# taz.de -- „Cap Arcona“-Katastrophe vor 75 Jahren: Schuld ohne Sühne
       
       > Vor 75 Jahren sank die „Cap Arcona“ mit 4.600 KZ-Häftlingen. Die
       > Erinnerung daran ist wach, doch das offizielle Gedenken tut sich schwer.
       
 (IMG) Bild: Am Strand von Neustadt in Schleswig-Holstein: Ein Schild weist zum Cap-Arcona-Ehrenfriedhof
       
       Hamburg taz | Es ist das wohl stärkste Trauma rund um die Lübecker Bucht:
       die Bombardierung der „Cap Arcona“, die noch fünf Jahre gekippt vor
       Neustadt lag, bis man sie 1950 auseinanderschweißte. Das allerdings, ohne
       die Toten zu bergen. Was die Schweißer unter Wasser vorfanden, ist nicht
       überliefert.
       
       Sicher ist, dass noch lange tote Körper gefunden wurden – sogar an
       Dänemarks Küsten. Denn jene Anwohner, die 1945 die Toten mit Traktoren von
       den Stränden holten, um sie würdig zu bestatten, fanden längst nicht alle.
       Auch die Namen der Opfer kennt man nicht, denn die Nazis „haben keine
       Passagierlisten geführt“, sagt Reimer Möller, Archivar der
       [1][KZ-Gedenkstätte Neuengamme].
       
       Aus dem KZ Neuengamme stammten die meisten der Opfer. Und weil man die
       Namen eben nicht kennt, sind auch die vielen großen und kleinen
       „Ehrenfriedhöfe“, die man 1945 an der Lübecker Bucht einrichtete – etwa in
       Neustadt und in Grevesmühlen in der Ex-DDR – anonym.
       
       Der „Ehrenfriedhof“ in Haffkrug, ungemütlich gelegen an der Autobahnabfahrt
       Eutin und mit über 1.100 Bestatteten der größte von ihnen, ist gar etwas
       verwahrlost. Außerdem läuft er Gefahr, durch eine dicht daneben geplante
       Bahntrasse zur Fehmarnbelt-Querung weiter entwürdigt zu werden.
       
       ## Opferverbände und Privatinitiativen engagierten sich
       
       Das „Cap Arcona“-Gedenken ist also nicht nur geografisch, sondern auch
       organisatorisch dezentral und zersplittert. Das hat auch einen politischen
       Aspekt, sind Ost und West doch während des Kalten Krieges unterschiedliche
       Wege gegangen: In Neustadt drängten – wie vielerorts im Westen – vor allem
       Opferverbände und Privatinitiativen auf [2][Gedenkorte] und -rituale und
       gestalteten sie, unbehelligt, aber teils auch unbeachtet von der
       offiziellen Politik.
       
       Die Neustädter Bürgermeister etwa wohnten den Feiern, zu denen stets auch
       Busse aus Neuengamme anreisen, erst seit einigen Jahren bei, berichtet eine
       Teilnehmerin.
       
       Im ostdeutschen Grevesmühlen dagegen brachte man die Toten nicht nur weg
       vom Strand – dem brisantem deutsch-deutschen Grenzgebiet – und 15 Kilometer
       landeinwärts. Man baute auch einen monumentalen Erinnerungsort samt
       Paradeplatz und gestaltete die Gedenkfeier als antifaschistischen Staatsakt
       samt Sportfest und Soldatengelöbnis.
       
       2019 wurde der Grevesmühlener Gedenkort so umfangreich und klug umgebaut,
       dass er anderen Friedhöfen als Vorbild dienen könnte – weshalb das frisch
       gegründete „Netzwerk Cap Arcona Gedenken“ um Pastorin Almuth Jürgensen sich
       an diesem Konzept orientieren möchte.
       
       Das Netzwerk möchte auch kleine Gedenkorte einbinden und mit einheitlichen
       Infotafeln arbeiten. Die Coronakrise brachte die Initiative jetzt ins
       Stocken, weshalb man sich zunächst auf einen gemeinsamen, auch
       Jugend-affinen Internetauftritt samt App konzentrieren will.
       
       ## Jagd auf fliehende KZ-Häftlinge
       
       Das Gedenken – dieses Jahr wegen der Coronakrise ohnehin nur in
       Minimalbesetzung möglich – läuft also etwas schleppend. Dabei könnte die
       Tatsache, dass – unabhängig davon, was die SS mit den Häftlingen vorhatte –
       britische Piloten die Täter waren, das Erinnern eigentlich „leichter“
       machen, erlaubt es doch eine bequeme Schuldabwehr.
       
       Aber da waren eben auch jene Anwohner, die Fliehende jagten, jene
       Kriegsmarine-Boote, deren Besatzungen ausschließlich SS-Leute aus dem
       Wasser zogen. Und da gab es die Wachleute, die einen Transport von
       Häftlingen aus dem KZ Stutthof begleitet hatten. Die Häftlinge strandeten
       vor Neustadt und wurden erschossen, einige der Wachleute fingen 1945 bei
       der Neustädter Polizei an. „Ihre Nachkommen haben später teilweise in der
       Kommunalpolitik gewirkt“, erzählt Neuengamme-Archivar Möller.
       
       Vielleicht hat Neustadt – auf seinen touristischen Ruf bedacht – deshalb
       erst 1990, zum 45. Jahrestag, ein [3][„Cap Arcona“-Museum] eröffnet. Das
       allerdings in Minimalversion auf 17 Quadratmetern im Anbau des
       Stadtmuseums. Seither hat man nichts verändert, denn Wilhelm Lange,
       VHS-Chef und rühriger Stadtarchivar, dem das Gedenken stets am Herzen lag,
       wurde damit quasi allein gelassen.
       
       ## Juristisch belangt wurde niemand
       
       Erst jetzt, Anfang 2020, hat das Kieler Kultusministerium 300.000 Euro für
       eine Kuratorenstelle sowie die Erweiterung der Ausstellung auf 65
       Quadratmeter bewilligt – auch auf Betreiben der [4][Bürgerstiftung
       Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten]. „Das ist räumlich immer noch sehr
       bescheiden, aber finanziell jetzt der entscheidende Anstoß für die
       Entwicklung einer zeitgemäßen neuen Ausstellung“, sagt Harald Schmid,
       wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung.
       
       Wie stark die neue Ausstellung die Täter in den Blick nehmen wird, ist noch
       nicht klar. Doch es wäre wichtig, denn juristisch belangt wurde niemand –
       weder in Deutschland noch in Großbritannien. Dabei habe der britische Major
       N. O. Till gleich im August 1945 in seinem offiziellen Ermittlungsbericht
       die Luftwaffe kritisiert und weitere Untersuchungen angemahnt, sagt
       Archivar Möller. Es habe auch eine schriftliche Stellungnahme der Royal
       Air Force dazu gegeben. Die aber sei aber auf mysteriöse Weise aus den
       deutschen Akten verschwunden.
       
       Mehr über die „Cap-Arcona“-Katastrophe in der Lübecker Bucht vor 75 Jahren
       und die Erinnerung daran lesen Sie in der taz am wochenende oder in unserem
       [5][e-kiosk].
       
       1 May 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Vorstand-ueber-abgesagte-Gedenkfeier/!5672890
 (DIR) [2] /Gedenken-an-Euthanasie-Opfer/!5269754
 (DIR) [3] https://www.stadt-neustadt.de/Leben-Lernen/Kultur/Museum-Cap-Arcona
 (DIR) [4] https://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/G/gedenkstaetten/buergerstiftung.html
 (DIR) [5] /Unser-eKiosk/!114771/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Petra Schellen
       
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