# taz.de -- Spitzenkandidat über die CDU in Hamburg: „Ich verschwinde nicht nach Berlin“
       
       > CDU-Spitzenkandidat Marcus Weinberg will eine Deutschland- oder eine
       > Große Koalition. Die CDU liegt derzeit in Hamburg bei etwa 14 Prozent.
       
 (IMG) Bild: Wünscht sich eine Deutschland-Koaltion: Marcus Weinberg
       
       taz: Herr Weinberg, warum braucht Hamburg die CDU? 
       
       Marcus Weinberg: Weil es eine Kraft braucht, die die verschiedenen Aufgaben
       der kommenden Jahre zusammenbindet: Mut zu Veränderungen in der Mobilität
       und Stadtentwicklung, Verlässlichkeit bei der inneren Sicherheit, der
       Wirtschaft und Stärkung der städtischen Infrastruktur. Wir müssen neue
       Branchen in Hamburg ansiedeln, kluge Köpfe in die Hansestadt holen und die
       Digitalisierung und Modernisierung der Wirtschaft aktiv begleiten. Wichtig
       ist mir auch ein respektvolles Miteinander, unabhängig von Hautfarbe,
       Religion oder Herkunft. Es kann nicht sein, dass in Hamburg Rabbiner
       bespuckt werden oder Extremisten von links oder rechts zunehmend an
       Einfluss gewinnen.
       
       Das trauen viele HamburgerInnen auch der rot-grünen Koalition zu, mit der
       es eine hohe Zufriedenheit gibt. 
       
       Das Klima zwischen Rot und Grün ist so angespannt, dass man sich ernsthaft
       fragt, ob dieses Bündnis überhaupt noch eine Perspektive hat. Es gibt
       keinen gemeinsamen Geist mehr und keine gemeinsame Idee, wo die Stadt in
       ein paar Jahren stehen soll. Das teilweise als arrogant wahrgenommene
       Auftreten des Ersten Bürgermeisters erinnert mich stark an die 90er Jahre,
       als uns die SPD suggerierte, dass ihr die ganze Stadt gehört. Und bei den
       Grünen muss man sich fragen, ob sie nur ihre Klientel mobilisieren oder
       eine ernsthafte Option für die ganze Stadt sein wollen. Ihre unklaren
       Positionen zum Weiterbau der A26 Ost und dem Vermummungsverbot lassen
       Ersteres vermuten.
       
       CDU-Parteichef Roland Heintze hat 2018 skizziert, mit was für einer Person
       an der Spitze die CDU in den Wahlkampf ziehen sollte: Weiblich, mit
       Migrationshintergrund, in der Wirtschaft verankert. Das ist jetzt nicht
       ganz Ihr Profil. 
       
       Ja, ich schramme da ganz knapp vorbei. Letztendlich geht es um Inhalte und
       nicht um abstrakte Vorgaben. Ich mache allen Wählerinnen und Wählern das
       Angebot eines klaren persönlichen und inhaltlichen Profils.
       
       Das sich uns noch nicht erschließt. In den vergangenen Jahren hat die
       Hamburger CDU eher einen Rechtsruck vollzogen. Sie aber gehören dem
       liberalen, sozialen Flügel der Partei an. Was gilt nun in der CDU? 
       
       Als Volkspartei müssen wir alle Strömungsprofile abdecken – das
       konservative, das liberale wie auch das christlich-soziale. Ich habe als
       liberaler und christlich-sozialer Familienpolitiker sicher andere
       Schwerpunkte als konservativere Kollegen.
       
       Die CDU stellt keineN BürgermeisterkandidatIn auf. Dass die
       Koalitionsparteien diese Personalie unter sich ausmachen, ist ein Novum in
       der deutschen Wahlgeschichte. 
       
       Da die Hamburger CDU seit Jahren in den Umfragen zwischen 14 und 16 Prozent
       liegt, wäre der Ausruf, Bürgermeisterkandidat zu sein, etwas unrealistisch.
       Unser Ziel ist es, von den Wählerinnen und Wählern einen Gestaltungsauftrag
       zu erhalten und sie nicht mit Selbstüberschätzungen zu irritieren.
       
       Sie haben sich in der Bundespolitik wohlgefühlt. Was hat Sie nur dazu
       bewogen, sich hier als Kandidat ohne echte Siegeschance verbrennen zu
       lassen? 
       
       Ich bin in Hamburg groß geworden, und habe Lust diese wunderschöne Stadt
       mitzugestalten. Klar ist, dass ich nicht nach Hamburg komme, hier Wahlkampf
       mache und wieder nach Berlin verschwinde. Ich will nach der Wahl hier in
       der CDU Verantwortung übernehmen. Das wird von mir erwartet und das wird
       auch passieren.
       
       Aber an welcher Stelle verraten Sie uns noch nicht? 
       
       Das hängt stark davon ab, ob wir den parlamentarischen Gestaltungsauftrag
       erhalten.
       
       Also bei einer Regierungsbeteiligung: Zweiter Bürgermeister und
       Sozialsenator? 
       
       Das wird nach der Wahl entschieden.
       
       Fest steht schon, dass die CDU erneut kaum Frauen in ihrer neuen Fraktion
       haben wird. In den 17 Wahlkreisen für die Bürgerschaftswahl stehen gerade
       einmal drei Frauen an der Spitze. So wenig weibliches Personal hat sonst
       nur die AfD. 
       
       Auf Platz zwei und vier der CDU-Landesliste kandidieren Frauen und in
       meinem Kompetenzteam habe ich ausschließlich Frauen, die allerdings aus
       unterschiedlichen Gründen nicht für die Bürgerschaft kandidieren wollen.
       Wir müssen aber weiter darum kämpfen in der CDU Frauen für die politische
       Arbeit zu gewinnen.
       
       Trotzdem: Auch in der nächsten CDU-Fraktion bleiben die Frauen
       unterrepräsentiert. 
       
       Das stimmt.
       
       Was wollen Sie in den kommenden Jahren bewegen? 
       
       Wir brauchen eine nachhaltige Stadtentwicklung mit dem Schwerpunkt
       Mobilität. Hamburg muss grüner, gesünder, mobiler werden und wir müssen den
       Menschen die Räume der Stadt zurückgeben. Hier muss die CDU Treiber sein.
       Unter Rot-Grün hat die Versiegelung von Flächen zu- und die Zahl der
       Straßenbäume abgenommen. Nachhaltige Politik sieht anders aus.
       
       Nämlich? 
       
       Integraler Bestandteil jeder Stadtentwicklung ist eine moderne Mobilität.
       Wir wollen niedrigere Ticketpreise im Öffentlichen Nahverkehr umsetzen, im
       Westen der Stadt eine Metrotram auf den Weg bringen und die
       Willy-Brandt-Straße untertunneln, um dadurch neue Räume für einen
       Stadt-Boulevard zu schaffen.
       
       Für Rot-Grün sind das Schnapsideen. 
       
       Wer wie ich viel Bus fährt, steht permanent im Stau. Die Antwort des Senats
       darauf ist: Noch mehr Busse. Für eine S32, die etwa 2040 kommen soll, gibt
       es noch keine konkrete Planung. Nicht nur für Lurup, Osdorf und Bahrenfeld
       ist es eine spannende Option, über die sogenannte Metrotram/Stadtbahn
       nachzudenken. In einen Bus passen 100, in eine Metrotram 500 Fahrgäste.
       Sie ist leise und umweltfreundlich. Wir hätten damit ganz andere
       Kapazitäten. Und bei den Kosten liegen wir bei einem Zehntel im Vergleich
       zur S-Bahn.
       
       Stadtweit ist das Projekt ja schon zweimal gescheitert. 
       
       Es ist deshalb klug, den Menschen lokal zu zeigen, wie gut das
       funktioniert. Wenn die Innovationsstadt Hamburg weiter auf Busse setzt,
       statt auf kluge, innovative Systeme, dann wird sie den Anschluss an andere
       Metropolen in wenigen Jahren komplett verlieren.
       
       Die FDP streitet für die Legalisierung von Cannabis, die CDU verliert über
       Drogenpolitik in ihrem Wahlprogramm kein einziges Wort. 
       
       Wir sehen da keinen aktuellen gesetzlichen Handlungsbedarf, sollten aber
       die Angebote für Suchtkranke und die für den präventiven Bereich
       verbessern.
       
       Die Kriminalisierung von Drogenabhängigen wird es also weiter geben. 
       
       Noch einmal: Wir sehen da keinen gesetzlichen Handlungsbedarf.
       
       Einen gesetzlichen Handlungsbedarf sehen Sie auch beim Vermummungsverbot
       nicht. Sie haben gerade dieses Randthema genutzt, um aufzuzeigen, dass eine
       Koalition mit den Grünen fast undenkbar ist. Das erscheint vorgeschoben. 
       
       Es sind häufig kleinere Themen, die eine problematische Haltung verraten.
       Eine Lockerung des Vermummungsverbotes ist für uns mit Sicherheit nicht die
       adäquate Reaktion auf die Vorkommnisse während des G20-Gipfels.
       
       Die CDU in Schleswig-Holstein hatte mit der Herabstufung des
       Vermummungsverbots zur Ordnungswidrigkeit kein Problem. 
       
       Das haben die schleswig-holsteinischen Kollegen für sich geregelt und wir
       regeln das für uns. In Kiel sind die Ereignisse des G20-Gipfels auch nicht
       so präsent.
       
       Sie setzen in Hamburg auf eine Deutschland-Koalition – ein Bündnis der
       mutmaßlichen Wahlverlierer SPD, CDU und FDP gegen die Grünen? 
       
       Am Ende ist das Wahlergebnis, die sich daraus ergebende Mehrheit und die
       inhaltliche Übereinstimmung für eine Regierungsbildung entscheidender, als
       die Momentaufnahme, wer ein paar Prozente gewonnen oder verloren hat. Diese
       Tendenzen muss man bei der Koalitionsbildung berücksichtigen. Für uns ist
       es wichtig, dass am Ende eine stabile Regierung steht, die auch die
       Wirtschaft und die innere Sicherheit nicht aus dem Blick verliert. Deshalb
       hat die Koalition mit SPD und FDP eine Präferenz, aber ich schließe auch
       andere Koalitionen nicht kategorisch aus.
       
       Wie steht es mit einer Zusammenarbeit mit der AfD? 
       
       Da grenzen wir uns in aller Klarheit ab. Was in Thüringen vorgefallen ist,
       ist erbärmlich und ein tiefer Einschnitt. Wir werden mit der AfD nicht
       zusammenarbeiten.
       
       Sie setzen wie Ihr Parteikollege Friedrich Merz aber auch Linke und AfD
       gleich? 
       
       Als Historiker und Sozialwissenschaftler unterscheide ich zwischen links
       und rechts, also auch zwischen Linke und AfD. Die Frage der Zusammenarbeit
       stellt sich für uns in beiden Fällen nicht.
       
       24 Feb 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marco Carini
       
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