# taz.de -- Ausspähungen durch den türkischen Staat: Asylsuchende in Gefahr
       
       > Nach der Verhaftung eines Anwalts der Deutschen Botschaft in Ankara
       > befürchtet die Regierung Übergriffe des türkischen Geheimdienstes in
       > Deutschland.
       
 (IMG) Bild: Aktenstapel des Bamf in Nürnberg. Immer häufiger gehen Unterlagen zur Prüfung ans Auswärtige Amt
       
       Berlin taz | Im vergangenen September [1][verhaftete die türkische Polizei]
       einen Anwalt der Deutschen Botschaft in Ankara. Jetzt befürchtet die
       Bundesregierung Überbegriffe auf türkische Asylsuchende in Deutschland,
       deren Akten in seinem Besitz waren. Es sei „möglich, dass türkische
       Asylantragsteller potentiell auch in Deutschland in den Fokus des
       türkischen Nachrichtendienstes MIT geraten könnten“, schreibt die
       Bundesregierung in der Antwort auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten
       Ulla Jelpke, die der taz vorliegt.
       
       Möglich seien „weitere Ausspähungen“ und „gegebenenfalls auch Übergriffe“
       durch den türkischen Staat oder in dessen Auftrag. Die Frage nach konkreten
       Schutzmaßnahmen für die Betroffenen beantwortet die Bundesregierung nicht
       öffentlich, sondern lediglich als Verschlusssache, die nur
       Bundestagsabgeordnete einsehen dürfen.
       
       Als Reaktion auf den Vorfall hat das Auswärtige Amt allerdings die
       Zusammenarbeit mit Anwälten in der Türkei stark eingeschränkt.
       „Personenbezogene Recherchen zu Asylverfahren werden in der Türkei von
       Kooperationsanwälten nicht mehr durchgeführt“, heißt es in der Antwort an
       den Bundestag. Nach der Verhaftung hatte das Ministerium die Zusammenarbeit
       mit den Anwälten zunächst ausgesetzt.
       
       Die Verhaftung des Anwalts war im November durch einen Bericht der
       Süddeutschen Zeitung öffentlich geworden. Als sogenannter
       Kooperationsanwalt hatte er der Deutschen Botschaft dabei geholfen,
       Anfragen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) oder von
       Verwaltungsgerichten zu beantworten. Gibt ein Asylantragsteller
       beispielsweise an, in der Türkei strafrechtlich verfolgt zu werden, sollen
       diese Anwälte prüfen, ob das stimmt. Hilfreich für die deutschen Behörden
       sind sie der Regierungsantwort zufolge wegen ihrer „spezifischen
       rechtlichen Kenntnisse und (Recherche-)Möglichkeiten vor Ort“.
       
       ## Bis dato einmalig
       
       Laut der Regierung ist diese Zusammenarbeit gängige internationale Praxis.
       Der verhaftete Anwalt Yilmaz S. sei seit zwanzig Jahren für die Deutsche
       Botschaft tätig gewesen, ohne dass sich die türkischen Behörden beschwert
       hätten. Im September wurde er dann allerdings unter dem Vorwurf der
       Spionage verhaftet und seine Wohnung durchsucht – ein bis dato einmaliger
       Fall.
       
       Während das Ermittlungsverfahren gegen den Mann läuft, versucht die
       Bundesregierung noch immer herauszufinden, wie viele Akten bei der
       Festnahme und der Durchsuchung in die Hände der türkischen Behörden geraten
       sind. Schwierig gestalte sich das, weil die Ermittlungsakte zu dem Fall in
       der Türkei unter Verschluss liege.
       
       Aktuell geht die Bundesregierung davon aus, dass Daten von 113 Personen
       betroffen sind – 30 mehr als zunächst bekannt. Hinweise zu weiteren
       Betroffenen überprüfe man derzeit intensiv.
       
       Die Linken-Abgeordnete Jelpke kritisiert – ähnlich wie zuvor schon
       persönlich Betroffene [2][im Gespräch mit der taz] – die Weitergabe heikler
       Daten an Anwälte in der Türkei. „Das Bamf hat mit seinem fahrlässigen
       Handeln Hunderte Geflüchtete aus der Türkei einer enormen Gefahr
       ausgesetzt. Sie müssen jetzt auch in Deutschland damit rechnen, vom
       türkischen Geheimdienst ausgespäht und verfolgt zu werden“, sagte sie der
       taz. „Immerhin hat die Bundesregierung aus diesem Desaster die Konsequenz
       gezogen, in der Türkei keine Kooperationsanwälte mehr mit personenbezogenen
       Recherchen zu Asylverfahren zu beauftragen.“
       
       ## Ein enormer Anstieg
       
       Zudem kritisiert die Abgeordnete, dass das Bamf immer häufiger Daten zur
       Überprüfung an das Auswärtige Amt schickt. Von 201 Anfragen im Jahr 2015
       stieg die Zahl auf 1.301 Anfragen im Jahr 2019 – auch gemessen an der Zahl
       der durchgeführten Asylverfahren ist das ein enormer Anstieg.
       
       „Das ist Ausdruck einer notorischen Misstrauenskultur in der Asylbehörde“,
       sagte Jelpke. „Immer wieder wird berichtet, dass Bamf-Mitarbeiter
       glaubhafte Angaben von Asylsuchenden grundlos in Frage stellen.“ Ihre
       Forderung: Die Behörde solle sich öfter selbst mit vorgelegten
       Beweismitteln der Antragsteller beschäftigen anstatt damit das Auswärtige
       Amt zu beauftragen. Die Praxis müsse sich „schleunigst ändern“.
       
       1 Feb 2020
       
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