# taz.de -- Kiew beschliesst Bodenreform: Schlupflöcher für Nichtukrainer
       
       > Das Parlament hat das Verbot des Verkaufs von Agrarflächen aufgehoben.
       > Kritiker fürchten eine Konzentration von Land in den Händen weniger.
       
 (IMG) Bild: Die Landreform ist durch: Präsident Selenskyj im Parlament in Kiew
       
       Kiew taz | Der Ukraine steht vor einer Bodenreform. Am Dienstag hob das
       Parlament das Verbot des Verkaufs landwirtschaftlicher Nutzflächen auf.
       Dass die seit Jahren geplante Reform just in Zeiten der Corona-Krise, in
       der alle Demonstrationen verboten sind, durchs Parlament geboxt wurde,
       zeigt, wie [1][umstritten] sie auch in der Regierungspartei „Diener des
       Volkes“ ist.
       
       Bei der Abstimmung waren die „Diener des Volkes“, die mit 251 Abgeordneten
       von insgesamt 450 Sitzen eigentlich über eine bequeme Mehrheit verfügen,
       auf die Stimmen der Poroschenko-Partei „Europäische Solidarität“ und der
       patriotischen „Golos“ angewiesen.
       
       Zuvor hatte [2][Kristalina Georgiewa, Chefin des Internationalen
       Währungsfonds IWF], erklärt, die Verabschiedung der Landreform sei eine
       Voraussetzung für neue Kredite an die Ukraine.
       
       Mit dem Ende der Sowjetunion hatten alle Republiken der früheren UdSSR
       große Teile des Staatseigentums verkauft. Ausgenommen von diesen Verkäufen
       waren in der Ukraine Privatwohnungen und landwirtschaftliche Nutzflächen.
       Wer auf landwirtschaftlichen Nutzflächen arbeitete, erhielt damals einen
       Teil des Bodens geschenkt. Per Gesetz hat außerdem jeder Bürger der Ukraine
       Anrecht auf 2,28 Hektar Boden.
       
       ## Leichtes Spiel für die Agroindustrie und Strohmänner
       
       Es geht um viel: von 42,7 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche,
       so der ukrainische Dienst von BBC, sind 31,1 Millionen in privaten Händen,
       also etwa drei Viertel. In Kraft treten wird die Bodenreform erst am 1.
       Juli 2021. Und dann dürfen nur Ukrainer Land erwerben, maximal 100 Hektar
       pro Person.
       
       Ukrainische Firmen kommen erst 2024 zum Zug, dürfen dann bis zu 10.000
       Hektar erwerben. Das Gesetz sieht zudem ein Vorkaufsrecht für die
       derzeitigen Pächter vor. Dies bedeutet, dass 2024 Agroholdings das Land,
       das sie pachten, zu einem Preis kaufen dürfen, den staatliche Schätzer und
       nicht die Besitzer festlegen.
       
       Kritiker befürchten, dass sich das Kaufverbot für Ausländer leicht umgehen
       läßt. Es sei nicht schwer für agroindustrielle Betriebe, einheimische
       Strohmänner zu finden, sagte der Gewerkschaftsaktivist Wolodimir Chemeris
       zur taz.
       
       Auch Tageszeitung „Vesti“ sieht in der Bestimmung, dass ukrainische
       Bodenbesitzer auch bei ausländischen Banken eine Hypothek auf ihr Land
       aufnehmen können, ein Schlupfloch für Nichtukrainer. Denn wenn diese
       Bodenbesitzer eines Tages zahlungsunfähig seien, gehe das Land in den
       Besitz dieser Banken über, so die „Vesti“.
       
       ## „Das Land und der Himmel gehören allen“
       
       Die Kritiker befürchten eine Konzentration von Land in den Händen weniger.
       In der Folge werde die Landflucht zunehmen, die Landbevölkerung weiter
       verarmen. 2024 würden dann, so die Befürchtung, Oligarchen viel Land
       aufkaufen und anschließend die Produktion den Exportvorschriften in die EU
       anpassen. Bei einer Steigerung des Exportes werden jedoch die
       Lebensmittelpreise in der Ukraine selbst steigen.
       
       „Das Land und der Himmel gehören allen“ zitiert Wolodimir Chemeris eine
       Weisheit der Indianer. Den Indianern hätte man das Recht gegeben, ihr
       Eigentum zu verkaufen. Und sie leben nun in Reservaten auf ihrem eigenen
       Land, so Chemeris.
       
       2 Apr 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.dw.com/de/rangeleien-im-ukrainischen-parlament-wegen-bodenreform/a-52281937
 (DIR) [2] https://www.imf.org/en/News/Articles/2020/03/26/pr20112-ukraine-statement-by-the-imf-managing-director
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Clasen
       
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