# taz.de -- Psychologin über Krisenangst: „Angst, Trauer, Wut sind normal“
> Wer sich mit der Klimakrise beschäftigt, kann durchaus Angst bekommen,
> sagt Psychologin Katharina van Bronswijk. Was tun damit?
(IMG) Bild: Weiter machen und Aktiv bleiben auch in Corona-Zeiten
taz: Frau van Bronswijk, Sie beschäftigen sich eigentlich mit der Frage,
wie sich die Klimakrise auf unsere psychische Gesundheit auswirkt. Nun
befinden wir uns aber in einer ganz anderen Krise, die vielen Sorge
bereitet. Verdrängt die Angst vor dem Corona-Virus die vor dem Klimawandel?
Katharina van Bronswijk: Es gibt tatsächlich eine psychologische Theorie zu
einem „finite pool of worry“, die besagt dass wir eine begrenzte Kapazität
für belastende Themen haben und uns nicht über alles gleichzeitig Sorgen
machen können. Demnach beschäftigt uns vor allem das, was wir als näher und
akuter wahrnehmen. Für viele ist das gerade ganz klar die Corona-Pandemie.
Es gibt aber auch Menschen, für die sich die Bedrohung durch den
Klimawandel bereits sehr akut anfühlt. Sie denken die Krisen und mögliche
Lösungen zusammen. Das finde ich sehr hilfreich. Dabei vermischen sich aber
natürlich auch die Sorgen.
Angst vor dem Klimawandel, ist das eine psychische Störung?
[1][Klimaangst oder auf englisch climate anxiety], das sind Wörter, die man
gerade häufig hört. Neu ist das Phänomen allerdings nicht. Angst als
Reaktion auf den Klimawandel gibt es, seit es die Klimawissenschaft gibt.
Aber Klimaangst ist keine Diagnose. Als Psychologin kann ich nur sagen, es
gibt alle möglichen Emotionen, die der Klimawandel auslösen kann: Angst,
Trauer, Wut, Frust. Diese Gefühle zu empfinden ist erstmal normal, sogar
ein Stück weit gesund. Behandlungsbedarf sehen wir Psycholog*innen erst,
wenn es jemanden so weit einschränkt, dass er seinen Alltag nicht mehr
geregelt bekommt.
Meinen Sie, Klimaangst wird bald in den Katalog der psychischen Störungen
aufgenommen?
Nein. Erstens weil die Diagnosen sich an Symptomen orientieren und nicht an
den Ursachen für eine Störung. Bei einer Depression wäre das zum Beispiel
eine über mehr als zwei Wochen bestehende Niedergestimmtheit, nicht etwa
ein Arbeitsplatzverlust. Und zweitens, weil man nicht sofort krank ist, nur
weil man unangenehme Gefühle hat. Dass eine Angst zu einer Störung führt,
beobachte ich im Bezug auf den Klimawandel noch nicht so oft. Was
allerdings sein kann – und da gibt es auch schon Studien zu – ist, dass der
Klimawandel zu einer Zunahme anderer psychischer Störungen führen wird.
Aber da geht es dann um [2][Posttraumatische Belastungsstörungen nach
Katastrophen] zum Beispiel.
Ein Pressesprecher von Fridays for Future erzählte uns, dass sich alle
Jugendlichen in der Bewegung mal erschöpft und niedergeschlagen fühlen.
Manche hören auf. Macht sich FFF selber kaputt?
[3][Klimaaktivismus ist anstrengend]. Es ist völlig normal, dass man mal
einen Durchhänger hat, nachdem man einen Großstreik organisiert hat. Da
hilft Ausschlafen und sich eine verdiente Auszeit gönnen. Und natürlich
macht uns der Klimawandel auch hilflos, weil wir als einzelne Menschen das
Problem nicht komplett lösen können. Wir sind immer auch davon abhängig,
dass die anderen mitmachen. Da hilft es wiederum, sich nicht nur die
Katastrophenmeldungen reinzuziehen, sondern gezielt nach
Handlungsmöglichkeiten zu suchen.
Haben die Medien das Phänomen Klimaangst im vergangenen Jahr befeuert?
Man weiß aus psychologischen Studien, dass es super wichtig ist, eine
permanente Berichterstattung über die aktuelle Situation zu haben. Und ein
Stück weit gehört es dazu, ehrlich zu sein und zu sagen, ja, es ist ernst
und es kann richtig scheiße werden. Menschen reagieren aber unterschiedlich
auf etwas, das sie als Gefahr wahrnehmen. In der Psychologie unterteilt man
in die drei Reaktionen fight, flight und freeze, also Kampf, Flucht und
Erstarren. Im Bezug auf den Klimawandel ist die beste und langfristig
eigentlich einzige Variante, in den Kampf zu gehen. Wenn dieser Kampf
Aussicht auf Erfolg hat, dann brauchen wir auch nicht mehr über Klimaangst
zu sprechen.
Was genau muss man tun?
Aktiv werden, sich mit der Frage auseinandersetzen, in was für einer
Gesellschaft wir leben möchten. Dafür wäre es hilfreich, dass die Medien
mehr positive Meldungen über die Fortschritte bringen und Handlungsoptionen
aufzeigen. Und was ich mir noch von ihnen wünschen würde: dass wir nicht
darüber debattieren, ob jetzt die Klimabewegung aus lauter Hysterikern
besteht, die alle krank sind, sondern dass wir tatsächlich Lösungen finden
für die Probleme, die da auf uns zukommen.
Wie kann sich die Gesellschaft psychisch auf die Probleme vorbereiten, die
da auf uns zukommen?
Zuerst müssen wir alle einen reiferen Umgang mit den eigenen Gefühlen
erlernen. Der allererste Schritt ist erstmal zu akzeptieren, dass
unangenehme Gefühle zum Leben dazugehören, und nicht innerlich dagegen
anzukämpfen, sondern lieber mit anderen darüber zu sprechen. Und dann ist
natürlich die Frage, wie wir damit umgehen werden, wenn es krisenhaft wird.
Es wird Ressourcen-Engpässe geben. Es werden Menschen ihr Zuhause verlassen
müssen und woanders hinziehen. Werden wir dann egoistisch und fangen an,
Hamsterkäufe zu machen? Oder kriegen wir das anders organisiert. Im Umgang
mit Corona zeigt sich ja gerade: Menschen können auch solidarisch sein und
sich umeinander kümmern.
Und wenn es jemandem doch wegen der Klimakrise schlecht geht, kann er sich
dann an die Psychologists for Future wenden?
Klar, man kann uns eine E-Mail an beratung@psychologistsforfuture.org
schreiben. Auch schon, bevor man das Gefühl hat, überhaupt nichts mehr zu
schaffen. Wir arbeiten lieber präventiv.
27 Mar 2020
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