbreitet zu haben.
       Die russische Menschenrechtsorganisation “Memorial“ nennt Tsvetkova
       [1][eine politische Gefangene], weil sie wegen ihres Aktivismus verfolgt
       werde.
       
       Am Mittwoch, dem [2][Tag der Abstimmung über die Änderungen] der Verfassung
       Russlands, wurde vor der russischen Botschaft in Berlin eine Mahnwache für
       Tsvetkova abgehalten. Viele Protestierende erwarten, dass die geplanten
       Verfassungsänderungen, die nicht nur die Möglichkeit einer weiteren
       Amtszeit für den Präsidenten Wladimir Putin, sondern unter anderem das
       Konzept der Ehe als ausschließliche Verbindung von Mann und Frau
       festschreiben, die homophobe Atmosphäre in Russland noch verstärken und zu
       mehr Fälle wie jener von Yulia Tsvetkova führen werden.
       
       Das Strafverfahren wegen angeblicher Pornografie entstand aufgrund von
       abstrakten Zeichnungen von Vaginas in [3][einer kleinen Gruppe] im sozialen
       Netzwerk “VKontakte“. Yulia Tsvetkova hatte diese Bilder gepostet, damit
       “die weibliche Physiologie kein Tabu mehr bleibt“.
       
       Tsvetkova wurde aber schon vorher verfolgt und etwa wegen “homosexueller
       Propaganda unter Minderjährigen“ [4][bestraft.] Der Hintergrund: Sie war
       Administratorin zweier Online-LGBT-Plattformen, die allerdings gemäß
       russischem Recht mit „18+“ gekennzeichnet waren. Noch früher wurde sie
       gezwungen, ein von ihr geführtes Jugendamateurtheater zu schließen, mit
       deren SchauspielerInnen sie ein Stück über Geschlechtsstereotype inszeniert
       hatte.
       
       “Wie ist es zu diesem Fall gekommen? Einerseits lässt es sich auf
       Vorurteile und Engstirnigkeit zurückzuführen: Feminismus vergleicht man
       hier mit Hexerei – und die Rede über Geschlechtsstereotype kann man einfach
       nicht tolerieren“, sagt Anna Chodyrewa, die Mutter von Yulia Tsvetkova.
       
       „Das mysteriöse Gesetz über ‚Propaganda nicht-traditioneller sexueller
       Beziehungen‘ hat in diesem Fall eine Rolle gespielt“, fügt Politologin
       Jekaterina Schulman hinzu. “Außerdem werden solche Fälle wieder passieren,
       solange es im Strafgesetzbuch vage Normen gibt, die voraussetzen, dass man
       auf Wunsch jede Darstellung von Menschen als Pornografie bezeichnen kann“,
       erklärt Schulman.
       
       Von November 2019 bis März 2020 befand sich Tsvetkova unter Hausarrest.
       Jetzt steht sie unter Reiseverbot in ihrer Heimatstadt Komsomolsk am Amur
       und wartet auf das Gerichtsurteil. Tsvetkova bekommt neben Unterstützung
       auch viele Beleidigungen und Bedrohungen von Homophoben und Misogynen, die
       die Polizei trotz Tsvetkovas Anzeigen offenbar ignoriert.
       
       Am vergangenen Wochenende gab es zahlreiche Mahnwachen in verschiedenen
       Städten Russlands. In Moskau und Petersburg wurden dutzende Aktivistinnen
       dabei [5][festgenommen].
       
       2 Jul 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://memohrc.org/ru/news_old/memorial-priznal-hudozhnicu-feministku-yuliyu-cvetkovu-politzaklyuchyonnoy
 (DIR) [2] /Volksabstimmung-in-Russland-endet/!5693377
 (DIR) [3] https://vk.com/vagina_monologues
 (DIR) [4] https://www.amnesty.de/mitmachen/brief-gegen-das-vergessen/yulia-tsvetkova
 (DIR) [5] https://www.queer.de/detail.php?article_id=36447
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Laletina
       
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