# taz.de -- Video-Podcast „Besser als Krieg“: Kein Schnickschnack
       
       > Ein Wechsel zwischen lustigen und schmerzhaften Themen, kein inszenierter
       > Streit. Dieses Format verweigert sich dem deutschen Talkshowtheater.
       
 (IMG) Bild: Sham Jaff (links) und Samira El Ouassil (rechts) sprechen mit Oliver Polak zu eigenen Bedingungen
       
       Ein wenig erinnert die Szene an ein Verhör. Ein dunkler Raum, helle
       Scheinwerfer, [1][Oliver Polak] schaut unbeholfen in die Leere. Wo stehen
       noch mal die Kameras? Dann stellt er die Eingeladenen der ersten Folge vor:
       die Journalistinnen Alice Hasters und Anna Dushime. Und schon wird gelacht.
       Die Nervosität schwindet, die Stimmung ist gut.
       
       „Besser als Krieg“ heißt der neue Video-Podcast, der bei Radioeins und im
       RBB läuft. Das Konzept: Aus einer Kiste mit zwanzig Bällen ziehen die Gäste
       abwechselnd ein Stichwort, woraufhin zwölf Minuten lang über das gezogene
       Thema diskutiert wird. Läuft die Zeit ab, wird das Gespräch abgebrochen und
       das nächste Thema gezogen. Keine Einblenden, kein Publikum, kein
       Schnickschnack.
       
       Oliver Polak hat sich das Format, bei dem jede Woche zwei Menschen zu Gast
       sind, selbst ausgedacht. Und er moderiert es auch. Wobei hier schon das
       erste Missverständnis liegt: Polak ist kein Moderator. Zumindest nicht im
       klassischen Sinn.
       
       Er erzählt auch selbst, diskutiert mit, beantwortet, nun ja, seine eigenen
       Fragen. Er streitet sich mit Gästen, [2][wie mit Samira El Ouassil in der
       zweiten Folge], ohne das letzte Wort zu haben. Schon die Stühle sollen
       betonen, dass der Moderator hier nicht im Mittelpunkt steht: Sie stehen in
       einem Dreieck, mit gleichberechtigtem Abstand.
       
       ## Es geht nicht vorrangig um die eigene Identität
       
       Anna Dushime, [3][taz-Kolumnistin], zieht das erste Stichwort: „Ausländer“.
       Puh. Alice Hasters zieht zwölf Minuten später das zweite: „Toiletten“.
       Dushime erzählt, dass sie früher glaubte, die Scheiße weißer Menschen sei
       weiß. Es geht danach um Toilettengänge (im Büro, im Flugzeug, in
       Beziehungen), um Rassismus und um das diskrete Pupsen, um Udo Jürgens und
       die No Angels. Dann das Stichwort: „Tod“. Dushime erzählt vom Genozid in
       Ruanda von 1994, Polak von Angehörigen in Konzentrationslagern.
       
       Diese Wechsel zwischen lustigen und schmerzhaften Themen funktionieren so
       gut, die Gespräche sind so intensiv, dass man fast das Wichtigste
       übersieht: Da sitzen drei Menschen, zwei Schwarze Journalistinnen und ein
       jüdischer Moderator, und sprechen in einem öffentlich-rechtlichen
       Gesprächsformat über Dinge, die nichts damit zu tun haben, dass sie Schwarz
       oder jüdisch sind. Und wenn sie doch darüber sprechen, dann zu ihren
       Bedingungen, mit ihren Worten. Selbstbestimmt eben.
       
       Wie in der zweiten Folge, wo die Journalistinnen Samira El Ouassil und Sham
       Jaff über Väter und Terroranschläge und Horoskope sprechen, über das
       Ankommen, Dazugehören, Dazwischensein. Was die Eingeladenen sagen, ist so
       klug, dass man Polak fast ein wenig vergisst.
       
       Eine Stärke der Sendung ist sicher, dass mit den bisher eingeladenen Women
       of Color endlich die Menschen, Sichtweisen, Erfahrungen gehört werden, die
       von Talkshows sonst übergangen werden. Das Format entzieht sich den
       üblichen Dynamiken: Es gibt keinen inszenierten Streit. Keiner der Gäste
       wird eingeladen, weil er eine bestimmte Position vertritt. Keiner dieser
       Menschen sitzt da, um etwas zu promoten.
       
       „Die Gesprächspartnerinnen sind Journalistinnen, Kolumnistinnen,
       Autorinnen, wichtige Stimmen, die zwar jeweils ihre Plattformen haben, aber
       noch mehr gehört werden müssen“, sagt Polak der taz am Telefon.
       
       Der Show gelingt es so, den [4][Blick der weißen deutschen
       Mehrheitsgesellschaft sichtbar zu machen], der immer gleiche Talkformate in
       ermüdend vorhersehbare Gespräche treibt. „Besser als Krieg“ verweigert sich
       dem dümpelnden deutschen Talkshowtheater. Und zwar so gut, dass man sogar
       den merkwürdigen Vorspann verzeiht.
       
       4 May 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Pressefreiheit-in-Deutschland/!5671299
 (DIR) [2] /Medienkritikerin-Samira-El-Ouassil/!5621499
 (DIR) [3] /Anna-Dushime/!a52499/
 (DIR) [4] /Themen-in-deutschen-Talkshows/!5383982
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simon Sales Prado
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Podcast-Guide
 (DIR) Oliver Polak
 (DIR) Diversität
 (DIR) Feminismus
 (DIR) Deutsche
 (DIR) Kolumne Bei aller Liebe
 (DIR) Medienpolitik
 (DIR) Lesestück Interview
 (DIR) Lesestück Recherche und Reportage
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Oliver Polak über neue Netflix-Show: „Die Realität ist die Punchline“
       
       In „Your Life is a Joke“ roastet Oliver Polak auf Netflix Prominente. Ein
       Gespräch über Humor und das deutsche Duckmäusertum.
       
 (DIR) Influencer*innen über Talkshows: „Zeigen, wer im Fernsehen fehlt“
       
       Deutsche Talkshows sind selten jung und divers. Aminata Belli und Tarik
       Tesfu erzählen, was sie in ihrer neuen Sendung besser machen.
       
 (DIR) Besprechung Podcast „Justitias Töchter“: Jetzt sprechen die Töchter
       
       Der Deutsche Juristinnenbund hat nun auch einen Podcast: Frauen sprechen
       hier mit Frauen über Recht – aus feministischer Sicht.
       
 (DIR) Besprechung Podcast „Gute Deutsche“: Migrantisch light
       
       Linda Zervakis spricht in ihrem Podcast über das Deutschsein. Das Format
       hinkt hinterher – und bleibt damit ein Podcast für weiße Deutsche.
       
 (DIR) Unzuverlässig und verpeilt: Bin ich ein „Fuckgirl“?
       
       „Fuckbois“ sind Männer, die sich beim Dating unter anderem durch mangelnde
       Kommunikationsfähigkeit auszeichnen. Unsere Kolumnistin sieht Parallelen.
       
 (DIR) Medienkritikerin Samira El Ouassil: Stimme der reinen Vernunft
       
       Mit scharfer Analytik kritisiert Samira El Ouassil den Journalismus. Und
       wie reagiert die Branche? Die liebt sie trotzdem noch.
       
 (DIR) Komiker Oliver Polak über sein Buch: „Jogginghosen sind bequem“
       
       In Niedersachsen aufgewachsen, wurde Oliver Polak in der Provinz
       sozialisiert. Der Komiker über Gespräche am Tisch der Eltern und
       selbstreferenziellen Humor.
       
 (DIR) Themen in deutschen Talkshows: Blick nach rechts
       
       In den Talkshows von ARD und ZDF geht es vor allem um Terror, Flucht und
       Islam. Also um die Lieblingsthemen der Rechten.