# taz.de -- Neues Album von Golden Diskó Ship: Unabhängige Wesen
       
       > „Araceae“, das neue Kammerpop-Album der Berliner Künstlerin Golden Diskó
       > Ship alias Theresa Stoetges, verbindet Hooks mit Experimenten.
       
 (IMG) Bild: „Die Musik geht ihren eigenen Weg“, sagt Klangkünstlerin Theresa Stroetges
       
       Der Ortolan, auch Gartenammer genannt, ist mit seiner gelben Kehle ein
       hübsches Vögelchen, das in Europa brütet und in Afrika überwintert. Obwohl
       so international aufgestellt, singt der Ortolan mit einer Art Dialekt, also
       mit regionaltypischer Färbung. Der Legende nach soll er einst gar Ludwig
       van Beethoven zu seiner Fünften Symphonie inspiriert haben. Das ist jedoch
       nicht der Grund, warum der Vogel zu Ruhm gekommen ist. Dies ist eher dem
       traurigen Umstand geschuldet, dass er als Delikatesse gilt, vor allem in
       Italien und Frankreich.
       
       Seit gut 20 Jahren ist die Jagd auf ihn mit Netzen zwar verboten, doch bis
       heute können sich einige Superreiche kein größeres Vergnügen vorstellen,
       als den Vogel – gemästet, in Brandy ertränkt und gegrillt – mit Haut und
       Knochen zu verspeisen. Auch daher findet das Federvieh immer wieder in der
       Popkultur Beachtung, unlängst etwa in der US-TV-Serie „Billions“, die in
       der New Yorker Finanzwelt angesiedelt ist.
       
       In dem Track „Ortolan“ – zu finden auf „Araceae“, dem neuen Album von
       Golden Diskó Ship, wie sich die Berliner Künstlerin Theresa Stroetges nennt
       – findet man tatsächlich einiges, was sich zu diesem Vogel assoziieren
       ließe, in Klang verwandelt. Beats, die wie dumpf ausgebremste Flügelschläge
       klingen, erhabene Melodien neben Störgeräuschen und immer schwebende, aber
       unruhige Flächen. Seit gut zehn Jahren veröffentlicht die 37-jährige
       Klangkünstlerin und Multiinstrumentalistin unter diesem Alias Musik, die
       auf so zugängliche wie eigenwillige Weise zwischen Avantgarde und Pop
       balanciert. Neben ihrem Soloprojekt spielt sie auch in der
       krautig-psychedelischen Band Soft Grid.
       
       ## Naturphänomene als Inspiration
       
       „Araceae“ ist nun das vierte Album mit der Künstlersignatur Golden Diskó
       Ship. „Es waren vor allem landschaftliche Veränderungsprozesse und
       Naturphänomene, die mich für die Songs inspiriert haben“ erklärt Stroetges.
       „Für mich ging damit einher, dass man merkt: Etwas stimmt nicht – so ganz
       und gar nicht. Doch man macht weiter. Was soll man auch machen? Es ist ja
       ein schöner Tag da draußen; man will das Beste für sich daraus machen. So
       wie man im Privaten bisweilen unterschwellig spürt, wenn etwas nicht
       stimmt, aber lieber erst einmal nicht daran rührt, reagieren wir auf die
       ökologische Situation.“
       
       Auch wenn sie auf dem Vorgänger „Imaginary Boys“ (2017) schon von ähnlichem
       umgetrieben war – ein Stück heißt „Abandoned Chinese Fishing Village“; ein
       anderes „Pacific Trash Vortex“: ein strudeliger Track, zu dem eine Insel
       aus Plastikmüll im Ozean den Anstoß gab –, klingt „Araceae“ anders. Wurden
       bei „Imaginary Boys“ die eklektizistischen Elemente noch ungebremster
       aufeinander losgelassen, wirken die verschiedenen, teils widerstreitenden
       Klangströmungen auf dem neuen Album engmaschiger verschränkt und so auch
       verfeinerter.
       
       So organisch wie das klingt, ist auch die Herangehensweise von Stroetges,
       die zunächst in Köln Musikwissenschaften und später Sound Studies in Berlin
       studiert hat. Die Entstehungsprozesse einzelner Songs durchschaue sie
       selbst nur bedingt, erklärt die Künstlerin. „Die Musik geht ihren eigenen
       Weg, bei dem ich mich nicht unbedingt in control fühle. Am Anfang steht
       meist ein Soundschnipsel, ein Gitarrenriff, ein Beat. Von dort aus lasse
       ich das wachsen. Und suche dann nach einem Weg, zum Ausgangspunkt
       zurückzukommen. Irgendwann weiß ich: Jetzt ist es fertig. Bis dahin fühlt
       sich ein Track an wie ein unabhängiges Wesen, das mir vorschreibt, wohin es
       geht.“
       
       ## Beats und Bässe
       
       Trotz des Wiedererkennungswerts, den ihre warme Soundästhetik hat, klang
       Stroetges bisher auf jedem Album etwas anders. Ihre frühen
       Veröffentlichungen zum Beispiel hatten freakfolkige Elemente – eine
       Schublade, in die ihr Projekt zu Stroetges Befremden immer noch gerne
       gesteckt wird, obwohl es doch schon auf „Imaginary Boys“ eher um Beats und
       Bässe und kaum mehr um Gitarren gegangen war. Auch experimentierte sie da
       ganz offensiv mit dem Aufeinandertreffen unterschiedlicher Klangwelten, mit
       östlicher Harmonik zum Beispiel. Diesmal lässt Stroetges die Dissonanzen
       dagegen vergleichsweise langsam an die Klangoberfläche dringen.
       
       Beim Studium in Köln kam sie erstmals mit experimenteller Musik in
       Berührung. Damals habe sie viele Vorlesungen besucht, „in denen das Licht
       ausgemacht wurde und es einfach nur darum ging, sich Neue Musik anzuhören.
       Das war faszinierend, manchmal verstörend und oft interessant.“ Diesen
       Background bringt sie zusammen mit einem Herz für Pop, das auf dem neuen
       Album stärker denn je schlägt. Ihr selbst, so betont sie, sei ein
       emotionaler Zugang zu ihrer Musik wichtig; so kopflastig wie einige der
       Komponisten, die sie bei ihrem Studium kennenlernte, könne und wolle sie
       nicht arbeiten. Ihrem oft schwelgerischen, subtil verstörten und
       verstörenden Album tut dieser Spagat zwischen den Welten ziemlich gut.
       
       26 May 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stephanie Grimm
       
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