# taz.de -- Verteidigung taz-Kolumne: Wieso soll das verboten sein?
       
       > taz-Anwalt Johannes Eisenberg vertritt die taz-Kolumnist*in Hengameh
       > Yaghoobifarah. Hier schätzt er Horst Seehofers Anzeigeankündigung ein.
       
 (IMG) Bild: Wie steht Horst Seehofer nochmal zur Pressefreiheit?
       
       Berlin taz | Bundesinnenminister Seehofer hat ein gestörtes Verhältnis zu
       Persönlichkeits- und Grundrechten: In Bremen hat er in grober Weise die
       Rechte der früheren Leiterin der Ortstelle des BAMF [1][verletzt und diese
       verleumden lassen]. Er weiß noch nicht einmal, was er über die AfD [2][auf
       der Webseite seines Ministeriums] veröffentlichen darf.
       
       Aber er weiß, und tut dies lautsprecherisch kund, dass sich die
       taz-Autor*in Yaghoobifarah strafbar gemacht hat [3][mit dem Artikel „All
       cops are berufsunfähig“]. Der Mann ist Verfassungsminister, er kennt die
       Verfassung nicht und missachtet das Grundrecht auf
       Meinungsäußerungsfreiheit.
       
       Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Vielzahl von Entscheidungen,
       zuletzt am 19. Juni 2020, auf die erforderlichen Abwägungsprozesse bei der
       strafrechtlichen Sanktion von Meinungsäußerungen hingewiesen. (Ein Anwalt
       wurde durch die Instanzgerichte verurteilt, weil er über einen
       Behördenvertreter im Kampf um das Recht geschrieben hatte, dessen Verhalten
       „sehen wir mittlerweile nur noch als offenbar persönlich bösartig,
       hinterhältig, amtsmissbräuchlich und insgesamt asozial uns gegenüber an“.)
       
       Das BVerfG hat die Verurteilung aufgehoben – 1 BvR 362/18. Ebenso wurde ein
       Steuerpflichtiger verurteilt, weil er den massiv verfassungswidrige
       Haushalte aufstellenden heutigen SPD-Vorsitzenden als „rote Null“
       bezeichnet hatte. Auch das wurde aufgehoben – 1 BvR 1094/19.
       
       Seit der grundstürzenden Entscheidung „Soldaten sind Mörder“ des
       Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 1995 – 1 BvR 1476/91 wissen wir,
       dass „sich bei herabsetzenden Äußerungen unter einer Sammelbezeichnung die
       Grenze zwischen einem Angriff auf die persönliche Ehre, die Art. 2 Abs. 1
       in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG (ge)schützt (ist) und die nach Art. 5
       Abs. 2 GG Beschränkungen der Meinungsfreiheit rechtfertigt, und einer
       Kritik an sozialen Phänomenen, staatlichen oder gesellschaftlichen
       Einrichtungen oder sozialen Rollen und Rollenerwartungen, für die Art. 5
       Abs. 1 Satz 1 GG gerade einen Freiraum gewährleisten will, nicht scharf
       ziehen“ (lässt) und dass „einer Bestrafung wegen derartiger Äußerungen …
       deswegen stets die Gefahr überschießender Beschränkungen der
       Meinungsfreiheit inne(wohnt)“.
       
       ## Entscheidend ist der Kontext
       
       Verschiedene ausländische Rechtsordnungen, namentlich des angelsächsischen
       Rechtskreises, kennen daher die Sammelbeleidigung gar nicht und bestrafen
       nur die ausdrücklich oder erkennbar auf Einzelne bezogene Ehrverletzung
       (vgl. etwa Robertson/Nicol, Media Law, 3. Aufl. 1992, S. 57). Das BVerfG
       weist zudem darauf hin, dass man eine Äußerung nie des Kontextes entkleiden
       darf.
       
       Der entscheidende Satz der Autor*in, also der Kontext lautet in Rekurs auf
       die Ereignisse in den USA und den dort stattfindenden Morden durch
       Polizeibeamte: „Ich hingegen frage mich: Wenn die Polizei abgeschafft wird,
       der Kapitalismus jedoch nicht, in welche Branchen kann man Ex-Cops dann
       überhaupt noch reinlassen? Schließlich ist der Anteil an autoritären
       Persönlichkeiten und solchen mit Fascho-Mindset in dieser Berufsgruppe
       überdurchschnittlich hoch. Oder haben Sie schon mal von einem
       Terrornetzwerk in der Backshop-Community gehört? Ich nämlich auch nicht.“
       
       Die Autor*in deliberiert, was geschieht, wenn man die Polizei zum Schutze
       der Bevölkerung auflöst, [4][wie in Minneapolis gefordert], und kommt zu
       dem Ergebnis, dass allein auf einer Müllhalde keine Macht mehr von den
       autoritären Persönlichkeiten und solchen mit Fascho-Mindset ausgeübt werden
       kann. Das ist ein Bild, das zweierlei beinhaltet.
       
       1. In den Augen von Seehofer und Konsorten scheinen Müllwerker eine Art
       Abschaum zu sein, die jede berufliche Zuordnung von Nichtmüllwerkern zu
       dieser Personengruppe zu einem Beleidigungstatbestand macht. Was für ein
       Verfassungsminister! Wir wünschen uns, dass die deutschen Müllwerker diese
       Haltung des Ministers Seehofer nachhaltig zur Kenntnis nehmen und sich
       zukünftig dessen erinnern. Es gibt vermutlich mehr wahlberechtigte
       Müllwerker als Polizeibeamte. 2. Es hilft nichts, Behörden aufzulösen, wenn
       nicht die Träger der autoritären Strukturen von anderweitiger Machtausübung
       ferngehalten werden.
       
       ## Aus Perspektive des Strafverteidigers
       
       Den Schreihälsen aus der CSU will ich einmal mitteilen, was ich von der
       deutschen Polizei als langjährig tätiger Strafverteidiger halte: Es gibt
       stetig Mandatsanfragen von Bürgern, die zum falschen Zeitpunkt am falschen
       Ort auf Polizeibeamte getroffen sind: Sie sind – aus welchen Gründen auch
       immer, häufig, weil die „Autorität“ der Polizisten durch aufsässiges, aber
       nicht beleidigendes oder gewalttätiges Verhalten der späteren Opfer
       herausgefordert ist – anlasslos oder unverhältnismäßig Opfer von
       Polizeigewalt geworden. Weil Körperverletzung im Amt ein ernstes Delikt
       ist, hat es damit sein Bewenden nicht.
       
       Die uniformierten Schläger generieren durch abgesprochene und verlogene
       Aussagen einen rechtfertigenden Anlass für die Misshandlung, nämlich eine
       Widerstandshandlung des Opfers. Die Justiz verfolgt die Opfer, sie haben
       ihre liebe Not, das Lügen- und Aussagekomplott zu decouvrieren. Gelingt es,
       wird es zum bedauerlichen Einzelfall verniedlicht.
       
       In den zahllosen Fällen, in denen es nicht gelingt, etwa weil Richter eine
       Art Fraternisierung mit ihren „Beamtenbrüdern“, den Polizeibeamten
       praktizieren, bleiben die Zusammengeschlagenen ratlos und mit
       Kriminalstrafe zurück. Die Seehofers und sonstigen Minister (aller
       Parteien, wie wir [5][jetzt in Stuttgart] erleben) hingegen nehmen die auf
       der Grundlage falscher Polizeiangaben entstandenen Statistiken über Gewalt
       gegen Polizeibeamte für bare Münze und als Rechtfertigung, politische
       Forderungen nach höheren Strafandrohungen durchzusetzen.
       
       Kommen wir auf unseren Fall zurück: Die Autor*in entwickelt einen
       satirisch geformten (nicht einmal in Minneapolis wird eine Polizei
       ersatzlos aufgelöst werden) Gedanken auf der Grundlage der These: Auflösung
       von Polizeien, weil bei diesen die Anzahl der autoritären Persönlichkeiten
       und solchen mit Fascho-Mindset überdurchschnittlich hoch ist, ohne dass das
       Erwerbserfordernis der – dann – früheren Mitarbeiter der Polizeibehörden
       beseitigt wird, und stellt sich die Frage, ob dieser Personenkreis sodann
       als Lehrer etc. eingesetzt werden sollte, und verwirft diese Möglichkeit.
       Wieso soll das verboten sein?
       
       22 Jun 2020
       
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