# taz.de -- Bundestagssitzung in Corona-Zeiten: Zwei Sessel Abstand
       
       > Der Bundestag will am Mittwoch ein großes Corona-Hilfspaket beschließen.
       > Um die Abgeordneten zu schützen, wird die Sitzung anders ablaufen als
       > sonst.
       
 (IMG) Bild: Zwei Sitze Abstand: Vorbereitung für die Bundestagssitzung
       
       BERLIN taz | Schaut man in den Parlamentskalender, den der Bundestag jedes
       Jahr rausgibt, ist die Sache klar: Die aktuelle Woche ab dem 23. März ist
       mit einem roten Balken markiert. Weil roter Balken reguläre Sitzungswoche
       bedeutet, müsste der Bundestag nun normal tagen. So weit die Theorie. Die
       Realität: [1][Ein Großteil des öffentlichen Lebens in Deutschland steht
       wegen einer Virusepidemie still] – und der Bundestag versucht,
       handlungsfähig zu bleiben. Irgendwie.
       
       An diesem Mittwoch kommen die Abgeordneten zu einer Plenarsitzung zusammen,
       die in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich ist. Das fängt schon damit an, dass
       es die einzige Sitzung in der laufenden Woche ist – sonst sind es drei
       Plenartage. Die Reduzierung ist eine Maßnahme, um das Infektionsrisiko für
       die Abgeordneten zu begrenzen.
       
       Auch die Tagesordnung ist deutlich abgespeckt; nur die eiligen Vorhaben
       sollen behandelt werden. Im Mittelpunkt stehen dabei [2][mehrere
       Gesetzespakete zur Corona-Nothilfe], aber auch die Verlängerung des
       Bundeswehr-Einsatzes im Irak steht aus.
       
       In etlichen Schaltkonferenzen haben Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble
       (CDU) und die Vertreter aller sechs Fraktionen bis zuletzt darüber
       gebrütet, wie das Hohe Haus einerseits funktionsfähig bleibt – ohne
       gleichzeitig die Abgeordneten einer zu großen Gefahr auszusetzen. Keine
       einfache Aufgabe.
       
       Noch ist die Zahl der infizierten Abgeordneten überschaubar 
       
       Schließlich handelt es sich bei aktuell 709 Abgeordneten um eine solche
       Menschenansammlung, wie sie anderswo schon lange nicht mehr erlaubt ist.
       Zumal längst auch Abgeordnete infiziert sind – wenn auch in überschaubarer
       Zahl, wie eine taz-Umfrage unter den Fraktionen zeigt.
       
       Ursprünglich liefen die Planungen darauf hinaus, die Zahl der Abgeordneten
       möglichst gering zu halten und als Miniparlament unter Wahrung der
       Mehrheitsverhältnisse zusammenzutreten. Doch diesmal geht das nicht. Grund
       ist der Nachtragshaushalt, den das Kabinett zur Bekämpfung der Coronakrise
       am Montag verabschiedet hat. Für die geplanten Ausgaben in dreistelliger
       Milliardenhöhe ist eine Umgehung der Schuldenbremse nötig.
       
       Um das zu beschließen, braucht es eine sogenannte Kanzlermehrheit von 355
       Abgeordneten. So viele Parlamentarier müssen also nicht nur da sein,
       sondern auch zustimmen. Deshalb tagt das Parlament doch in größerer Runde.
       Wobei sich die Regierungsfraktion diesmal auf die Opposition stützen kann:
       Linke, Grüne und FDP haben bereits Zustimmung signalisiert – Union und SPD
       brauchen also nicht alle ihre Abgeordneten.
       
       Für diejenigen, die da sind, gilt aber, möglichst großen Abstand zu den
       Kollegen einzuhalten. Um die Ansteckungsgefahr klein zu halten, hat sich
       die Bundestagsverwaltung deshalb einiges einfallen lassen. So sollen die
       Parlamentarier weiter auseinander sitzen als sonst. „Zwei Sessel zwischen
       den Abgeordneten bleiben frei“, sagt ein Parlamentssprecher – markiert mit
       einem Zettel mit der Aufschrift: „Bitte frei lassen“. Damit für alle Platz
       ist, werden zudem zwei der Besuchertribünen für Abgeordnete reserviert,
       ergänzt der Sprecher.
       
       Zwei Besuchertribünen für Parlamentarier 
       
       Zugleich haben die Fraktionen selbst vorgesorgt. Die Union hatte ihre für
       Dienstag geplante Fraktionssitzung gestrichen – da die räumliche Situation
       des Saals „gebotene Vorkehrungen zum Gesundheitsschutz“ nicht zulasse, wie
       es in einem Brief der Fraktionsführung an die 246 Abgeordneten heißt. Die
       SPD-Fraktion stellte es ihren Mitgliedern frei, an der Sitzung
       teilzunehmen. Andere Fraktionen wie Grüne und FDP tagten virtuell.
       
       Eigentlich war geplant, dass die Kanzlerin am Mittwoch eine
       Regierungserklärung abgibt. Doch [3][da diese sich wegen Coronaverdacht
       freiwillig in Quarantäne begeben hat], springt nun Vizekanzler Olaf Scholz
       als Redner ein. Für die Debatte selbst wird Abgeordneten empfohlen, sie am
       Bildschirm zu schauen, um nur zum Abstimmen ins Plenum zu kommen. Und auch
       die namentliche Abstimmung läuft anders ab: „Die Urnen werden außerhalb des
       Plenums stehen, und die Zeit zur Abstimmung wird verlängert“, sagt der
       Sprecher.
       
       Künftig reichen 178 Abgeordnete 
       
       Trotz solcher Einschränkungen legen die Volksvertreter ein bemerkenswertes
       Tempo vor. Alle drei Lesungen zu den Gesetzen sind für Mittwoch angesetzt,
       auch die nötigen Ausschüsse tagen zwischendurch. Dann die Abstimmung, um
       halb fünf am Nachmittag soll alles beschlossen sein. So rasant geht es
       selten zu im Hohen Haus.
       
       Nur, wie geht es weiter? „Wir haben es mit einer Ausnahmesituation zu tun –
       und das heißt, dass auch wieder Normalität einkehren wird“, schrieb
       Schäuble jüngst den Mitarbeitern im Haus. Wann das ist, weiß aber niemand.
       Klar ist nur, dass die Abgeordneten am Mittwoch auch die Geschäftsordnung
       ändern wollen, um das Quorum für die Beschlussfähigkeit zeitweise von 50
       auf 25 Prozent zu senken. Dann reichen bereits 178 anwesende
       Parlamentarier, um Gesetze zu verabschieden.
       
       25 Mar 2020
       
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